DIE BEZIRKSGRENZE (11)

Entlang der Gürtelstraße

Liebe Leser auch in dieser Ausgabe verfolgen wir die Grenzen des Prenzlauer Berg und schauen ein wenig über den Tellerrand hinaus.

 

Ab Gürtelstraße / Puccinistraße wird es, mal wieder, kurios mit der Stadtteilgrenze. Die Puccinistraße hieß bis 30.5.1951 Belfortstraße. Das Kuriosum besteht darin, dass nur diese Ecke mit der „Freien Waldorfschule“, Postadresse Gürtelstraße 16, zum Prenzlauer Berg gehört und von hier an somit auch deren andere Straßenseite. Nach Norden schließen sich die „Puccini Hofgärten“ an. Das ist eine durch ehemalige Betriebsmauern abgegrenzte Wohnsiedlung, sogenannte „Town Houses“, die auf dem Fabrikgelände und in den Gebäuden einer ehemaligen Gummiwarenfabrik eingerichtet wurde. Von 1875 bis 1994 produzierte man medizintechnische- und Krankenpflegeartikel (z. B. Kondome, Bettmatten).

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Die Mauern des Jüdischen Friedhofs bil- den die Grenze zum Prenzlauer Berg. Foto: rg

Im Süden grenzt an die Waldorfschule der „Jüdische Friedhof Weißensee“. Und um schon mal die Frage einiger Leser zu beantworten: ja, ich erarbeite gerade eine Führung über diesen Friedhof, aber vor Juni schaffe ich das nicht. Dieser Friedhof wurde bereits 1880 angelegt und ist mit ca. 116.000 Grabstellen der Größte seiner Art in Europa. Seit den 1970er Jahren steht er unter Denkmalschutz. Der Eingang ist über die Herbert-Baum-Straße. Männer müssen beim Betreten dieses Friedhofs eine Kippa, die man sich zur Not auch am Eingang ausleihen kann, oder zumindest irgendeine Kopfbedeckung, tragen.

Berühmtheiten wie Samuel Fischer (Gründer des Fischerverlags), Richard Friedländer (Stiefvater von Magda Goebbels), Stefan Heym (Schriftsteller und erster Alterspräsident des ersten frei gewählten gesamtdeutschen Bundestages nach der Deutschen Wiedervereinigung), Berthold Kempinski (Gründer der gleichnamigen Hotelkette), Rudolf Mosse (Zeitungsverleger), Martin Riesenhuber (Rabbiner, u. a. in der Synagoge Rykestraße), Alex und Doris Tucholsky (Eltern von Kurt Tucholsky, Schriftsteller), Herrmann Tietz (Kaufhauskette) sind hier beigesetzt.

Hinter der Schule bildet die Mauer des jüdischen Friedhofs die Grenze zum Prenzlauer Berg. Hinter der Kita „Raupe Nimmersatt“ endet die eigentliche Gürtelstraße in einem Wendehammer. Die ca. einhundertfünfzig Meter bis zur Kniprodestraße ist die Gürtelstraße nur noch ein Rad- und Fußweg. Die quer dazu stehenden Wohnblocks gehören entweder noch zur Gürtelstraße oder bereits zur Michelangelostraße. Eine direkte Straßenverbindung zwischen Gürtel- und Michelangelostraße / Kniprodestraße gibt es leider nicht. So eine Verbindung könnte indes für den Kraft- und Lieferverkehr die Wege erheblich abkürzen.

Im Unterholz zwischen dem Gürtelstraßenweg und der Jüdischen Friedhofsmauer wächst etwas, das wie Schneeglöckchen aussieht, aber erst später blüht. Eine Freundin meinte, es sei sogenanntes „Wunderkraut“.

Rolf Gänsrich, Mai 2017

www.rolfgaensrich.wordpress.com