KULTURAREAL AM THÄLMANNPARK

Still ruht die Kunst

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Thälmannpark
Was kostet das Kulturareal am Thälmannpark künftig den Bezirk, was wird eingespart? Bis zum Jahresende sollen diese Fragen beantwortet werden.

Wann gibt der Bezirk das Kulturareal am Thälmannpark an die Gesellschaft für Stadt­entwicklung ab? Spart diese Übertragung tatsächlich Kosten oder ist zu­nächst mit finanziellem Mehraufwand zu rechnen? Die Künstler warten seit mehr als eineinhalb Jahren auf eine Lösung, die Abgeordneten wollen jetzt einen konkreten Zeit- und Finanzierungsplan sehen.

E­­­s ist in diesen letzten Tagen und Wochen des Jahres eine eigenartige Stille um das Kulturareal am Thälmannpark. Das alte Backstein­en­semble, das seit 1986 Kultureinrich­tun­gen beherbergt, liegt in künstlerischer Routine. In der Galerie im Parterre läuft die kleine, feine Ausstellung mit Zeich­nungen und Skizzen des Theater­regis­seurs Einar Schleef. Ein Stockwerk drüber proben und werkeln Jugendliche in den Räumen der  Jugendtheater-Etage. Und noch ein Stockwerk höher laufen die Vorbereitungen für die nächsten Vorstellungen im Theater unterm Dach. Die Anzeigetafel im Erdgeschoss freilich weist noch auf Vorstellungen im Mai 2013 hin.
Künstler-Routine, auch in der Wabe, wo sich Live-Konzerte mit Diskussions­run­den und Kindertheater-Vorstellungen abwechseln. Ruhe ist eingekehrt. Es ist ein stilles Warten, denn noch immer ist ungewiss, wie es mit diesem einzigartigen kommunalen Kulturstandort weitergeht. Erst unlängst hatte auch das Pla­nungsunternehmen „Stattbau“, das im Auf­trag des Bezirks Leitlinien für die Entwicklung des gesamten Thälmann­parks entwirft, auf die „überregionale Bedeutung“ und die Erhaltenswürdigkeit des Kulturstandortes hingewiesen. Die freilich kostet, geschätzte 8 Millionen Euro allein die dringend anstehende Sa­nie­rung.

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Die Zeit scheint stillzustehen, doch sie läuft: Das Kulturareal am Thälmannpark wartet auf seine Übertragung.

Dass es mit Theater unterm Dach, Wabe und Co weitergeht, ist seit mehr als eineinhalb Jahren beschlossene Sache. Wie es weitergehen kann, dafür stellte das Bezirksparlament damals die Weichen. Weil die enormen Kosten von Weiter­be­trieb und Sanierung durch den Bezirk allein nicht zu stemmen waren, beschlossen die Abgeordneten, das Areal an die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) zu übertragen. Die Details des Deals: Das Unternehmen des Landes Berlin soll die Immobilie treuhänderisch verwalten, schrittweise die anstehende Sanierung vollziehen und für die Unterhaltskosten sorgen. Der Bezirk wiederum mietet die Räume für die Nutzer Theater unterm Dach, Jugendtheater-Etage und Jugend­kunst­werkstätten, Wabe und Galerie im Parterre zurück. Langfristige Miet­ver­träge zu günstigen Konditionen sollen es sein. Verbunden mit einer Aufwertung des Standortes: Die Sanierung kann zusätzliches räumliches Potenzial für die Kultur freilegen.  Mit anderen Worten: Das Ensemble wird zuerst verschenkt und dann besser und schöner zurückgemietet. Der Bezirk bleibt in der Pflicht, sich um Fördergelder zur Sanierung zu kümmern.
Der damalige Beschluss fiel im März 2012 nicht nur in letzter Sekunde, er fiel auch unter doppeltem Druck. Neben der erdrückenden Finanzlast war es der öffentliche Druck der ansässigen und solidarischer Berliner Künstler unter der Federführung eines Aktionsbündnisses, die sich vehement für den Erhalt des Areals stark machten. „Die Künstler sind anwesend“ stand wochenlang auf trotzigen Transparenten am Theater unterm Dach. Unterschriftenlisten, Protest­ak­tio­nen und künstlerische Events trugen die bedrohliche Lage ins öffentliche Be­wusst­sein.
Seitdem ist Ruhe eingekehrt, wurde auf den Bürokratie-Ebenen von Bezirk und Senat verhandelt. Entsprechende Übertragungs- und Mietverträge ruhen unterschriftsreif bei der Senatsverwaltung, Einzelheiten sind indes nicht mal dem zuständigen Kulturstadtrat Torsten Kühne (CDU) bekannt. Die Liegenschaft kostet den Bezirk inzwischen weiter, die dringend benötigte Sanierungen und Ein­bauten müssen warten.
Wann ist es endlich soweit? Welche Ein­sparungen bringt die Übertragung dem Bezirk tatsächlich? Und: Ist das Modell ein finanziell tragbares? Die Einspa­run­gen sollten schließlich anderen kulturellen Angeboten in Pankow zugute kommen, so das Versprechen des Bezirks.

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Wabe, Theater unterm Dach, Galerie im Parterre und die anderen Einrichtungen des Areals sollen künftig von der GSE treuhänderisch verwaltet werden. Fotos (3): al

Der Haushaltsplan 2014/2015, den das Bezirksparlament unlängst verabschiedete, enthält keine klaren Aussagen zum Projekt Kulturareal, weder über Zeit­räume noch über entstehende bzw. eingesparte Kosten. Deshalb fasste jüngst das Parlament den Beschluss, dem Be­zirks­amt ein Ultimatum zu setzen. Bis Jah­res­ende soll ein Finanzierungs- und Maßnahmenplan vorgelegt werden, der dezidiert Zeiträume und Einnahmen bzw. Ausgaben der Übergabe auflistet. Einge­bracht haben diesen Antrag SPD und Grüne gemeinsam, die Parteien, auf deren Antrag hin im März 2012 die Übertragung beschlossen wurde.
Es geht nicht nur um konkrete Zahlen und Daten, es geht auch darum, Un­klar­heiten auszuräumen. Denn auch, wenn die Rettung in letzter Sekunde damals gefeiert wurde: Zweifel an der Trag­fähigkeit des Modells gab es von Anfang an. Sie mehren sich, je länger das Proze­dere dauert. Schließlich ist von Miet­prei­sen um 10 Euro pro Quadratmeter die Rede. Schließlich ist inzwischen auch bekannt, dass der Gesellschaft für Stadtentwicklung kurzfristig keine Mittel zur Sanierung zur Verfügung stehen. Also stellt sich die Frage, woher die Gel­der kommen sollen. Durch höhere Miet­preise der Nutzer?
Erstmal kostet das Treuhandmodell mehr als es einbringt, so vermutet nicht nur Linken-Abgeordneter Matthias Zarbock. Auch die Künstler des Aktionsbündnisses fragen sich, ob sich das Unterfangen für den Bezirk finanziell lohnt. Für sie zählt indes mehr, dass der Kulturstandort als Standort für die Kultur erhalten bleibt. Und daran hegt Jens Becker, der Sprecher des Aktionsbündnisses, keine Zweifel. Doch sollte sich bald etwas tun. „Das Gebäude verfällt“, mahnt Becker im Gespräch mit den „Prenzlberger Ansich­ten“ an.
Bereits vor mehr als eineinhalb Jahren, nach dem rettenden Beschluss, hatte er sich in vorsichtigem Optimismus geübt: „Wir stellen den Sekt noch nicht kalt“. Welch weise Voraus­sicht. Der Sekt wäre inzwischen längst in Tau­sende kleine Eisstück­chen zersplittert.
 ✒ Katharina Fial (Dez 2013)