Der andere Blick

Bewegungsfreiheit und Annehmlichkeit

Unsere Autorin hat Multiple Sklerose, benutzt in schwierigen Momenten den Rollstuhl und in besseren Zeiten Gehhilfen oder ihren Rollator. Einschränkungen führen zu einem speziellen Blick auf die Stadt, auf ihren Kiez, indem sich sich meistens bewegt. In diesem Jahr wird sie uns daran teilhaben lassen.

Komfortzone Bürgersteig, in Lock Down Zeiten mit viel Abstand.

Ein Distanzstreifen mit 0,20 cm zu angrenzenden Grundstücken war immer vorgesehen. Die Regelbreite Gehweg 2,50 Meter wird differenziert: Begegnungsfall 1,80 Meter, Sicherheitsraum 0,50 Meter und 0,20 Meter Abstandswert zu angrenzenden Gebäuden.

Klingt paradiesisch, der Gehweg.

Wenn es denn einer wäre. Zuerst kennzeichnet ihn das Schild Gehwegschäden. In meiner Wohngegend in der Nähe des Mühlenkiezes gibt es kaum eine Straße ohne Warnschilder, oft drei pro Straße, die auf Gehwegschäden hinweisen.

Und sonst? Der Fußgänger scheint manchmal die Minderheit zu sein. Fahrräder, Elektroräder, Skater, Kinderräder, Kinderwagen, Rollstühle, Rollatoren und viele Hundebeine. Auf einem Gehweg, vornehmer Bürgersteig, ist viel Traffic (Verkehr).

#PrenzlauerBerg
Die Aussage dieses Schildes ist vieldeutig. Einige übersehen es, für andere heißt es: Ende der Bewegungsfreiheit. Foto: ad

Deshalb gibt es auch einen Schadensmelder. Dort kann, wer immer sich berufen fühlt, Dinge die im öffentlichen Raum stören, melden. Das Ganze ist überwiegend ein Müllmelder.

Meine Wortsammlung Stadtraumthemen konnte ich erweitern. Agrokrähe. Lässt mich in Ruhe. Ego-Radfahrer, treffe ich täglich. Ekelparker, keine Bordsteinabsenkung ohne Auto.

Der schönste Wochentag ist der Sonntag. Am frühen Morgen ist hier kaum was los. Ruhe und Stille. Ungehindert kann ich mit dem Rollator den Straßenraum erobern, auf den meist recht gut reparierten Straßen und Radwegen langschieben, es ist wunderbar. Kein Gegenverkehr, die meisten Radfahrer schlafen noch. Ab und an kommt eine Krähe schauen, wer da übers Pflaster rumpelt, und erst wenn in der Ferne die Kirchturmglocken läuten, ist auf den Straßen wieder was los.

Astrid Duerkop, Jan. 2021