AUF DEN GRENZEN DES STADTBEZIRKS (TEIL 48)

Grenzverschiebungen im Mauerpark

Wir bleiben auch in dieser Folge noch an der Ecke Bernauer / Schwedter Straße. Seit Mitte November gibts direkt dort am Mauerpark eine weitere, zweite, Einfassung in den Straßenbelag mit der Aufschrift „Berliner Mauer 1961 – 1988“. Ich denke, das muss etwas erklärt werden, gibts doch an dieser Stelle insgesamt zwei Grenzverschiebungen.

Wie in älteren Folgen beschrieben, befand sich anstatt des Mauerparks von 1872 – 1985 der Nordbahnhof (ab 1950 Güterbahnhof Eberswalder Straße). Auf ihm wurden z. B. 1977 Teile der NBC-TV-Serie „Holocaust“ gedreht. Der gesamte Bahnhof befand sich auf Weddinger Seite. Nach Potsdamer Abkommen behielt die Reichsbahn mit Sitz in Ostberlin die Betriebsrechte für den gesamten Eisenbahnverkehr (auch S-Bahn) in ganz Berlin. Damit gehörten sämtliche Gebäude (Bahnhöfe, Stellwerke usw.) zwar zu Ostberlin, der Boden aber, auf dem das Zeugs stand, komplett zu Westberlin. Ein Dieb z. B. der in einen Bahnhof flüchtete, konnte dort nicht mehr von der Westberliner Polizei festgenommen werden, denn für das Bahngelände war die Ostberliner Transportpolizei zuständig. Flüchtete ein Dieb vom Bahngelände auf die Straße, durfte ihn die Trapo nicht verfolgen. Lediglich alliierte MP konnte grenzenlos agieren. Der Güterbahnhof Eberswalder Straße lag auf Westberliner Gebiet, seine Anlagen gehörten aber zur Ostberliner Reichsbahn. Der Güterbahnhof war bereits seit der Blockade 1948 unrentabel und wurde deshalb 1985 geschlossen. Die Berliner Mauer war zu diesem Zeitpunkt an dieser Stelle gleichzeitig die Ostbegrenzungsmauer des Bahnhofs. Strategisch ungünstig, weil vom Westen aus zu sehen, standen die Grenzposten auf dem Anstieg zum Sportstadion hin. 

#Mauerpark #Grenze #PrenzlauerBerg
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Fotos: Zweimal kam es am heutigen Mauerpark zu Grenzverschiebungen. Entlang der Steinkante waren die fordere Berliner Mauer und die Begrenzungsmauer des Güterbahnhofs identisch. Entlang des kleinen Zaunes stand die Mauer ab 1988 und entlang der Flucht des Giebels dieser Häuser ist heute die Grenze zwischen Wedding links und Prenzlauer Berg rechts. 3 Fotos: rg

Mit der Schließung des Bahnhofs ergab sich die Möglichkeit, den Todesstreifen zu erweitern. Nach Verhandlungen der Bahn mit dem Magistrat, dem Senat und allen vier Alliierten kam es zu einer „Grenzbegradigung“, bei der eine Hälfte des Bahnhofs Ostberlin zugeschlagen wurde, das Gelände aber in Gänze weiterhin Reichsbahngelände blieb. Es war dies bereits die dritte dieser Vereinbarungen. Sie trat nach vierjährigen Verhandlungen am 1. Juli 1988 in Kraft. Westberlin erhielt dafür u. a. 14 unbewohnte Exklaven und das Lenné-Dreieck am Potsdamer Platz.

Zweimal kam es am heutigen Mauerpark zu Grenzverschiebungen.Entlang der Steinkante waren die fordere Berliner Mauer und die Begrenzungsmauer des Güterbahnhofs identisch. Entlang des kleinen Zaunes stand die Mauer ab 1988 und entlang der Flucht des Giebels dieser Häuser ist heute die Grenze zwischen Wedding links und Prenzlauer Berg rechts.

"Zum ersten Gebietsaustausch kam es in den 70er Jahren. Noch am 3. September 1971, dem Tag der Unterzeichnung des Viermächte-Abkommens, ermächtigte die Alliierte Kommandantur den Senat von Berlin entsprechende Verhandlungen mit der DDR-Regierung aufzunehmen. Diese Gespräche führten am 21.Dezember 1971 zur Unterzeichnung der Vereinbarung über die Regelung von Enklaven durch Gebietsaustausch, die am 3. Juni 1972 zusammen mit dem Viermächte-Abkommen in Kraft trat. Danach erhielt die DDR insgesamt 15,6 ha Fläche zugesprochen, zu Berlin (West) kamen Flächen von insgesamt 17,1 ha. Die bedeutendste Fläche war der 2,3 ha große Zugang nach Steinstücken, das damit ab 30. August 1972 eine direkte Straßenverbindung zum Bezirk Zehlendorf erhielt. Als Wertausgleich zahlte der Senat der DDR-Regierung 4 Mio. DM. In einer ergänzenden, zweiten Vereinbarung schlossen Senat und DDR-Regierung am 21. Juli 1972 ein 8,5 ha großes, zu Ost-Berlin gehörendes Gelände am ehemaligen Potsdamer Bahnhof in den am 21. Dezember 1971 vereinbarten Gebietsaustausch ein. Die DDR erhielt 31 Mio. DM für dieses Areal.

Der Zugang zu Steinstücken ist in diesem Zusammenhang interessant. Um dorthin zu gelangen, musste mit einer Brücke eine Bahnstrecke gequert werden. Der Deal war dann der, dass alles oberhalb der Straßenbrücke zu Westberlin gehörte, unterhalb zur DDR." (https://www.berlin.de/mauer/geschichte/gebietsaustausch/)

 

Ein drittes Mal wurde die Grenze zum Wedding mit der Erweiterung des Mauerparks verschoben. Weil man einsah, dass es ungünstig ist, wenn zwei unterschiedliche Berliner Bezirke sich die Verwaltung eines Parks teilen, wurde der westliche Teil des Areals am 31. März 2017 Teil des Bezirks Pankow.

Im Januar geht es mit der Eisenbahn im Grenzbereich weiter und mit der Nichtzerschlagung des Schnellbahnnetzes trotz Mauerbau.

Rolf Gänsrich, Dez. 2020