Tiere und Menschen

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin

Frau Dr. med. vet. Susanne Keu­necke in der Sonnenburger Straße hat einen Kater, genauer gesagt besitzt sie zwei. Bei dem Ge­spräch mit ihr habe ich die großen, schö­nen Tiere kennengelernt bzw. die mich. Seit 2001 hat die Tierärztin bereits ihre Praxis hier in Prenzlauer Berg und behandelt insbesondere Hunde, Katzen, Kleinnager, Reptilien und Vögel, die gemeinsam mit ihren Besitzern zu ihr in die Sprech­stunde kommen.
Tierliebe allein reiche nicht, man müsse auch das Verhalten der Art, des Indi­vi­duums ein bisschen kennen, damit beide miteinander klarkämen, der Mensch und das Tier. Es sei z. B. für Hunde (oder auch Pferde) schon schwer, wenn Art­ge­nossen oder ein fremder Mensch die Indi­vidualdistanz überschreite. Der Hund wolle an sich keine Konfrontation, weder mit seinesgleichen noch mit dem Menschen und zeige dies in seinem Verhalten an, z. B. durch Beschwich­ti­gungs­gesten.
Der Berliner, ob in seiner eingeborenen oder zugezogenen Variante, hatte schon immer eine Schwäche und Liebe für Tiere, einmal abgesehen von der Tat­sache, dass sie natürlich auch für seine Ernährung eine entscheidende Rolle spie­len. In Zeiten des Wachstums der Stadt und insbesondere der Industria­li­sierung vor 120 Jahren, suchte der Bewohner der Großstadt einen Ausgleich zur Arbeit, den oftmals schlechten Wohn­bedingungen und so blieb die Sehn­sucht nach der Natur, der Kreatur, die einem den Alltag in dieser immer in Bewegung befindlichen Metropole ein wenig angenehmer machen sollte. Der Berliner beackerte also seinen Schreber­garten, hielt sich den kleinen Piepmatz „fürs Jemüte“ oder später die wohlig schnurrende Hauskatze oder den „kleenen Kleffer“, der einem das Stöckchen holte und ein wenig Freude bereitete. Für alte Menschen hatte und hat das Haustier – und sei es ein Wellensittich – zudem oft noch eine ganz andere Bedeutung, denn es bringt Beschäf­ti­gung und Ablenkung gegen die Ein­sam­keit und Anonymität der Großstadt.
Auch die Obrigkeit des Staates Preußen, der Stadt Berlin haben beizeiten die Bedeutung des Tieres – in diesem Fall des Nutztieres – für die Wirtschaft, aber auch für das Militärwesen erkannt. Hinzu kam von Beginn an, dass die Stadt Berlin von Ländlichkeit und Landwirtschaft umgeben war, in der das Tier eine vielfältige, oft existenzielle Bedeu­tung besaß. Diese natürlichen und später auch künstlich geförderten Bedingungen erforderten die Pflege des Tierbestandes, die Einhaltung hygienischer Regeln für Haltung und Schlach­tung von Nutztieren und die Heilung kranker Tiere.

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Ehemalige Tierarzneischule in Berlin-Mitte. Davor befindet sich das Denkmal von Andreas Christian Gerlach, ab 1870 Direktor der Tierarzneischule. Gerlach gilt als Begründer des öffentlichen Veterinärwesens

Während im bäuerlichen Betrieb und in der Tierhaltung lange Zeit vor allem die Erfahrung im Umgang mit Tieren allein die dominierende Rolle auch bei der Heilung spielte, war das für die von Staats- oder Unternehmer­seite nötige Tierhaltung nicht mehr ausreichend und die Vete­rinärmedizin wurde als ei­gen­­ständige medizinische Diszi­plin geboren. Bereits Ende des 18. Jahr­hunderts ließ König Frie­drich II. entsprechende Untersuchungen anstellen, die schließlich unter seinem Nachfolger 1790 zur Gründung der Fa­kultät Vete­rinärmedizin an der Berliner Universität führte. Jahrzehntelang wurde diese medizinische Disziplin durch wirtschaftliche und militärische Not­wendigkeiten geprägt, wobei von An­fang an neben der Ausbildung von Tier­ärzten bzw. des Lehr­personals auch die für Forschung notwendige Tierhaltung realisiert wurde. Dabei war die jetzige Mitte der Stadt stets das maßgebliche Areal für die Forschungs- und Aus­bil­dungsstätten, einschließlich der Tierhal­tung. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein hielt man in den Ställen an der Hannoverschen Straße Rinder und Pferde für Zwecke der Veterinärmedizin. An­geb­lich wurde das letzte Pferd – vielleicht war es Tierliebe – 1983 von einem 16-jährigen Mädchen aus dem Stall „entführt“, und nur wenige Hundert Meter entfernt angeleint wieder gefunden.
Nach 1990 ergaben sich gravierende Änderungen für die Berliner Universitäten, auch auf dem Gebiet der Veterinär­me­di­zin. Durch das Fusionsgesetz des Berli­ner Senats wurden 1992 sämtliche  Vete­rinär­bereiche unter dem Dach der Freien Universität vereint.
Heute arbeitet die Veterinärmedi­zi­nische Fakultät an mehreren Standorten mit vielen Partnern in und außerhalb Berlins zusammen. Hier seien nur das Leibniz-Institut für Zoo- und Wild­tier­forschung in Berlin-Friedrichs­felde und das Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems genannt.
Berlin ist heutzutage auch immer noch eine Stadt der Hunde. Ich frage mich durchaus manchmal, ob wirklich alle Tierbesitzer dieser Stadt die Bedingungen haben, um diese Vierbeiner entsprechend zu halten. Wer sich die Kehrseite der „Tierliebe“ ansehen will, sollte einmal in das Tierheim nach Falkenberg am Berliner Stadtrand fahren, in dem jedes Jahr Tau­sen­de in Not geratene Tiere aufgenommen werden. Dort sind auch Hunde und Katzen abgegeben wor­den, die von Menschen schlecht behandelt wurden oder de­nen plötzlich „auffiel“, dass ein Tier in ihrem Leben nur stört. Wer ein Tier zu Hause halten möchte, muss für dieses Lebewesen auch Aufmerksamkeit und Zeit  aufbringen, denn ein Hund ist kein Computer, den man nach Belieben an- oder ausschalten kann. – Glück­licherweise kann ein großer Teil der im Tierheim aufgenommenen Hunde und Katzen immer wieder in neue, tierliebende Obhut gegeben werden.
Wenn man Fragen zum Verhalten seines Haus­tieres oder zur richtigen Haltung und Fütterung hat, in Vorbereitung einer Reise eine Impfung benötigt oder wenn das Tier krank wird und medizinische Hilfe erforderlich ist, dann sollte man sich an einen Tierarzt wenden. Susanne Keunecke, die sich mit ihrer Familie im Prenzlauer Berg wohl fühlt und für die Berlin zur Heimat geworden ist, übt diesen Beruf jedenfalls mit Leib und Seele aus.
✒ Jürgen Pahl © (März 2013)