DUNKELRESTAURANT
Kunst und Genuss für vier Sinne
Theater, Musikbühne und gastronomische Einrichtung ist das „Nocti Vagus“ schon seit nahezu 15 Jahren. Jetzt wird Berlins erstes Dunkelrestaurant auch eine Galerie. In wechselnden Ausstellungen werden Bilder gezeigt, die Menschen mit Handicap geschaffen haben. Einblicke in eine einzigartige Institution.
Kunst als Weg zu sich selbst – so titeln die Veranstalter des „Nocti Vagus“ ihre Ausstellung, die von Menschen mit seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen gestaltet wurde. Sie arbeiten in den „Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung GmbH“ (BWB). In der Ausstellung zeigen sie einfühlsame Arbeiten und Sichtweisen in verschiedenen Techniken und Materialien, angelehnt an den frühen Bauhaus-Stil.
Die „Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung“ sind die älteste Einrichtung in Berlin, die Menschen mit Behinderungen eine ihnen entsprechende berufliche Perspektive bietet. Über 1.550 Arbeitsplätze geben behinderten Menschen die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Seit über 40 Jahren und mit sieben Standorten sind die Werkstätten in Berlin präsent.
Kunst in Dunkelheit
Mit der neuen Kunstausstellung erweitert das „Nocti Vagus“ sein Profil. Das erste Dunkelrestaurant Berlins in der Saarbrücker Straße ist neben einem Restaurant in völliger Dunkelheit auch Bühne für Musik, Theater, Lesungen und andere Events. Wie in einer erlebnisreichen Nacht, so die sinngemäße Übersetzung des Lateinischen Wortpaars „Nocti Vagus“, gibt es zum Essen oder ohne Essen auch Krimis, Grusel- oder Mystery-Abende, erotische Programme und Musik. In völliger Dunkelheit, als Erleben der vier verbleibenden Sinne, wenn das Sehen nicht möglich ist. Schmecken, Tasten, Riechen und Hören werden so auf ganz spezifische Weise geschärft. Dafür entstand im Dunkelrestaurant die weltweit erste Dunkelbühne mit ihrem Programm von Musik bis Krimi.
Gesicherte Arbeitsplätze
Neben dem Konzept des gastronomischen und künstlerischen Genusses in Nacht-Atmosphäre steht im „Nocti Vargus“ die Idee im Vordergrund, Arbeitsplätze für Blinde und stark Sehbhinderte zu schaffen. Als Begleiter des Gäste durch den Abend sind die Frauen und Männer speziell für diesen Service ausgebildet. Nach einer umfangreichen Einarbeitung wird für sie der Wunsch nach einem sicheren Arbeitsplatz im sogenannten Blindenrestaurant Wirklichkeit. Denn viele blinde Mitarbeiter haben oft nach jahrelanger Arbeitslosigkeit einen festen Arbeitsplatz im Dunkelrestaurant gefunden. Viele von ihnen sind über 50 mit jahrelanger Berufserfahrung. Der erfahrenste Mitarbeiter ist Jahrgang 1950. Durch ihr Mitwirken entstand eines der erfolgreichsten Integrationsprojekte Deutschlands und eine internationale Begegnungsstätte für Sehende und Blinde. Das Dunkelrestaurant ist ein staatlich anerkannter Integrationsfachbetrieb.
Die Frauenbeschäftigungsrate liegt bei 70 Prozent. In Führungspositionen liegt der Frauenanteil in der ersten Führungsebene bei 100 Prozent. Dabei arbeiten im „Nocti Vagus“ Nichtsehende und Sehende Menschen Hand in Hand. Das Küchenteam ist z.B. sehend, die BegleiterInnen der Gäste blind oder sehbehindert. Ihre hervorragende Leistung wurde mehrfach ausgezeichnet.
Alleine der Weg, den das blinde Team täglich zurücklegt, um aus allen Teilen Berlins zum Arbeitsplatz zu gelangen, gleicht jeden Tag einer neuen Herausforderung. Baustellen, Straßenumleitungen, Ampeln, öffentliche Verkehrsmittel, Schnee oder Glatteis sind Hindernisse, die für viele Blinde in einer Großstadt zu einem echten Hürdenlauf werden. Sobald sich jedoch die Tür zum Dunkelrestaurant öffnet, kehrt sich die Welt um. Hier sind sie diejenigen, die Sehende führen und geleiten.
Ort der Prominenten
Das Dunkelrestaurant ist mit einem speziell entwickelten Leitsystem ausgestattet und verfügt über 70 Sitzplätze. Die integrierte Dunkelbühne im Dunkel-Restaurant erlaubt die vielfältigsten Veranstaltungen.
Über 250.000 Gäste aus aller Welt besuchten das „Nocti Vagus“ in Berlin. Darunter viele berühmte Gäste oder bekannte Künstler, die auf der Dunkelbühne auftraten - Ulla Meinecke, Barbara Thalheim, Vladimir Kaminer, Rosa von Praunheim, Udo Waltz, Doris Dörrie, Gitta Schweighöfer und viele andere. Das Dunkelrestaurant wurde für sein Engagement und seine gute Küche bereits mehrfach ausgezeichnet.
Immer wieder sind Gäste des Restaurants erstaunt, mit welcher Selbstsicherheit sich die Mitarbeiter und Künstler im Dunkeln bewegen. Dies liegt unter anderem an einem intelligenten Leitsystem, das der Orientierung dient und von der Gründerin Simone Glosch entwickelt wurde.
Da das Dunkelrestaurant über zwei Ebenen verfügt, erfolgt die Verständigung über ein eigens entwickeltes Funksystem. Was der Gast nicht mitbekommt, dass während des "Dinner in the Dark" im Dunkelrestaurant das gesamte Team vernetzt ist und somit wie unsichtbar auf die Wünsche und Belange der Gäste reagieren kann.
-al-, Sep. 2016
Dunkelrestaurant & Dunkelbühne „Nocti Vagus“, Saarbrücker Str. 36-38, www.noctivagus.de