MAUERPARK

Die Nacht und der Tunnel

Sie ist einer der schönsten Bräuche – die Feier an der Schwelle zum 1. Mai, die Walpurgisnacht. In Prenzlauer Berg hat diese Nacht eine lange, bewegte Tradition. Im Mauerpark läuft die 15. Friedvolle Walpurgisnacht – und unter der Feier-Fläche schlummert geheimnisvolle Geschichte. Eine Betrachtung von oben und unten.

 

Die Initiative, die sich vor 15 Jahren der Walpurgisnacht in Prenzlauer Berg annahm, heißt – mit ein wenig Augenzwinkern wohlgemerkt – „Liebet Eure Feinde“. Der Name ist Programm. Den Organisatoren der Feier für Anwohner, Freunde und Kreative geht es um fröhliches, harmonisches Miteinander. Damit dies gelingt, hat sie mit den Freunden des Mauerparks und dem Bezirksamt gewichtige Partner im Bund der Walpurgisnacht-MacherInnen.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Musik, Friedensgebet, friedliches Feiern – das ist die alljährliche Walpurgisnacht im Mauerpark.

Jongleure und Feuerschlucker, Musik, Tanz und Trommeln gehören zum festen Bestandteil der Friedvollen Walpurgisnacht. Und natürlich das große Feuer, das eine wunderbare Atmosphäre gibt im Mauerpark, mit Blick auf den Fernsehturm. Das zentrale Feuer ist auch das einzige offiziell gestattete in dieser Park-Nacht. Drumherum versammeln sich die meist rund 1.000 Besucherinnen und Besucher.

 

Friedvoll rund ums Feuer

Verschiedene Künstlerinnen und Künstler sind auch 2018 wieder dabei, wenn die 15. Friedvolle Walpurgisnacht ab 16 Uhr startet. Es wird, so Alexander Puell von den Freundes des Mauerparks, „ein ausgelassener und friedlicher Tanz in den Mai, mit Seifenblasen, Friedensgebet, Lagerfeuer, Feuerartistik und Musik“. Mit dabei sind mehr als 15 verschiedene Bands, künstlerische Teams und Solisten, u.a. Reggae-Musiker, Folkmusiker und Liedermacher. Gestalter für Holz und Grafik laden zum Selbstmachen und -bauen ein. Seifenblasen-Macher laden zum Seifenblasen-Blasen. Und besonders aufregend wird es bei den nächtlichen Feuershows und -jonglagen.

Eine friedvolle, ausgelassene Walpurgisnacht im Mauerpark. Das war nicht immer so. Noch vor einigen Jahren gab es Krawalle im Umfeld der Nacht. Der Mauerpark war zu diesem Datum ein „beliebter Treffpunkt für junge Krieger aus ganz Deutschland, die gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Ordnung und ihren Hütern suchten“, nennt das Alexander Puell. Inzwischen gehören diese unschönen Krawalle der Vergangenheit an. 

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Ein großes zentrales Feuer ist auch zur Friedvollen Walpurgisnacht Symbol für den Start in die helle Jahreszeit.

Der Blick noch weiter zurück – in die 90er Jahre des Prenzlauer Berges – zeigt eine Walpurgisnacht, die als Kiezfest am Kollwitzplatz begann. Die Nachwende-Initiative von Anwohnern geriet Mitte der 90er Jahre mitten in die Auseinandersetzungen von 1.Mai- Krawallern und Polizei. Zehntausende Schaulustige pilgerten zuletzt zum Kollwitzplatz, eher in der Hoffnung auf Krach aus nächster Nähe als aus Lust am Feiern. Der Kiez war überfordert, die InhaberInnen der Geschäfte verbarrikadierten ihre Schaufenster und räumten die Waren weg. Auf Internet-Videos lassen sich Szenen der Kollwitz-Nächte noch heute erleben.

Geschichte. Jetzt konzentriert sich das Fest vor dem 1. Mai im Kern wieder auf den uralten, heidnischen und friedlichen Brauch. Den Tanz ums Feuer, mit dem die bösen Geister vertrieben werden, und der eine jahrhunderte- wenn nicht jahrtausendealte Tradition hat. Zunächst rein heidnischer Glaube, später dann vollzog sich die Feier zu Ehren der Heiligen Walpurga – einer Nonne aus dem 8. Jahrhundert, die Kranke heilen und tollwütige Hunde besänftigen konnte. Maßgeblich an der Geburt des friedlichen Mauerpark-Fests beteiligt ist der Prenzlauer Berger Seifenblasenkünstler Peter Pan, der die gewalttätigen Aufläufe in den 90er Jahren einst hautnah erlebte und ihnen eine friedliche Feier entgegensetzen wollte.

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Feuerjonglage, Seifenblasen, mit Holz bauen – die Friedvolle Walpurgisnacht hat Zauber für Menschen jeden Alters. Fotos (3): Alexander Puell

Deutsche Geschichte kommt zutage

Walpurgisnacht im Mauerpark – das ist doppelter Verweis auf die Historie. Auf heidnischen Brauch und auf den einstigen Grenzstreifen zwischen Ost- und West-Berlin, zwischen zwei deutschen Staaten. Und während oben die Menschen ausgelassen feiern, hat sich jüngst ein dunkles Geheimnis enträtselt. Während Bauarbeiten der Berliner Wasserbetriebe für einen unterirdischen Regenwasser-Speicher kamen Rudimente der Grenz-Geschichte plötzlich zutage. Eine der sensationellsten Entdeckungen: Ein Fluchttunnel. Der 1,40 Meter breite und 3,70 Meter lange Einstieg auf dem Boden einer früheren Lagerhalle des Nordbahnhofs sollte in ein 80 Meter entferntes Wohnhaus an der Oderberger Straße/Ecke Eberswalder Straße reichen. Fluchthelfer aus dem Westen hatten die unterirdische Röhre von März bis Juni 1963 angelegt. Des Nachts und per Hand hatten sie sich Zentimeter um Zentimeter durch das Erdreich gegraben. Umsonst. Flüchtlinge aus der DDR konnten diesen Weg in die Freiheit nie nutzen. Die Stasi entdeckte den Tunnel, kurz bevor er fertig war – und machte ihn unpassierbar.

 

Ein Stück mehr Museum

Neben diesem Fund direkt am Eingang des Mauerparks entdeckten die Bauarbeiter bzw. hinzugezogenen Archäologen noch mehr Zeugen der deutschen Zweistaaten-Geschichte. Sie stießen auf Teile eines unterirdischen Meldesystems der DDR-Grenztruppen. Freigelegt wurde zudem eine etwa 20 Tonnen schwere Betonplatte mit massiven Stahlträgern. Die Stahlträger ragten einst aus der Erde und sollten wie Panzersperren Grenzdurchbrüche in den Westteil verhindern. Historische Fotos belegen an dieser Stelle zwei Doppelreihen der Sperren, quer über die Bernauer Straße und entlang der Schwedter Straße. Alle Funde wurden vor den Bauarbeiten gesichert. Nach deren Ende 2019 soll rund um den Tunnelfund eine Art historisches Freilichtmuseum entstehen. Der Fluchttunnel etwa könnte als historisches Fenster sicht- und erlebbar gemacht werden.

-al-, Mai 2018

Mehr Informationen: www.mauerpark.info