PLÄTZE DER ERINNERUNG (IV)

Wasserturmplatz wird der Königsplatz?

„Orte der Erinnerung“ hieß in dieser Zeitung, Mitte der 90er-Jahre, eine Artikelserie über historische Friedhöfe in Prenzlauer Berg. Der Autor Thomas Kuhr knüpft daran an: „Plätze der Erinnerung“ beschreibt Orte, die sich im Laufe der Zeit von ihrer ursprünglichen Planung entfernt haben und neu gedacht wurden. 

In der Juli-Ausgabe dieser Zeitung wurde der Mittelpunkt vom Ortsteil Prenzlauer Berg gesucht. Eigentlich ganz einfach: dort befindet sich eine moderne Wohnanlage mit einem Park. Ganz im Gegensatz zu dem eventuell „wichtigsten Platz“ im gesamten Bezirk. Dieser Stadtplatz ist im Planquadrat Abt. XII der Blockstruktur vom Hobrecht-Bebauungs- und Stadtplätzeplan von 1862 mit dem Buchstaben A bezeichnet. Seine heutige Bezeichnung als Wasserturmplatz ist offiziell nicht bestätigt. Vor dem Wasserturmareal waren dort Getreide-, Gemüse- und Weinanbau (Feldflur/ehemaliger Acker von Familie Bötzow) sowie Standort von drei Windmühlen (Wein- oder Mühlenberge, siehe Kartenausschnitt von 1840, nördlich vom „Prenzlauer Tor“).

In der Nähe befindet sich, östlich des ehemaligen Prenzlauer Tores von der alten Berliner Stadt-/Zollmauer (Akzisemauer), das Königstor zur Königsstadt (auch Königsvorstadt, oder zum Königsviertel genannt; vormals Oderberger Tor und Georgentor, siehe Georgenvorstadt, Georgenkirche, Georgenkirchplatz, Georgenkirchstraße, Georgenhospital, Georgenfriedhof/Friedhof der St. Georgengemeinde). Somit wird das Wins- und Bötzowviertel eigentlich als ehemalige Königsstadt bezeichnet. Der Wasserturmplatz liegt bereits im Gebiet der Rosenthaler Vorstadt. Ebenso der Gewerbehof der ehemaligen „Königsstadtbrauerei“ und das „Jugendhaus Königstadt“ in der Saarbrücker Straße. Sowie die „Königstadt-Terrassen“ an der Schönhauser Allee. Dadurch könnte der Wasserturmplatz offiziell doch nicht als Königsplatz benannt werden? Im Randbereich leicht angehoben. Mit einem erhöhten Plateau in der Mitte, welches erklommen werden muss. Historisch gelegen wie ein Königsstuhl. Überwiegend umgeben von sanierten typischen Gründerzeitwohnhäusern in der Belforter-, Knaack-, Kolmarer- und Diedenhoferstraße. 

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Wein- oder Mühlenberge, Kartenausschnitt 1840, Thomas Kuhr

Inmitten dieses Areals wurde, von 1852 bis 1856, mit Beauftragung der „Waterworks-Company“ aus London, ein überirdischer Wasserbehälter in kreisrunder Beckenform, mit 3.000 Kubikmeter Fassungsinhalt, und zwei Tiefwasserbehälter (ein dritter mit 7.000 Kubikmeter Inhalt erst 1888) errichtet. Ergänzt wurde die Anlage mit einem Steigrohrturm. Nur bis in die zweiten Stockwerke der umliegenden Häuser konnte Wasser fließen. Der überirdische Wasserbehälter wurde 1888 verschlossen und mit einem Schmuckplatz bepflanzt. Am 01.12.1873 wurde das Gelände in den Besitz der Stadtgemeinde Berlin übergeben (ab 1930 an den Bezirk). Ab 1875/77 erfolgten, nach Entwürfen vom Direktor der Wasserwerke Henry Gill, umfassende Erweiterungen durch den Bau des ersten Wasserturms in Berlin (mit ehemals gelben Klinkern; „Dicker Hermann“ genannt). Mit Hochbehälter, damit alle Etagen der umliegenden Häuser ohne Pumpen mit Wasser versorgt werden konnten. Lediglich zum Befüllen des Hochbehälters wurden Pumpen benötigt. Unter dem Hochbehälter liegen begehrte Wohnungen. Ehemals für Angestellte des Wasserwerks. 1898 und 1907 gab es bauliche Erweiterungen und Modernisierungen der Anlage. Obwohl bereits 1911 und 1915 Stilllegungen erfolgten. Bis 1952 diente der Turm nur als DruckanzeigerAusgleichsbehälter. 1936/37 sowie 1985 erfolgten Umgestaltungen des Areals u.a. nach Plänen von Paul Mittelstädt. Die Hangbefestigungen und Wege, mit mehreren Spielplätzen und Bolzplatz, wurden optimiert. M. E. spiegelt dieser Stadtplatz, nebst umliegender Bebauung, einen großen Teil der Geschichte vom Ortsteil Prenzlauer Berg wieder. Denn Hopfen, Weintrauben, Windmühlenflügel und (Wasser-)Turmzinnen waren im Wappen, vom ehemals eigenständigen Bezirk Prenzlauer Berg, abgebildet. Der Wasserturm gilt weiterhin als das Wahrzeichen vom Prenzlauer Berg. Die Tiefwasserbehälter wurde in den neunziger Jahren oft als Veranstaltungsort für Kunst und Kultur genutzt. Schade, das dort an Wochenenden keine Techno-, House-, Dance- und Ambient-Clubmusic möglich ist. Und das darüber liegende Plateau, jeden Sonntag im Sommer, als Brunch- oder Grillplatz? Mit Personal, welches in historischen (preußisch-königlichen) Kostümen serviert? Am Wasserturm, neben dem Kindergartengebäude, befindet sich ein rechteckiges und sehr modernes Wasserbassin. Und ein Sockel mit einer Plastik von einem liegenden Löwen nebst zwei sitzenden Löwenwelpen. Nochmals ein Symbol/Hinweis, dass hier der Königsplatz sein soll! Schön wär´s, wenn die Wege und Straßen um den Platz irgendwann saniert bzw. umgestaltet werden.

Thomas Kuhr (Text und Foto), Aug. 2016