Verlage in Prenzlauer Berg (1)
Die Büchermacher – sie sitzen mittendrin in Prenzlauer Berg. Zahlreiche Verlage haben ihren Standort im Bezirk. Politische Entdeckungen, wissenschaftliche Erkenntnisse und kulturelle
Kuriositäten erobern von hier aus die Lese-Welt. Ein innovatives und geistvolles Kapital, das eher im Stillen wirkt.
Die „Prenzlberger Ansichten“ stellen die Prenzlberger Büchermacher und ihre Bücher vor. In diesem Monat: Christoph Links Verlag und Lukas-Verlag.
„Mit Links überleben“
Ein Verlag mit Renommee und Rückgrat. Möglicherweise lässt sich der Christoph Links Verlag so am ehesten beschreiben. Anfang 1990 von Christoph Links gegründet, begab er sich als erstes auf
publizistische Spurensuche nach den weißen Flecken der DDR-Geschichte. Aktuelle Titel wie die dreibändige Ausgabe „Die heile Welt der Diktatur“ des Autoren Stefan Wolle über Alltag und
Herrschaft in der DDR künden auch nach 23 Jahren noch von diesen Anfängen.
Inzwischen hat sich das Profil des Verlages, wenn man so will, auf die Spurensuche nach den weißen Flecken Gesamtdeutschlands erweitert. Es ist ein Verlag, der sich, wie Links es formuliert, „mit
seinen Büchern immer wieder einmischt in die Vorgänge der Zeit“. Insgesamt zehn Reihen gibt das Haus heraus, zum Programm gehören auch Biographien, historische Reiseführer, literarische
Publizistik und populäre Bände. 40 bis 50 Bücher erscheinen jährlich, plus Neuauflagen. Eigenwillige Köpfe und beharrliche Stimmen wie Alexander Osang, Christoph Dieckmann und Jutta Voigt gehören
zu den Autoren.
Seine 23jährige, stetig wachsende Erfolgsgeschichte erzählt der Verlag gern unprätentios und liebenswert. „Es gab kontroverse und erfolgreiche Bücher, manche Prozesse, wechselnde Mitarbeiter
und Quartiere, fallende und steigende Zahlen, Krisensitzungen und Feste“, blickt Christoph Links in seinem Jubiläumsband „Mit Links überleben“ auf zwei Jahrzehnte Verlagsalltag zurück. Da
spricht der studierte Philosoph, der mit der „Chronik der Wende“ eines der eindrücklichsten Zeit-Zeugnisse vorlegte.
Speziell dem Prenzlauer Berg widmet sich der leider vergriffene Band „Die Brauerei Königstadt“ der beiden Autoren Martin Albrecht und Stefan Klinkenberg. Es ist ein reich bebildertes Buch über
die reichhaltige Geschichte der ehemaligen Brauerei an der Schönhauser Allee, die heute als Kulturbrauerei ein lebendiger Kulturstandort ist. Seit 13 Jahren ist sie zudem Sitz des Christoph Links
Verlages und seines zehnköpfigen Mitarbeiterstabes.
Das Buch blickt zurück auf die Anfänge des Ortes zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die Brauerei eine der führenden Brauereien „bairischen“ Bieres in Berlin war. Es zeichnet den weiteren Weg
als Gewerbestandort, u. a. als Waffenschmiede im Zweiten Weltkrieg, und als Champignonzucht zu DDR-Zeiten.
Ins benachbarte Alt-Pankow führt der kleine historische Band „Pankower Städtchen“ von Hans.Michael Schulze. In Anekdoten aus den Häusern von DDR-Prominenten schildert er das Werden und Vergehen
der DDR gewissermaßen aus der Wohnzimmer-Perspektive.
Von Hegel bis Szene-Leben
Private Innenansichten haben auch Annette Gröschner und Barbara Felsmann in „Durchgangszimmer Prenzlauer Berg“ vereint. Der Band, der seit einem Jahr in zweiter Auflage vorliegt, versammelt
Gespräche mit Protagonisten und Randfiguren der Künstlerszene der 70er und 80er Jahre. Eine ganz persönliche Annäherung an den Mythos Prenzlauer Berg, der inzwischen selbst ein Stück Historie
ist.
Das „Durchgangszimmer“ ist eines von acht Büchern, die der „Lukas-Verlag für Kunst- und Zeitgeschichte“ dem Prenzlauer Berg widmet. Der Verlag mit Sitz in der Kollwitzstraße gibt seit 1995
kultur- und zeitgeschichtliche Sachbücher und wissenschaftliche Publikationen heraus. Verleger Frank Böttcher betrieb den Lukas-Verlag zunächst vom eigenen Wohnzimmer aus. Klein, wenn auch nicht
mehr ganz so klein wie in den Anfängen, ist das Unternehmen geblieben – mit einem mittlerweile 330 Bände umfassenden Verlagsprogramm.
„Die ersten beiden Bücher waren eine Hegel-Exegese und ein Tagungsband zu Zisterziensern in Brandenburg“, erinnert sich Böttcher. Ein Profil, das der Verlag Stück für Stück ausgebaut hat. Etwa
durch umfassende Reihen zur Kulturgeschichte Brandenburgs sowie zur Alltags- und Sozialgeschichte.
Diese Geschichte, fokussiert auf den Prenzlauer Berg, spiegelt etwa der Fotoband „Albatros. Vom Abheben“, der das Prenzlberger Szeneleben der DDR-Zeit in eindrücklichen Bildern dokumentiert.
Künstler und Kunstwerke der DDR-Vergangenheit aus Prenzlauer Berg und Pankow porträtiert das Buch „Wochenmarkt und Knochengeld“, herausgegeben vom Amt für Kultur und Bildung.
Liegt das Erscheinungsdatum dieser Bände bereits einige Zeit zurück, widmet sich eine aktuelle Publikation der Architekturgeschichte. „Bäderbau in Berlin“ stellt das Stadtbad Oderberger Straße
und andere Berliner architektonische Wasserwelten vor. Das profunde Werk blickt in die Zeit der Entstehung jener kulturhistorischen Bäder und beschreibt ihre heutige Nutzung. Uta Bräuer und Jost
Lehne präsentierten ihren Bildband jüngst am authentischen Ort in der Oderberger Straße.
Verwiesen sei noch auf zwei Publikationen ganz unterschiedlicher Couleur, die thematisch die Kiez-Grenzen weit überschreiten: Dass Kunstgeschichte durchaus amüsant sein kann, zeigt der
Kunsthistoriker und Theologe Matthias Friske mit seiner „Geschichte des Mosaiks von Hannes Hegen“, einem Porträt des legendären DDR-Comics und seines Machers.
Das zweite Buch schaffte es vor acht Jahren auf Platz 5 der SPIEGEL-Bestseller-Liste: „Emmi Bonhoeffer“ schildert in Briefen, Tagebuchaufzeichnungen und Essays ein Bild der Gefährtin Klaus
Bonhoeffers, die den Widerstandskampf ihres Mannes gegen das Hitler-Regime auf ihre Weise unterstützte. Nach dem Krieg wurde sie zu einer aktiven Streiterin wider das Vergessen jener
Zeit.
✒ -al- (Okt 2013)