DIE BEZIRKSGRENZE (30)

Kraftwerksanlagenbau

In dieser Folge unserer Serie entfernen wir uns von der Bartholomäuskirche nur wenige Meter.

 

Nach meinem Grundwehrdienst bei der NVA wollte ich 1988 etwas Neues ausprobieren und in einem schönen, geheizten Büro sitzen. Aus diesem Grund bewarb ich mich beim Kraftwerksanlagenbau Otto-Braun-, damals Hans-Beimler-Str. 90. Die Ablehnung auf meine Bewerbung dauerte lange und hatte in etwa folgenden Inhalt: „… blabla ... sie sind schon zu lange aus ihrem erlernten Beruf raus … blabla … in Absprache mit den entsprechenden höheren Stellen und mit ihrer Kaderabteilung wurde festgestellt … blabla … daß sie im Einzelhandel auf ihrer bisherigen Leitungsstelle besser eingesetzt sind. … blabla ...“   

Auf einer Website der Deutschen Bundesregierung steht: 

„Mit Wirkung vom 01. April 1969 waren die Betriebe VEB Kraftwerksbau Radebeul, VEB Kernkraftwerksbau Berlin, VEB Energieprojektierung Berlin und VEB Wissenschaftlich-Technische Zentrum (WTZ) Kraftwerksanlagenbau Pirna zu einem Betrieb zusammengeschlossen, welcher die Bezeichnung "VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau" erhielt. Mit Beschluss des ZK der SED vom 17. Mai 1978 und des Präsidiums des Ministerrates der DDR vom 29. Mai 1978 wurden in der DDR die Vereinigungen Volkseigener Betriebe aufgelöst und die Bildung von Kombinaten veranlasst, die nun direkt den für ihren Produktionsbereich zuständigen Ministern unterstellt wurden. Gemäß dieser Beschlüsse ordnete der Minister für Schwermaschinen- und Anlagenbau am 27. Juni 1978 an, die VVB Kraftwerksanlagenbau zum 31. Dezember 1978 aufzulösen und stattdessen ein neues "Kombinat Kraftwerksanlagenbau" mit Wirkung vom 01. Juli 1978 zu bilden.“

Kraftwerksanlagenbau Berlin Prenzlauer Berg
Die ehemalige Zentrale des Kraftwerksanlagenbau. Foto: rg

Die TAZ schrieb am 28. März 1990, also zu einer Zeit, als weder an Währungsunion noch an Deutsche Wiedervereinigung zu denken war:

„... Das Kombinat VEB Kraftwerksanlagenbau war bis zur Wende im November zuständig für die Planung und Projektierung sämtlicher Großkraftwerke in der DDR. Seit einigen Jahren hat sich das Stammwerk in Ost-Berlin ausschließlich mit der Errichtung der sowjetischen AKW-Zentralen in Greifswald und Stendal beschäftigt. In Ost-Berlin arbeiten etwa 1.200 MitarbeiterInnen in dem Kombinat. ...“ Im besagten Artikel ging es darum, dass „... Reaktorbauer von Siemens/KWU wollen sich die AKW-Planer vom VEB Kraftwerksanlagenbau einverleiben ...“ 

Eckhard Netzmann war der letzte Generaldirektor des VEB und der erste der AG. Er erhält 1987 als Sonderbevollmächtigter den Auftrag, das letzte Kernkraftwerk der DDR ans Netz zu nehmen, »Block V« in Greifswald.

„Neues Deutschland“ schrieb am 6. Oktober 1995: „Eine High-Tech-Firma im Osten von Berlin soll in diesem Monat noch (erneut) privatisiert werden: die K.A.B. AG, ein Anlagenbauer, der Kraftwerksbau, Umwelttechnik und Ingenieurleistungen in petto hat. Die heutige AG mit rund 600 Mitarbeitern ist der übriggebliebene Kern von einst 6000 Beschäftigten, der sich 1989/90 aus dem DDR-Kombinat Kraftwerksanlagenbau herausgeschält hatte.“

Was daraus nun geworden ist, weiß ich nicht. Interessanterweise gibt’s noch immer einen Fußballklub unter dem Namen „BSG Kraftwerksanlagenbau K.A.B.“

Heute befindet sich in dem Hochbunker ähnlichen, grauen Haus-Klotz das „Leonardo-Royal-Hotel.“ Ob die Hotelgäste wohl wissen, dass man in ihren Zimmern unter anderem einmal Kernkraftwerke projektiert hat?

Rolf Gänsrich, März 2019

www.rolfgänsrich.wordpress.com