Berliner Brauereien Teil 9 von 12

Die Schultheißbrauerei

„LIEBE“ ist das erste, was einem, natürlich neben den Gebäuden, auf dem Gelände, nach Betreten durch den Eingang an der Knaackstraße, auffällt. Die mannshohe Skulptur aus rostigem Stahl ist, so meine Quelle, von Martin Schlobach.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Die ehemalige Schultheißbrauerei beherbergt heute den Frannz-Club

Das Gelände der späteren Schultheißbrauerei wurde 1842 durch den Apotheker Heinrich Prell erworben, der in Kreuzberg bereits einen kleinen Betrieb besaß und sich in besagtem Jahr vergrößern wollte. Eine „Tinkturei“ sollte entlang der Schönhauser Allee errichtet werden. Recht schnell aber merkte Prell, dass er sich mit dem Areal von ca. 25000 Quadratmetern, was etwa der Fläche von fünfzig bis sechzig Kleingartenparzellen entspricht, übernommen hatte. So verkaufte Prell sein Gelände 1853 an den Jobst Schultheiß, der hier die nach ihm benannte Brauerei errichtete. Wann welches Gebäude gebaut wurde, lässt sich aus meinen Quellen nicht mehr nachvollziehen. Auch nicht, ob die farblich unterschiedliche Gestaltung der Gebäude, wegen der rein optischen Trennung von Produktion und Abfüllung geschah. Um mal die Frage eines Kindes zu beantworten: in gelben Ziegeln ist im Lehm mehr Kalk. Wenn darin mehr Eisen enthalten ist, werden die Ziegel rot. Wie es das Kind bei dieser Tour sagte: „Die Ziegel rosten dann.“
Unterschiedliche Quellen sagen mir für die weitere Geschichte jetzt unterschiedliche Daten. Manche Daten tauchen dabei häufiger auf. So besagen meine Quellen folgendes:
Im Jahr 1899 kaufte Schultheiß die Tivolibrauerei in Kreuzberg und so wurde Schultheiß zur größten Lagerbierbrauerei Deutschlands. „Lagerbier“ ist Pils. 1920 wurde der Groterjan-Brauereistandort in der Milastraße übernommen. Damit wurde Schultheiß zur Welt größten Lagerbierbrauerei. Während des Zweiten Weltkriegs wurde weiter gebraut, wobei auch Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Bier war ein „kriegswichtiges Produkt“. In den Lagerkellern wurden Funkgeräte für die Wehrmacht hergestellt.

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Türen zur Bahnladehalle

Sowohl vom Kleindarsteller Dieter Dost, der vor einigen Jahren mal für uns geschrieben hat, als auch von meinem Vater, die leider beide viel zu früh gestorben sind, konnte ich erfahren, dass dort, wo heute neben dem Kino dieser Möbelladen ist, damals ein Waffenlager der Wehrmacht war, das noch nach der Kapitulation Berlins am 2. Mai 1945 durch Wehrmachtssoldaten geplündert wurde. Die Soldaten unternahmen einen Ausbruchsversuch durch die Keller der Pappelallee, um von Nordosten aus den Widerstand gegen die sowjetische Besatzung fortzuführen. Wie weit sie kamen, ist nicht bekannt.
Auf Befehl der sowjetischen Militäradministration wurde der Brauereibetrieb am 30. Oktober 1945 wieder aufgenommen. Der Betriebsteil Schultheiß an diesem Standort wurde 1967 stillgelegt, weil man zu jenem Zeitpunkt die Kindl Brauerei am Weißenseer Weg zur modernsten Brauerei Ostberlins ausgebaut hatte. Die tolle, riesige, offene Computerwand, kann man dort noch heute erahnen. Es kam dann sogenanntes „Kleingewerbe“ auf das Gelände an der Schönhauser Allee. Das Areal wurde 1972 unter Denkmalschutz gestellt, aber nichts saniert. Im Jahr 1990 kam die Übernahme durch die Treuhandanstalt, die das Gelände 1994 an eine Entwicklungsgesellschaft übergab und erst diese sanierte in den dann folgenden Jahren.
Was es mit der „Bahnladehalle“ auf sich hat, habe ich bislang nicht eindeutig klären können. Einige Quellen besagen, dass von hier aus Pferdefuhrwerke, später Lkws, sowohl Rohstoffe als auch in Flaschen und Fässer abgefülltes Bier zum Güterbahnhof Greifswalder Straße transportiert wurden. Andere Quellen sprechen davon, dass Güterstraßenbahnen diese Aufgabe übernahmen und die Waren von und zur Tegel-Friedrichsfelder-Industriebahn oder zum Güterbahnhof auf dem Gelände der AEG in der Brunnenstraße transportierten. Unwahrscheinlich scheint dies nicht, wurden doch zum Beispiel Särge und Leichen für die Friedhöfe in der Hohenschönhauser Konrad-Wolf-Straße bis 1976 durch Straßenbahnen transportiert.
Der Franzz-Club, mal benannt nach Erich Franz, wurde 1970 gegründet, später privatisiert und musste 1997 Insolvenz anmelden. An gleicher Stelle eröffnete 2004 das Restaurant Franzz mit angeschlossenem Club.
Das Geläut an der Uhr am Haupthaus ist noch in Betrieb, allerdings konnte mir noch niemand verraten, welche Melodie es ist, die gespielt wird. Es soll wohl „Üb immer Treu und Redlichkeit“ sein.
Rolf Gänsrich, Oktober 2015