PRATER

Hin und her im Garten

Der Prater und sein ältester Biergarten Berlins kommen nicht zur Ruhe. Seit über einem Jahr wehrt sich die Biergarten-Pächterin gegen Umbaupläne des Bezirks – zu Recht, wie zum wiederholten Mal ein Gericht feststellte. 

Der Pratergarten bleibt ein ambivalentes Thema. Während eine kleine Ausstellung im KulturWagen der Brotfabrik auf die Geschichte des traditionsreichen Ortes schaut, herrscht über den gegenwärtigen Pratergarten weiter Uneinigkeit. Zunächst der historische, harmonische Teil: Der Einblick in die Geschichte, den der KulturWagen noch in diesem Monat im Hof des Museums Pankow präsentiert. 190 Jahre Prater. 

Vor 190 Jahren begann mit dem Bau eines Lebensmittelladens die Geschichte des Berliner Praters. Schon bald kam zum Verkauf von Lebensmitteln der Ausschank von Bier und Kaffee im Gartenlokal dazu. Seitdem war der Prater außerdem Theater, Tanzlokal, Konzertgarten, Varieté, Kino, Kulturhaus, Galerie, Rummelplatz und Veranstaltungssaal. Er war ein Treffpunkt für die Nachbarschaft, ein Ort für Feiern und Feste, ein Forum politischer Diskussion und Agitation, eine Bühne für Schauspieler:innen, Artist:innen und Laienkünstler:innen und eine Projektionsfläche nostalgischer Erinnerungen. Die Ausstellung im KulturWagen der Brotfabrik stellt diese lange, lebendige und abwechslungsreiche Historie vor und zeigt schlaglichtartig, wie sich Gäste und Publikum in den vergangenen 190 Jahren im Prater verlustierten. 

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Der Prater vor dem Umbau: Doch der Streit dazu zieht sich vor Gericht hin. Foto: al

UMBAU OHNE PARTNERSCHAFT

Derweil liegt über den Lustbarkeiten im Pratergarten des Jahres 2021 der Schatten des Streits. Seit vier Jahren bereits hat der Bezirk als Eigentümer vor, das Gelände denkmalgerecht zu sanieren. Theatergebäude, Freilichtbühne, Biergarten sollen wieder wie in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erscheinen – als Kulturhaus und Begegnungsort. Dafür sollen auch Bäume gefällt werden, neue gepflanzt werden – und eben das Gelände des Biergartens ebenfalls einer Frischekur unterzogen werden. Was für die Betreiberin des Gartens, Dagmar Hillig, bedeutet: Ein Jahr Schließung ohne Umsatz, ohne jeglichen Ausgleich – und ohne in die Pläne des Vermieters einbezogen worden zu sein. 

Dagegen zog die Betreiberin vor Gericht – und erhielt vor kurzem zum zweiten Mal Recht. Der Bezirk wollte sie vor dem Landgericht durch ein Urteil zur Duldung der Baumaßnahmen verpflichten. Diese sollten eigentlich bereits in der gerade zu Ende gehenden Freiluft-Saison laufen. Das Gericht gab jedoch Dagmar Hillig vollumfänglich Recht und „kritisierte das Vorgehen des Bezirks als Vermieter in schärfsten Worten“, so vermeldet jüngst der Berliner Tagesspiegel. Das Bezirksamt hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

BEIDERSEITIGE RECHTE UND PFLICHTEN

Dagmar Hillig geht es nicht um komplette Abwehr des Umbaus – sie möchte ihren Biergarten nicht ein Jahr lang schließen müssen – was letzlich auch eine existenzielle Frage ist. In der Auseinandersetzung zeigt sie sich gesprächsbereit und erneuerte den Wunsch einer gemeinsamen Lösung auch nach dem jüngsten Gerichtsbeschluss. Schließlich habe nicht nur sie als Mieterin Rechte und Pflichten, auch der Vermieter sei vertraglich gebunden und verpflichtet. Ihr Vorschlag: Die durch die Baumaßnahmen entstehenden Nachteile auszugleichen und über eine Kompensation zu reden. Dies könne zum Beispiel eine Verlängerung des bis 2030 bestehenden Mietvertrages sein. Doch das Bezirksamt bleibt derweilen bei seiner Position, die Arbeiten wie geplant durchführen zu wollen.

-red-, Okt. 2021