Brauereien in Prenzlauer Berg (3/12)

Die Groterja(h)n-Brauerei

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Das Gebäude der ehemaligen Brauerei im Jahr 1955

In unserer kleinen Reihe von ehemaligen Großbetrieben, insbesondere der Brauereien am Prenzlauer Berg, möchte ich mich heute um die Groterja(h)n-Brauerei, aus der Milastr. 1 - 4 bis Schönhauser Allee 129 - 130 kümmern, die in unterschiedlichen Quellen mal mit, mal ohne „h“ geschrieben wird.

Die Front der ehemaligen Brauerei zur Cantianstraße hin ist für die Berliner Architektur relativ untypisch, da sie englischen und holländischen Vorbildern entlehnt ist. Die Fassade wird durch geschwungene Giebel gekrönt, die Ecke zur Milastraße durch einen mit Kupfer gedeckten Turmhelm. Durch die unterschiedlichen Gebäudehöhen und Dachformen, sowie den Wechsel von Trauf- und Giebelstellung wirkt die Fassade besonders abwechslungsreich. Trotz größerer baulicher Veränderungen in den letzten einhundert Jahren hat die ehemalige Groterjan-Brauerei noch heute eine gewisse Bedeutung für die Geschichte im Stadtbild.
Ab 1835 stand anstelle der Brauerei eine Eisengießerei, ab 1839 eine Gold- und Silber-Scheide-Anstalt des Besitzers „Schwan“. Die Brauerei wurde in drei Bauabschnitten 1896/97 in der Cantianstraße errichtet, nachdem Christoph Groterjan 1894 ein von ihm hergestelltes Malzbier zum Patent angemeldet hatte. Die Verlegung der Brauerei in die Schönhauser Allee erfolgte 1897. Der Restaurations- und Saalbau wurde 1905/07 errichtet. Nach dem Tod Christoph Groterjans 1909 ging das Gelände in den Besitz der „Aktiengesellschaft Malzbierbrauerei Groterjahn & Co“ über. Die Wohnanlage auf dem Gelände wurde 1910/11 gebaut. Ein weiterer Umbau geschah 1912, als im Erdgeschoss der Brauerei Treppen und Trennwände eingezogen wurden.
 Ab dieser Stelle habe ich mehrere einander oft widersprechende Fakten aus unterschiedlichen Quellen.
Einmal heißt es, der Brauereibetrieb sei am Prenzlauer Berg 1914 bereits eingestellt worden, nachdem der Konsum von Malzbier ab 1908 so weit eingebrochen war, dass die Brauerei zahlungsunfähig geworden sei und sie deshalb (wegen der Zahlungsunfähigkeit?) im Jahre 1914 in die Prinzenstraße am Wedding umgezogen war.
Eine weitere Quelle berichtet, nach dem Verkauf von Groterjan an Engelhardt 1918 wurde der Brauereibetrieb 1921 an dieser Stelle eingestellt.
In der Geschichte der Kulturbrauerei heißt es, Schultheiß hätte 1920 Groterjan aufgekauft und sei damit zur weltgrößten Lagerbierbrauerei geworden. An anderer Stelle ist zu lesen, dass am 01.09.1961 die Schultheiß-Brauerei AG die Groterjan-Brauerei in der Weddinger Prinzenstraße übernahm und Groterjan eine Abteilung derselben wurde, die 1978 ihren Betrieb einstellte. Bis zur Übernahme von Schultheiß durch die Oetker/Radeberger-Gruppe 2004 war der Name „Groterjan“ für das alkoholfreie Bier von Schultheiß erhalten geblieben. Aber die Radeberger-Gruppe stellte nicht nur dieses, sondern auch die leckere hefetrübe Weiße von Schultheiß mit ein.
Die nächsten Fakten sind wieder „hart“. Nach der Schließung der Brauerei in der Milastraße zog in die Produktionshallen die „Schokoladen- und Zuckerfabrik Joseph Szlagowski“ ein. Eine weitere Veränderung gab es 1928 mit der Errichtung einer Brotbäckerei in den Teilen der früheren Brauerei und im Saalbau durch das Kino „Mila-Lichtspiele“.
Eine „Tankanlage“ (Tankstelle?) wurde 1929 auf dem Hof der ehemaligen Groterjan-Brauerei eingerichtet. Nicht mehr nachvollziehbar sind diverse Umbauten aus den Jahren 1930/31, da diese Umbauten ohne Genehmigung durchgeführt wurden. Mit entsprechender Genehmigung wurde 1932 der Schornstein erhöht und 1934 eine Garage gebaut. Diese Garage war Teil der Fahrschule, die in diesem Jahr 1934 ihren Kundendienst aufnahm. Die Fahrschule wurde nach dem Krieg enteignet und dem „VEB Taxi“ unterstellt, die ihrerseits ein Betriebsteil der Ostberliner BVG (in den späten 60er-Jahren in BVB umbenannt) waren. Wer in der DDR seinen Führerschein, „Fahrerlaubnis“ genannt und nicht bei der Nationalen Volksarmee oder bei der „Gesellschaft für Sport und Technik“ machte, musste zu dieser staatlichen Fahrschule, mit oft monatelangen Wartevoranmeldungslisten, die oft genug durch „blaue Fliesen“ „frisiert“ wurden.
Nach dem Krieg nutzte von 1948 – 1883 „Sowexport“ einen Teil des Brauereigeländes. Das Kino im Saalbau wurde 1963 enteignet und geschlossen. Von 1966 an war der Saalbau Probebühne der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, wurde aber 1990 wegen Baumängeln geschlossen. In der Restaurations- und Wohnanlage waren von 1983 – 1990 Büros und Lagerräume des Außenhandels der Filmgesellschaft DEFA. Der einstige Saalbau wurde nach einer Modernisierung 1996 als Gaststätte „Ribbeck“ wieder in Betrieb genommen. Das Gedicht des „Herrn Ribbeck aus Ribbeck im Havelland, in dessen Garten ein Birnbaum stand“ von Theodor Fontane war der Namensgeber dieser sehr mondänen Gastwirtschaft. Einzig eine in der Einfahrt auf das Geländer angebrachte kaum noch als solche erkennbare stählerne Birne erinnert an das Restaurant. Es wurde vor einigen Jahren wieder geschlossen. Das Lager eines Möbelhandels befindet sich dort heute. Erhalten geblieben sind auch kleine Krane aus DDR-Zeiten, die einst Kohle zum Heizen in die Keller der Restauration beförderten. Heute gibt’s dort die Restauration der Villa Groterjan die Einblicke in die einstige Braukunst bietet und das Buddhistische Zentrum.
Rolf Gänsrich (Dez 2014)