AUF DEN GRENZEN DES STADTBEZIRKS (TEIL 53)

Grenzübergang Bornholmer Straße

Der Prenzlauer Berg hat nicht nur ein Welterbe, die einzige Straße Berlins, in der komplett Magnolien als Straßenbäume stehen, das einzige Gleislager der BVG-Straßenbahn und das erste Berliner Wasserleitungsnetz, sondern mit der einstigen, in der Überschrift genannten „GÜSt“ (so die korrekte Schreibweise für „Grenz-Übergangs-Stelle“) auch historischen Boden in Bezug auf die Deutsche Einheit.

 

Der Grenzübergang Bornholmer Straße nahm das gesamte Gelände zwischen Finnländischer-, Malmöer-, Bornholmer Straße und Bahn ein. Fußgänger betraten ihn von Osten her durch ein Gittertor in der Malmöer Straße, für Pkw gab es gestaffelt angelegte Schlagbäume in beide Richtungen.

Es standen mehrere Abfertigungshallen (Reste davon findet man auf einem Hof in der Marienburger Str.) und Baracken. Die nördliche Hinterlandmauer zwischen Björnsonstraße und Brücke blieb erhalten. Die Gedenkstätte ist dort eingerichtet, während auf dem eigentlichen Kontrollgelände heute Wohnhäuser und ein ,Discountmarkt mit Parkplatz stehen.

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Im Gewerbekomplex Marienburg, in der Marienburger Straße 16, findet man Reste der GüSt. Bronholmer Straße. Foto: rg

Neben diesem gab es die Übergänge Friedrichstraße (nur für Bahnreisende), Oberbaumbrücke (nur für Fußgänger), Invalidenstraße, Chausseestraße, Sonnenallee (alle drei für Fußgänger und Pkw), Heinrich-Heine-Straße (nicht für Berliner). Für Flugreisende von und nach Westberlin, die von Schönefeld abflogen, gab es in Rudow einen eigenen Übergang. Der legendäre Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße durfte genauso nur von den alliierten Besatzungsmächten genutzt werden wie die für ihre Agentenaustausche berühmte Glienicker Brücke. Lichtenrade / Mahlow war nur für Müllwagen der BSR zur Deponie Schöneiche, Dreilinden war ausschließlich für Transitreisende nach Helmstedt und Marienborn (heute A 2 und A 9). Bis zur Fertigstellung der Transitautobahn nach Hamburg 1982, über den Berliner Ring in Stolpe / Heiligensee wurde die Fernstraße 5 (heute B 5) ab Heerstraße benutzt. Der Bahntransit nach Hof erfolgte über Dreilinden. Wobei hier ab 1972 die Zufahrtstraße zur ehemaligen Exklave Steinstücken unterquert wurde. Der Transitverkehr auf der Hamburger Bahn wurde nach einem Grenzdurchbruch mit einem Personenzug von Albrechtshof nach Spandau am 5. Dezember 1961 über Staaken, Wustermark und Bredow umgeleitet und erreichte erst kurz vor Nauen seine ursprüngliche Strecke. Die Gleisanlagen über Bredow wurden bereits in den frühen 1990er-Jahren aus Rentabilitätsgründen komplett demontiert. Dazu kamen noch mehrere Grenzübergänge auf den Wasserstraßen.

Weltweite Berühmtheit erlangte die GÜSt Bornholmer Straße, weil sie der erste war, die am 9. November 1989, tja, fast versehentlich geöffnet wurde. Eine zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht beschlossene, handschriftliche Notiz wurde von ZK-Mitglied Günter Schabowski bei einer Pressekonferenz falsch formuliert und wie es dann weiterging, ist hinlänglich bekannt.

Auch ich pilgerte mit meinem Fahrrad mitten in der Nacht zum Grenzübergang Bornholmer Straße „um ma zu kieken“. Erst zehn Tage später benutzte ich, zusammen mit meinem Vater, diesen Übergang. Einen Schulkumpel, der im April 1990 Vater geworden war, lud ich aus diesem Anlass „auf ein Bier“ in den Wedding ein. Den Grenzübergang gab es noch, zwei Währungen in der Stadt auch. Aus dem „einen Bier“ wurde ein friedliches Besäufnis, weil wir laufend eingeladen wurden.

Der TV-Film „Bornholmer Straße“ von 2014 zeigt, meiner Ansicht nach, sehr gut und auf witzige Art die Absurdität dieses Grenzübergangs und die Ereignisse in dieser Nacht. Jedoch wurde der „Streifen“ mit viel Green-Screen-Technik eine Ecke weiter, an der Swinemünder (Millionen-) Brücke gedreht.

Wie es zum „Versprecher“ von Schabowski kam, zeigt ein Fernsehspiel der ARD von 1990, also zeitlich noch sehr nah dran.

Rolf Gänsrich, Mai 2021