GESCHICHTE PRENZLAUER BERG

Berliner Mauern – Teil 1

Die Mauer muß weg!", tönte es einst. Aber manche Mauern muss man als solche erhalten, um die Geschichte der Stadt zu verstehen. Es gibt auf dem heutigen Gebiet Berlins Dutzende "älteste Bauten" der Stadt. Das kommt daher, dass sich Berlin am 1. Oktober 1920 seine Vororte eingemeindete und sich fortan "Groß-Berlin" nannte. 

Wenn wir also von den "ältesten Mauern Berlins" reden, bezieht man dann die 1920 hinzu gekommenen Ortsteile mit ein? Ich hab mich entschlossen, dies nicht zu tun und bei Berlin-Cölln zu bleiben. Die erste urkundliche Erwähnung Cöllns ist von 1237, darauf beziehen sich auch alle runden Stadtjubiläen, die Berlins ist von 1244. Diese Doppelstadt hatte damals ca. 2.500 Einwohner.

Der letzte Rest von Berlins mittelalterlicher Stadtmauer, aus der Zeit um 1250 herum, steht in der Littenstraße. Er hat nur deshalb die Jahrhunderte überlebt, weil die Mauer hier Teil von Gebäuden war. Erst 1948 wurde sie gesichert und unter Denkmalschutz gestellt. Nur nach Norden und Osten hatte Berlin diese Stadtmauer. Im Süden und Westen lag auf der Fischerinsel Cölln und dieses wiederum war begrenzt und geschützt durch den südlichen Spreearm.

Akzisemauer Berlin
Dies ist der Rest der mittelalterlichen Stadtmauer aus der Zeit um 1250. Zu finden ist er zwischen Littenstraße und Waisenstraße. Eine Tafel weißt darauf hin. Im Hintergrund das älteste Gasthaus Berlins „Zur letzten Instanz“. Foto: rg

Nach dem 30-jährigen Krieg begann man ab 1650 mit dem Bau eines Festungsgrabens rund um Berlin und dem Bau von Wällen. Bereits ab 1740 indes wurden diese Wälle wieder abgetragen. Sie hatten nie eine strategische Bedeutung und waren schon zu ihrer Fertigstellung veraltet und wären damals moderner Artillerie nie gewachsen gewesen. Der süd- und westliche Teil dieser Wehranlage wurde ganz normal überbaut. Der nord- und östliche Teil vergammelte, blieb aber seltsamerweise im Eigentum der Stadt Berlin. Ab 1875 wurde dieser Teil des Festungsgrabens zugeschüttet und das Hochbahnviadukt darauf errichtet, auf dem 1882 die Stadtbahn fertiggestellt wurde. Die S-Bahn schlängelt sich also entlang des alten Festungsgrabens durch die Stadt. Übrigens wurde die Ringbahn 1871 bis 1877 gebaut.

Vor diesem Festungsgraben wurden, damit außerhalb Berlins, verschiedene Marktplätze angelegt. Der einzige noch erhaltene davon ist der heutige Alexanderplatz, der unmittelbar vor dem "Georgenthor", später "Königsthor" lag und bereits 1701 angelegt wurde.

Dieses Tor wurde verlegt, denn eine neue Mauer wurde von 1734 bis 1737 gebaut, die Zoll- oder Akzisemauer. Sie hatte achtzehn Stadttore und keinerlei militärische Bedeutung. Im Uhrzeigersinn waren es das Neue Tor (lag etwa dort, wie die Panke die Invalidenstraße unterquert), Oranienburger Tor (Torstraße Ecke Friedrichstraße), Hamburger Tor (Torstraße Ecke Kleine Hamburger Straße), Rosenthaler Tor (Rosenthaler Platz), Schönhauser Tor (Torstraße Ecke Schönhauser Allee), Prenzlauer Tor (Torstraße Ecke Prenzlauer Allee), Königstor (bis 1809: Bernauer Tor, Greifswalder Straße Ecke Am Friedrichshain), Landsberger Tor (Landsberger Allee Ecke Friedenstraße), Frankfurter Tor (deutlich westlicher als heute, etwa Friedenstraße / Straße der Pariser Kommune), Stralauer Tor (zunächst: Mühlentor, Warschauer Straße / Stralauer Allee / Mühlenstraße), Oberbaum (Oberbaumbrücke), Schlesisches Tor (zunächst: Wendisches Tor, am U-Bahnhof Schlesisches Tor).

Köpenicker Tor (Lausitzer Platz), Kottbusser Tor (am gleichnamigen U-Bahnhof), Wassertor (Wassertorplatz), Hallesches Tor (am U-Bahnhof Hallesches Tor), Anhalter Tor (am S-Bahnhof Anhalter Bahnhof), Potsdamer Tor (Leipziger Platz Ecke Potsdamer Platz), Brandenburger Tor (Pariser Platz Ecke Unter den Linden) als einziges noch heute erhaltenes Stadttor, Unterbaum (dort, wo die Unterbaumstraße auf die Spree trifft, gegenüber vom Paul-Loebe-Haus, die heutige Kronprinzenbrücke).

Die Akzisemauer war zum größten Teil ein Palisadenzaun und nur an ganz wenigen Stellen aus gebrannten Ziegeln (überwiegend) oder aus Feldsteinen gemauert. Etwa zwanzig Meter von dieser sollen in der Stresemannstraße 65 unter Denkmalschutz stehen.

Das Gebiet Berlins reichte aber weiter. Da gehörte noch die Feldmark dazu. Die Bürger der Stadt hatten hier ihre Felder und bewirtschafteten kleine Flächen. Ausflugslokale entstanden rund um die Brauereien. Vieh wurde auf den städtischen Wiesen gehalten, Wein an den Hängen der Ausläufer des Barnim angebaut und in den städtischen Windmühlen wurde das Korn der Bevölkerung gemahlen. Das Gebiet Berlins umfasste zur Zeit der Besetzung Berlins durch Napoleon, der als "korsischer Pferdedieb" in die Annalen Berlins eingegangen ist, weil er 1806 die Quadriga des erst 1793 eingeweihten Brandenburger Tores raubte und in Paris ausstellte, das Gebiet der heutigen Stadtteile Wedding, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg, Mitte und Tiergarten. Der "Hobrechtsche Bebauungsplan" von 1862 wurde für die Flächen der Berliner Feldmark ersonnen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bebaut oder parzelliert waren. Für den Bau des Zentralviehhofs erwarb Berlin am 28. Oktober 1872 einen Teil der Lichtenberger Feldmark. Zur Zeit des Baus der Ringbahn (im Volksmund "Hundekopf" genannt) ab 1871 dachte man noch großzügiger und schloss darin auch Berlins westliche und einen Teil der südlichen Vororte mit ein.

Weder als Feldmark noch in irgendeiner Art bebaut muss man sich die Umgebung Berlins außerhalb der Stadtmauer und drum herum liegender Felder zur Zeit der ersten urkundlichen Erwähnung Berlins vorstellen. Es gab fast undurchdringlichen Wald, Dschungel, in dem viele Tiere (Biber, Wisente, Bären) hausten, dazwischen Sümpfe, Tümpel, schlammige Wege, die in die nächsten Dörfer führten und drum herum pure Wildnis. Das Naturschutzgebiet rund um den Faulen See an der Buschallee vermittelt einen Eindruck von dieser Zeit.

Wenn wir aber eines aus der Berliner Geschichte gelernt haben, dann dies: Mauern stehen in dieser Stadt nie ewig.

Im November geht es an dieser Stelle um die Berliner Mauer, die viele von uns noch persönlich kennengelernt haben.

Rolf Gänsrich, Sep. 2019

www.rolfgaensrich.wordpress.com