DUNKLES STADTTEIL-KAPITEL

Rehabilitation für Immanuel-Pfarrer

Eine späte Wiedergutmachung und ein Präzedenzfall für Deutschland: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg hat in einem Gedenkgottesdienst den Immanuelkirch-Pfarrer Friedrich Klein rehabilitiert. Er war in der Nazi-Zeit wegen seiner Homosexualität aus dem Kirchendienst entlassen worden.

Es ist ein wichtiger Durchbruch für das Recht in der Evangelischen Kirche, so freut sich der Gemeindekirchenrat der Immanuelkirche. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wurde ein von der NS-Justiz wegen des sogenannten Homosexuellen-Paragraphen 175 abgeurteilter und anschließend aus dem Kirchendienst entlassener Pfarrer von der Evangelischen Kirche rehabilitiert. Der Gemeindekirchenrat hatte seit Bekanntwerden der Vorgänge 2018 von der Landeskirche „die Aufarbeitung der Causa Friedrich Klein und die Rehabilitierung des unrechtmäßig Verurteilten“ gefordert. Mit einer öffentlichen Gedenkveranstaltung und Rehabilitation von Friedrich Klein Anfang September hat sie nun einen Präzedenzfall für die Evangelische Kirche geschaffen.

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Seltener Einblick in die Immanuelkirche. Die Gemeinde setzt sich mit ihrer Nazi-Vergangenheit auseinander. Foto: Uta Motschmann

Friedrich Heinrich Klein war seit 1935 Pfarrer an der Immanuelkirche, 1938 hielt er einen Gottesdienst für den oppositionellen und verhafteten Pfarrer Johannes Schwartzkopff ab. Spätestens seit dem stand er im Visier der Nazis, die Justiz ermittelte gegen ihn. Der 1905 geborene Klein wurde zum Dienst in die Wehrmacht eingezogen. Bei einem Heimataufenthalt in Berlin nahmen dann Nazi-Schergen Klein im Dezember 1941 wegen des Verdachts der „widernatürlichen Unzucht“ mit dem damals 19jährigen Unteroffizier Karl-Heinz Scheuermann fest. Ein Jahr später verurteilte ihn das Reichskriegsgericht auf Grundlage des berüchtigten Paragraphen 175 zu drei Jahren Gefängnis. Denn Adolf Hitler hatte gegen die angebliche „Pest der Homosexualität“ gegeifert und „rücksichtslose Strenge“ gefordert. 

Kurz nach dem Urteil entließ das Konsistorium der Mark Brandenburg Friedrich Klein aus dem Kirchendienst, unter Verlust seiner geistlichen Rechte und Bezüge. Die Kirchenleitung teilte ihm lapidar mit: „Sie haben damit den Anspruch auf sämtliche Dienstbezüge und auf Versorgung, sowie die Befugnis, die Amtsbezeichnung zu führen, und die Rechte des geistlichen Standes verloren.“ Heute ist Kleins Personalakte als einzige allerPfarrer an der Immanuelkirche im Evangelischen Landeskirchlichen Archiv nicht mehr auffindbar. 

Der Verurteilte kam ins Gefängnis Torgau. Im Juli 1944, nach knapp zwei Jahren Gefängnisaufenthalt, wurde ihm die Möglichkeit der „Bewährung im Fronteinsatz“ angeboten und er wurde einem Bewährungsbataillon zugeteilt. Er musste erneut in den Krieg ziehen, offenbar kam er an die vorderste, gefährliche Ostfront. Sein weiteres Schicksal ist ungeklärt. Klein wurde erst in den Siebziger Jahren für tot erklärt, mit Todesdatum 31. Dezember 1945. Der Berliner Historiker Günter Grau hat indes herausgefunden, dass Klein schon wenige Tage nach seiner Verlegung an die Front unter nicht näher bekannten Umständen umgekommen ist.

„Die Evangelische Kirche ist dringend aufgefordert, Forschungsarbeit zu den in der Nazi-Zeit entlassenen Pfarrerinnen und Pfarrern zu leisten und alle Betroffenen umgehend zu rehabilitieren“, sagt Uta Motschmann, Vorsitzende des Gemeinderats der Immanuelkirche. Es sei gerade angesichts der aktuell wieder aufkommenden homophoben und rassistischen Ressentiments dringend erforderlich, dass „unsere Kirche ein unmissverständliches und klares Zeichen setzt“. Die Anerkennung des Unrechts an Pfarrer Klein soll dazu nun den Auftakt bilden.

-red-, Sept. 2020