SCHAUBUDEN-FESTIVAL

Von der verlorenen Zeit

Beim Internationalen Festival des zeitgenössischen Figuren- und Objekttheaters dreht sich alles um das Erinnern. Objekte, Dinge, Artefakte des Alltags gewinnen im Spiel der 16 Ensembles die verlorene Zeit zurück – zumindest für die Momente auf der Bühne. Das Festival läuft vom 9. bis 15. November in der Schaubude.

 

Zeitzeugen der Vergangenheit: Hinterlassenschaften, Fundstücke, Gegenstände aus Sammlungen und Archiven erzählen von der verlorenen Zeit beim internationalen Festival „Theater der Dinge 2018“, das die Schaubude Berlin vom 9. bis 15. November ausrichtet. In 16 Produktionen beleuchten KünstlerInnen aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden, dem Iran, aus Israel, Katalonien, Mexiko, Polen, Russland, der Schweiz, Spanien, Tschechien und Deutschland die Mechanismen des Erinnerns. Dabei hinterfragen sie, wie geschichtliche Narrative konstruiert und für Identitätspolitiken eingesetzt werden, und erzählen außergewöhnliche Geschichten, die ohne die materiellen Artefakte vielleicht verloren gegangen oder in Vergessenheit geraten wären.

Für das Festivalprojekt „Tagebuch zwischen den Zeilen“ etwa hat die spanische Agentur der Objektdetektive „El Solar“ zehn Wochen in Berlin Interviews geführt, Flohmärkte durchstöbert, Objekte und Geschichten gesammelt. Die Historie der Stadt aus Sicht der Dinge erzählen sie in Wohnzimmeratmosphäre im Weinsalon in der Schreinerstraße – einem von drei Festivalorten des „Theaters der Dinge“, neben der Schaubude selbst und dem Podewil.

Schaubude Berlin Prenzlauer Berg
Was ist Zeit, was Erinnern? 16 Ensembles umkreisen das Thema zum Festival „Theater der Dinge“ in der Schaubude. Foto: Anton Ivanov

Ebenfalls vom Flohmarkt stammt das Fotoalbum, das La Bande Passante gefunden hat: In „PapierLeben“ nehmen sie das Publikum mit zu einem Road Movie, in dessen Verlauf die abgebildete Unbekannte immer vertrauter wird. Von literarischen Vorlagen hingegen gehen das russische Theater Karlsson Haus sowie die junge Schweizer Gruppe Infinite Cooperation aus: Einmal ist es Hans Christian Andersens Märchen vom hässlichen Entlein, das zur Biographie eines Heranwachsenden wird, einmal wird auf Basis von Swetlana Alexijewitschs Reportage die Tschernobyl-Katastrophe beleuchtet.

Weitere Schlaglichter des Festivals: Die deutsch-israelische Produktion „Staub“ sucht nach dem heutigen Bezug zum Holocaust, das Ensemble Materialtheater rettet „Don Quijote“ und Atelier Bildraum aus Belgien friert mit Miniaturmodellen atmosphärisch die Zeit ein.

Zum „Theater-der-Dinge“-Programm gehört auch ein Festivalfrühstück am Sonntag, dem 11. November ab 10.30 Uhr. Die KünstlerInnen treffen sich zum Austausch mit dem Publikum. Einen Impuls zum Gespräch gibt das Team der diesjährigen Forschungsresidenz der Schaubude. Alina Weber und Sven Björn Popp von virtuellestheater berlin und Kathia von Roth und Torben Spieker von der Spieleberatung Hamburg beschäftigten sich im vergangenen Sommer mit den Metamorphosen von „Pepe, dem Frosch“ sowie der Performativität von Gedanken und Bewusstseinsinhalten.

Zum Rahmenprogramm gehört weiterhin die begleitende Ausstellung „Odyssee Berlin“ von Tim Roelofs in den Fenstern der Schaubude. Die einzigartigen, opulenten Collagen von Roelofs visualisieren seine originäre Sicht auf Berlin. Diese ist mit seiner Biografie und seiner Zeit im ehemaligen Kunsthauses Tacheles verbunden, und mit seinem derzeitigen Schaffen in der Kulturbotschaft Lichtenberg. Die Werke zeigen Berlin im Wandel der Zeit: ehrlich, humorvoll und immer mit der nötigen Portion Gesellschaftskritik. Mit Themen wie Wohnungsnot, Gentrifizierung und Antifaschismus vermittelt er ein Gefühl des typischen Berliner Zeitgeistes. 

-red-, Nov. 2018

Festival „Theater der Dinge“, vom 9. bis 15. November

in der Schaubude Berlin, www.schaubude.berlin