Abenteuer auf Zeit

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Auf dem Moritzhof

In den grünen Oasen im Kiez beginnt die Freiluftsaison.
Zur „Elternecke“ weist ein farbiger Pfeil am Eingang des Aben­teu­erlichen Bauspielplatzes Kolle 37. Das Hinweisschild weist damit augenzwinkernd darauf hin, das der Platz den Kindern gehört. Ein weitläufiges Areal, gesäumt von Bäumen – mit freien Flächen, kleinen Nischen und eigenwilligen Bauten. Bunt und wild. Bestückt mit Holzskulpturen, Schubkarren, mit Brettern und Komposthaufen. Mit Gebäudedächern, auf die man klettern darf. Mit einem Lagerfeuer, das Wärme und würzigen Duft verbreitet.
Auf diesem urwüchsigen Areal, umzingelt von hochgeschossigen Wohnhäu­sern, spielen, bauen, töpfern die Kinder. Bleiben unter sich, ohne erwachsene Bevormundung.
Seit über 20 Jahren bietet der Kolle 37 einen Freiraum für kleine und große Abenteuer in und mit der Natur. Er ist der älteste der wilden Flächen im Häusermeer des Prenzlauer Bergs. Wie die Jugendfarm Moritzhof am Mauerpark betreibt ihn das Netzwerk Spiel/Kultur. Wie diese wurde er einst gegründet, um Großstadt-Kindern alternative, spielerische Freizeitangebote zu machen. In­zwischen gehören die beiden Plätze, gehört auch der Abenteuerspielplatz Ma­rie, zu den wenigen natürlichen Orten im Bezirk. Gern genutzt von den 6- bis 16jährigen aus dem unmittelbaren Um­feld oder aus weiter entfernten Kiezen.
Bald ist wieder Abenteuer-Zeit. Der Früh­ling lockt die Kinder zahlreicher in ihre grünen Oasen.
Auf der Jugendfarm Moritzhof ist indes das ganze Jahr über Saison. Die Tiere halten schließlich keinen Winterschlaf, brauchen Pflege, Futter, Beschäftigung. Die kalte Jahreszeit haben sie zum Beispiel mit Zirkuskunststückchen verbracht. Vor allem die beiden Ziegen Max und Flöckchen lieben das Balancieren. Jetzt gibt es auch für sie, ebenso wie für die Schweine und Schafe, wieder längere Spaziergänge durch den angrenzenden Mauerpark. Den reinigen die Kinder, Mitarbeiter und Anwohner rund um den Bauernhof freiwillig – mit einem großen Frühjahrsputz am 20. März.

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Altes Handwerk: Schmieden

Der Moritzhof bietet täglich rund 50 Kindern einen Ort, an dem sie die Tiere erleben, altes Handwerk kennenlernen oder im Garten werkeln. Die meisten Kinder kommen seit vielen Jahren regelmäßig hierher. Auch deshalb blickt der Pädagoge Stephan Metzner mit Sorge auf die baulichen Entwicklungen am Mauerpark. Die geplanten Wohnbauten rücken dem Bauernhof auf den Pelz und bedrängen das, was ohnehin immer weniger wird: Natürlicher Freiraum im Kiez. Orte, an denen Kinder die Kreisläufe der Natur erleben. Orte, an denen sie unter sich sind und Verantwortung für sich und andere übernehmen können. Frei­willig, ohne Leistungs- und ohne Zeit­druck.
Die Erfahrung, dass die Kinder in ihrem Alltag immer weniger Zeit zum Spielen und Ausprobieren haben, teilt Metzner mit seinen Kollegen vom Kolle 37 und dem Abenteuerspielplatz Marie. „Termin­kinder“ nennen die Pädagogen sie. Noch vor einigen Jahren kamen die Kinder nach der Schule spontan vorbei, um zu töpfern, zu schmieden, am Lagerfeuer Geschichten auszutauschen. Inzwischen wird auch der Besuch der Abenteuer-Oasen fest im Wochenplan verankert. „Die Kinder kommen mit dem Geigen­kasten und müssen nach einer Stunde weiter zum Musikunterricht“, beschreibt es Jörn Rohde von der Marie. Dabei ist auch das freiwillige, spielerische Erleben von Natur eine Form des Lernens, die Kinder brauchen. Für die sie auch Zeit brauchen.
Zeit zum Bauen nach eigener Lust und Fantasie haben die Kinder auf dem Kolle 37 wieder ab April. Dann startet einer der Höhepunkte der Saison: Der Hütten­bau. In diesem Jahr werden die Kinder eine einzige große Holzkonstruktion errichten. Ein Haus von allen für alle. „Wir wollen damit den Ge­meinschaftssinn stärken“, sagt Pädagoge Marcus Schmidt. Bis zum Herbst wird an diesem Hüttendorf aus Stämmen und Brettern gewerkelt, wird darin gespielt. Dann reißen Kinder und ihre Betreuer die Kons­trukte wieder ein, um Platz für das Folgejahr zu schaffen.
Der Hüttenbau ist gute, alte Tradition auf dem Kolle 37. Schon im Winter kommen Kin­der und fragen, wann es endlich wieder losgeht. Und auch das Klettern an der Kletter­wand, das Bogenschießen und Kartoffeln pflanzen können sie kaum erwarten.
Ob Hüttenbau oder Tierpflege, Schmieden oder Backen - die Kinder entscheiden selbst, was sie tun wollen. In wöchentlichen Versammlungen besprechen sie mit den erwachsenen Mitarbeitern Ideen und Probleme. Die Kinderpar­la­men­te gehören zum Konzept der Abenteuer-Oasen. „ToplantI“ – türkisch für Versammlung – heißen sie auf dem Moritzhof. Diese Basis gibt den Freiraum für täglich neue Ideen, dafür, dass die Kinder sich für ihre Plätze verantwortlich fühlen. Die sie kostenfrei nutzen können.

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Einer von Dreien in Prenzlberg: Abenteuerspielplatz Marie

Freiräume für spielerisches Lernen und Frei­räume für die Seele sind die Aben­teu­erspielplätze im Kiez. „Manchmal kommen die Kinder auch einfach nur, um die Kaninchen zu streicheln oder im Gespräch von ihren Sorgen zu erzählen“, berichtet Ester Schröder von der Marie.
Dafür müssen sich die Marie-Kinder in diesem Jahr andere Orte suchen. Der Abenteuerspielplatz wird geschlossen und umgebaut. Jahrelang geplant, erhält die Marie 2013 ein neues Gebäude, das alles beherbergen soll, was bisher fehlte: Einen großen Projektraum und ein angemessenes Büro, ausreichend Toiletten und Waschräume. Die Kanin­chenställe ziehen dann an einen Stand­ort, an dem sie auch jüngeren Kindern mit ihren Eltern zugänglich sind. Damit bleibt der eigentliche Abenteuer­spiel­platz denen vorbehalten, für die er ein Freiraum sein soll: Den 6-14jährigen Kindern. Monatlich sind das etwa 230 Mädchen und Jungen.
Nach dem Umbau wird der Platz ab dem kommenden Jahr ganzjährig nutzbar sein.   Knapp 430 000 Euro lassen sich Bezirk und Senat die Arbeiten kosten. Die weitere Ausgestaltung übernehmen die Kinder und ihre Eltern, etwa das Bemalen der Hausfassade oder den Auf­bau des Backofens.
Im Dezember will die Marie feierlich wieder eröffnen. Bis dahin haben Kolle 37 und Jugendfarm Moritzhof eine weitere wilde Saison hinter sich. Mit täglich neu­en Abenteuern und Höhepunkten, etwa den großen Festen: Dem Kolle-37-Platz­geburtstag am 8. Juni und dem Hof­fest in der Moritzfarm am 31. Au­gust.
Katharina Fial (März 2013)
Abenteuerlicher Bau­spielplatz Kolle 37
Kollwitzstr. 35, Mo.-Fr. 11.30-18 Uhr (ab April: 12-19 Uhr), Sa. 13-18 Uhr
Tel. 442 81 22, www.kolle37.de
Jugendfarm Moritzhof
Schwedter Str. 90, Mo.-Fr. 11.30-18.30 Uhr, Sa. 13-18 Uhr, Tel. 440 24 220, www.jugendfarm-moritzhof.de
Abenteuerspielplatz Marie
Marienburger Str. 42/46, März bis Dezember wegen Umbau geschlossen