FAHRRADFREUNDLICHES PANKOW

Das Verkehrs-Chaos und seine Risiken

Sichere Fahrradstadt Berlin – die Initiative Volksentscheid Fahrrad setzt sich seit vielen Monaten für ein entsprechendes Radgesetz ein. Jetzt nimmt die Gruppe Fahrradfreundliches Pankow die riskanten Orte ins Visier. Die Vision eines Verkehrssystems für alle – und die Realität im Sommer 2017.

Die Straße ist breit genug. Breit genug für einen Fahrradweg, der ein sicheres Radfahren ermöglicht. Mit der Forderung, eine sichere Fahrrad-Verbindung binnen drei Monaten einzurichten, demonstrierte die Initiative Fahrradfreundliches Pankow im Juli an der Kreuzung Danziger Straße/Greifswalder Straße. Hunderte Radfahrer demonstrierten mit ihr. Die Aktivisten legten einen roten Teppich mit 2,50 Meter Breite an den Fahrbahnrand – Symbol und Einladung, hier endlich einen Fahrradweg einzurichten, mit baulicher Abgrenzung zur Fahrbahn für die Autos. Die seit längerer Zeit geplante Demonstration wurde von der tragischen Realität überholt. Wenige Tage zuvor starb hier eine 31jährige Radfahrerin. Sie war von einem Lkw beim Abbiegen erfasst worden. Die dritte Fahrrad-Tote in Berlin in diesem Jahr.

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Für Radwege beidseits der Danziger Straße demonstrierten Hunderte Radfahrer im Juli.

Seit fünf Jahren will der Bezirk einen Radweg auf der Danziger Straße ausweisen. Die Straße ist eine der Hauptverkehrsstraßen. Und für diese sieht der Entwurf des Berliner Radgesetzes allesamt Radwege vor, und zwar bis 2025 – einschließlich sicherer Nebenstraßen. Die Initiative Volksentscheid Fahrrad hatte den Entwurf vor einem Jahr mittels 90.000 Unterschriften in die Debatte gebracht. Seitdem verhandeln die Aktiven mit der Senatsverwaltung über ein erstes deutsches Radgesetz. 

Kaum Bewegung für mehr Sicherheit

Und die Danziger Straße? Frühestens ab 2018 sei an eine Radweg-Markierung zwischen Prenzlauer Allee und Bötzowstraße zu denken, antwortete der zuständige Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn jüngst auf eine Anfrage. Auch der weitere Umbau des Großbezirks Pankow zum Fahrrad-Bezirk beginne erst  2018/2019. Die Danziger Straße ist dabei die einzige Baustelle in Prenzlauer Berg. Irgendwo im Prüf- und Behörden-Wirrwarr steckt auch das schöne Vorhaben, aus der Stargarder und der Gleimstraße Fahrradstraßen ähnlich der Choriner Straße zu machen. Als Teil einer Ost-West-Verbindung durch den Bezirk, ein Vorschlag der Grünen Fraktion im Bezirksparlament.

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Mahnwache an der Kreuzung Danziger/Greifswalder Straße. Eine 31jährige Radfahrerin kam hier Ende Juni ums Leben.

Sicherheit. Der größte Wunsch der wachsenden Schar von Radfahrern. In Prenzlauer Berg hat das Wachstum den Anspruch der „Fahrradstadt Berlin“ längst überholt. 20 Prozent beträgt  der Anteil von Prenzlauer Berger Radfahrern am Gesamtverkehr. Jeder Fünfte bewegt sich mit dem Rad statt mit Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Auf 20 Prozent soll laut Radgesetz-Entwurf der Anteil in ganz Berlin steigen. Und die Infrastruktur? Trödelt hinterher.

Der Alltag: Riskanter Fahrrad-Stau

Rushhour auf der Greifswalder Straße, Richtung Mitte. Auch in den Sommerferien fahren die Menschen hier zwei-, teilweise dreispurig per Rad zur Arbeit. Vor Ampeln halten sie zu viert oder fünft nebeneinander, auch auf den Gehwegen. Dennoch kommen nicht alle in der ersten Grün-Phase mit über die Kreuzung. Der alltägliche Fahrrad-Stau auf den Hauptverkehrsadern Greifswalder Straße, Prenzlauer Allee und Schönhauser Allee, sämtlichst mit Radwegen ausgestattet, hat es in sich. Wer langsamer oder unentschlossener fährt, wird überholt oder in der Dichte des Verkehrs angerempelt. Eltern mit kleinen Kindern weichen ohnehin auf die Bürgersteige aus. Diese müssen sie sich dann mit Fußgängern teilen.

Es scheint, als fehle auch für das Benutzen vorhandener Radwege ein Verkehrsregel-System.  Tempo und Aggression – unter Radfahrern und zwischen Rad- und Autofahrern - gehören zur Tagesordnung. Vor wenigen Tagen erst hat sich eine Frauen-Initiative unter den Berliner Radfahrenden gegründet. Sie will auf die zunehmende Aggressivität und den alltäglichen Sexismus der Autofahrer gegenüber Radfahrerinnen aufmerksam machen.

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Mit #radfreude können Radfahrer riskante Orte und Situationen dokumentieren. Fotos (3): Volksentscheid Fahrrad

Verkehrs-Chaos also, in vielen Bereichen. Das Berliner Radgesetz, das ein stabiles Radwegenetz schaffen könnte, kommt nicht vom Fleck. Im letzten Dialog vor der Sommerpause haben Fahrrad-Aktivisten und Abgeordnete zumindest einen Zeitplan festgelegt, damit der Entwurf noch in diesem Jahr vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden kann. Erste Maßnahmen, die den Radverkehr sicherer machen, könnten dann 2018 starten.

Gemeinsame Rad-Aktionen

Es ist ja nicht so, dass nichts passiert. Die jüngste Sanierung der Pappelallee schloss auch sichere Radstreifen mit ein. Mehr und mehr werden Fahrradständer und -plätze geschaffen. Doch es passiert eben nicht genug. Die Berliner Aktiven machen deswegen weiter Druck. „#radfreude aufdecken“ heißt die neueste Aktion des Volksentscheids Fahrrad. Per twitter können Fotos der gefährlichsten Orte für Radfahrer eingesandt werden. Diese werden auf einer Deutschlandkarte veröffentlicht. Bundesverkehrsminister Dobrindt soll die Risiko-Karte für Radfahrer ausgehändigt bekommen.

Und auch die Pankower Initiative Fahrradfreundliches Fahrrad bleibt aktiv: Jeden 2. Samstag im Monat lädt sie zum gemeinsamen Radeln durch den Bezirk, Start vor dem Cafe „Balzac“ in der Schönhauser Allee. Regelmäßige Treffs gibt es im M29 in der Malmöer Straße. Das nächste Meeting ist dort am 14. September, ab 20 Uhr.

-al-, August 2017

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