Keine Frage, Berlin wird als Wohnstandort immer begehrenswerter und der Prenzlauer Berg steht auf der Beliebtheitsskala ganz weit oben. Schade nur, dass mit der Aufhebung der beiden letzten Sanierungsgebiete, Helmholtzplatz und Teutoburger Platz im Bezirk Pankow (2013 bzw. 2014), auch bisherige Steuerungsmöglichkeiten entfallen, um langfristig ein differenziertes und bezahlbares Wohnangebot zu sichern. Um sich diesen Problemen möglichst rechtzeitig zu stellen, falls in verschiedenen Bereichen der Zug nicht bereits abgefahren ist, hatte das Bezirksamt Pankow für den 17. September zu einer Fachtagung mit dem Thema „Soziale Stadtentwicklung – Strategien und Steuerungsinstrumente“ eingeladen. Es ging, bei teilweise lebhaften Diskussionen, um den aktuellen Handlungsbedarf in Pankow, rechtliche Steuerungsinstrumente, Positionen der Wohnungswirtschaft und um Beispiele, wie andere Großstädte, München und Hamburg, diese Problematik angehen. Immerhin war man sich schnell einig, dass Leerstandszeiten weit in die Vergangenheit gerückt sind, eine immer stärker werdende Anspannung auf dem Wohnungsmarkt herrscht, die bei einem prognostiziertem Zuzug von 200.000 Wohnungssuchenden bis 2025 (Tendenz Single-Haushalte) nicht abnehmen dürfte. Waren Anfang der 90er-Jahre noch 22 qm Wohnfläche pro Einwohner ausgewiesen, stieg der „Platzbedarf“ auf aktuell 39 qm in Berlin.
Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner führte aus, dass der Bezirk Pankow durch die völlige Herausnahme der Sanierungsgebiete vor besonderen Herausforderungen stehe und bisherige Steuerungsinstrumente nicht verfügbar wären. Doch die sind dringend notwendig. Daniel Hofmann, Büroleiter der GEWOS GmbH, verwies darauf, dass zwei Drittel ehemaliger Leerstandswohnungen dem Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung stünden (über 9 % in Prenzlauer Berg). Zentrales Problem ist dabei die Umwandlung von Wohnungen in Wohneigentum, in Zeiten von Eurokrise und Währungsverfall eine immer lukrativer werdende Anlageform. Bei inflationär niedrigen Zinsen auf Kapitalanlagen schon verständlich, wenn der Begriff Betongold die Runde macht. Und doch wird das „neue Wohneigentum“ meist als Mieteigentum genutzt. Schuld daran ist ein immer stärker werdender Trend, Mieteinkünfte aus Ferienwohnungen zu beziehen.
Als noch großer Leerstand herrschte, war das kein Problem, doch mit jährlich steigenden Touristenzahlen und Bewohnern auf Zeit, öffnete sich damit ein neues Geschäftsfeld. Und das nach einer Vermieterklage 2006 durch das Verwaltungsgericht Leipzig gekippte Gebot von Mietobergrenzen, ist nicht dazu angetan, der Gentrifizierung wirkungsvoll entgegenzutreten.
Probleme über Probleme, aber auch die Suche nach Konzepten. Und dabei gerät immer wieder der Senat ins Blickfeld, der stets abstritt, dass es ein Wohnungsproblem in Berlin gäbe. Immerhin
bemerkte Andreas Otto, Abgeordneter der Grünen, „der letzte Senat hat sich für diese Fragen nicht interessiert, der jetzige prüft wenigstens – hoffentlich wird er nicht als Senat der Prüfer in
die Geschichte eingehen!“ Und zu prüfen wäre da Einiges, und das recht dringend! Wie eine Neuvermietungsregelung, um mit rechtlichen Schritten einer Umwandlung in Wohneigentum entgegenzuwirken.
Das auch mit Mitteln des Vorkaufsrechtes, wie es Reiner Wild, Geschäftsführer vom Berliner Mieterverein e.V., beschreibt. Eine Erklärung für erhöhten Wohnbedarf müsste vom Senat kommen. Aber da
es eigentlich nur Prenzlauer Berg, Kreuzberg, Friedrichshain und Mitte betrifft, wird es schwer sein, bis sich alle 12 Bezirke geeinigt haben …
Treffe Ende Oktober Reiner Wild noch einmal in den Räumen des Berliner Mietervereins. Einiges ist doch schon passiert. Noch im September hat der Senat das „Bündnis für soziale Wohnungspolitik
und bezahlbare Mieten“ beschlossen, und so die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften auf Mieterleichterungen „eingeschworen“. Doch das Ergebnis befriedigt den Mieterverein nicht. Auch
deshalb, weil es mit ihm kein einziges Gespräch im Vorfeld der Vertragsvereinbarung gab, nicht einmal ein Belegexemplar des ausgehandelten Vertrages wurde dem Mieterverein übergeben. Besonders
die Kopplung der Mieterhöhungen an das Haushaltsnettoeinkommen wird bemängelt, da es nicht zu einer Entlastung der Mieter beiträgt.
Auch die Nichtberücksichtigung der Betriebskosten führe dazu, dass bei niedrigem Einkommen eine höhere Mietbelastung entsteht, als im Berliner Durchschnitt. Daran ändert auch die Verein-
barung nichts, dass statt 20 % Mieterhöhung in 3 Jahren, nur noch 15 % in 4 Jahren erlaubt sind. Schwerer wirkt dagegen, dass der Mieterhöhungsstopp vom Januar mit dem Abschluss des Vertrages
aufgehoben wurde … Der Senat ahnte wohl, warum er im Vorfeld den Berliner Mieterverein nicht dabei haben wollte.
Das Verbot der Zweckentfremdung durchzusetzen ist ein zentrales Anliegen des Mietervereins. Doch dazu müsste auch Engagement in anderen Bezirken geweckt werden, nicht nur in Pankow. Doch
solange die Parteien Bürgermeister und Stadtbauräte nicht einbinden, gibt es auch keine einheitliche Stadtentwicklungsstrategie, erklärt einer Wild. Bis 2002 gab es die
Zweckentfremdungsverordnung, eine Klage kippte dann diese Verordnung, mit der Senats-Begründung eines „entspannten Wohnungsmarktes“. Seit 2007 kämpft der Mieterverein für eine neue
Verordnung. Doch da wird schon im Vorfeld gemauert; kein Geld für Personal diese umzusetzen und Zweckentfremdung großflächig aufzudecken. Ausgang ungewiss.
✒ Dieter Buchelt (Nov 2012)