Brauereien in Prenzlauer Berg (2/12)

Die Bötzow-Brauerei

Nachrichten Prenzlauer Berg Magazin
Ansicht der Bötzowbrauerei heute

Unsere Serie über die Geschichte der Brauereien im Gebiet des heutigen Prenzlauer Bergs setzen wir nach der Königstadtbrauerei (August 2014) nun mit der Bötzowbrauerei fort.

 

Während noch 1860 rund 340.000 hl Weißbier und 150.000 hl untergäriges Bier in Berlin gebraut wurden, kehrte sich das Verhältnis in nur 15 Jahren um. Obergärige Hefe benötigt höhere Temperaturen (15 – 20 °C) als untergärige Hefe (4 – 9 °C) und ist daher anfälliger für Verunreinigungen mit Fremdpilzen und Bakterien. Die Vergärung verläuft jedoch dafür wesentlich schneller und war schon möglich, als noch keine Kühltechniken existierten. Die mit obergäriger Hefe gebrauten Biere sind zum Beispiel Kölsch, Alt, Weißbier, Gose, Dampfbier, Berliner Weiße und Ale.


Das Geschlecht der Bötzows ist ein alteingesessenes aus der Mark Brandenburg. Das heutige Oranienburg geht auf eine steinzeitliche, slawische Siedlung zurück, die im Jahre 1232 als „Bochzowe“ das Stadtrecht erhielt und bis 1683 Bötzow hieß.
1650 schenkte der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm seiner Frau Louise Henriette von Oranien die Domäne Bötzow. Der alte Name Bötzow wurde 1694 dem nahe gelegenen bis dahin Cotzebant benannten Ort neu verliehen.
Die Berliner Großgrundbesitzer stammten aus diesem Geschlecht.
Die Julius-Bötzow-Brauerei wurde 1864 in der Alten Schönhauser Allee 23/24 im Berliner Scheunenviertel gegründet. Einige Jahre später wurde das Areal in der Prenzlauer Allee 242 – 247 gekauft und als erstes ein viertausend Quadratmeter großer Lagerkeller und ein Brauereiausschank für bis zu sechstausend Menschen errichtet. Hört sich viel an, hat aber, im Vergleich mit der ehemaligen Schultheiß- und heutigen Kulturbrauerei (rund 25.000 m²) nur ein Sechstel deren Fläche. Im Jahre 1884 wurden die Anlagen auf dem Windmühlenberg an der Saarbrücker Straße weiter ausgebaut und ab 1885 kam das Bötzow-Bier direkt von hier. Es war damals noch allgemein üblich, dass die Besitzer nah bei ihrer Firma wohnten und so wurde die Villa der Familie um 1900 herum auf dem Hügel fertiggestellt.

1891 war die evangelische Gemeinde der Bartholomäuskirche am Königstor so weit gewachsen, dass sie sich teilte. Julius Bötzow schenkte ihr das Grundstück, auf dem dann am 12. Juni 1892 die Grundsteinlegung für die Immanuelkirche stattfand.

Im Jahre 1906 wurde die mechanische Bottlerei (Lagerkeller – eigentlich auf Schiffen!) der Bötzow-Brauerei aus rotem Klinker in der Saarbrücker Straße gebaut. 1920 erfolgte eine Modernisierung der gesamten Brauerei auf automatische Maschinen. Die Brauerei war damit auf dem neuesten technischen Stand. Fehlende Grundstücks- und Kapitalreserven minderten aber dennoch ab 1918 die Konkurrenzfähigkeit der Firma, die schon mit Beginn des Ersten Weltkrieges in eine Offene Handels- und ab 1918 in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt worden war. 1927 wurde sie von der Familie in eine Aktienbrauerei verwandelt.
In den dreißiger Jahren galt sie als größte Privatbrauerei Berlins.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die Villa der Bötzows und einige Produktionsanlagen zerstört, nach der Kapitulation Berlins bis 1949 ein weiterer Teil der Anlagen demontiert, als Reparation in die Sowjetunion verbracht und das, was dann noch von der Brauerei übrig war enteignet und deren Betrieb eingestellt. Es gab nachweislich Bügelflaschen und Bierdeckel mit dem Bötzow-Brauereiaufdruck bis 1948. Das relativ unscheinbare und bescheidene Grab von Julius Bötzow befindet sich auf dem Georgen-Parochial-Friedhof in der Greifswalder Straße.
Nach der Auflösung der Brauerei wurde das Areal vom Vereinigung Volkseigener Betriebe Fischwirtschaft und als Spirituosen-Waschmittel-Großhandelslager der HO WtB Berlin genutzt. Seit 1990 steht das Gelände unter Denkmalschutz. Die Treuhandanstalt verkaufte es 1993 an die Unternehmensgruppe OMG/Kriegbaum, die veräußerten es 1995 an die Metro-AG, die 1998 die OMG selbst übernahmen und die auf dem Areal einen Großmarkt vorsahen. Im Jahr 2000 wurde das Gelände dann von der DIVACO und Ende 2010 vom Unternehmer Hans-Georg Näder, Chef der Otto Bock Firmengruppe, übernommen. Am 21. Mai 2014 stellte Näder den Masterplan 2019 für das Areal vor, den der englische Architekt David Chipperfield entworfen hat. Die Pläne Chipperfields orientieren sich an der früheren Struktur und Gestaltung des Brauereigeländes. Unter anderem soll es weiterhin große Freiflächen geben. Im neuen Biergarten sollen 1.500 Besucher Platz finden. An der Prenzlauer Allee werden drei Häuser neu gebaut. 
Seit etwa acht Wochen ist ein Backsteinbau in der Saarbrücker Straße eingerüstet und mit blauen Bauplanen überhängt. Am ehemaligen Haupteingang fristet ein trister Imbiss sein Dasein. Der Rest des Geländes ist durch Bauzäune großflächig abgesperrt und sieht nur verwahrlost und nicht nach „reger Bautätigkeit“ aus.
Was aus dem verwitterten und nicht mehr erkennbaren Liebknecht-Gedenkstein wird, der zwischen 1958 und 1959 an der Stelle der ehemaligen Villa aufgestellt wurde, ist unklar.
Rolf Gänsrich (Okt 2014)