„Greifswalder Straße, Friedenstraße, ehemals Königstor!“

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Bötzowkiez
Der Winskiez ist einer der wenigen Kieze mit Friedhof

Anno dazumal, als die Greifswalder Straße noch Bernauer Landstraße hieß, wurde um Berlin die sogenannte Akzisemauer errichtet. In dieser Mauer gab es 18 Ausfallstraßen, an jeder lag ein Tor. Bis 1809 hieß das Tor an der heutigen Greifs­walder Straße Bernauer Tor; im selben Jahr kehrten der preußische König Friedrich Wilhelm III. und seine Frau Luise durch das Bernauer Tor von Königsberg in Ostpreußen nach Berlin zurück, wohin sie vor Napoleon geflohen waren. Sie wurden hier vom gesamten Magistrat unter Führung des Oberbürgermeisters Carl Friedrich Leopold von Gerlach (1757–1813), den Stadt­­verordneten und der hohen Geist­lich­keit Berlins empfangen. Anlässlich dieses Ereignisses wurden das Tor und die Bernauer Landstraße durch Kabinettsorder vom 10. April 1810 in Königstor beziehungsweise Neue Königsstraße umbenannt.

 

Vom Alexanderplatz kommend zeigt die Greifswalder Straße keinen solchen Anstieg aus dem Berliner Urstromtal wie alle anderen umgebenden Einfallstraßen, beispielsweise die Landsberger, Prenzlauer, Schön­hauser Allee, der Weinbergsweg oder die Veteranenstraße. Im Gegenteil: zweigt man von der Greifswalder Straße ab, fährt man immer bergauf. Grund dafür ist, dass es sich bei dieser Straße um ein ehemaliges Fluss­bett handelt, das entstand, als die Gletscher der letzten Eiszeit abschmolzen. Die urzeitlichen Reste davon kann man auf Land­karten erkennen. Der Weiße See, Ober-, Oranke, Fauler  und Malchower See liegen ja in dieser Richtung. In meiner Hörfunksendung „OKbeat“ (zu hören auf: www.alex-berlin.de/) konnte ich in Vorbereitung der Sendung vom 4. August auch unseren Stadtrat Jens-Holger Kirchner fragen, was aus der schon seit den dreißiger Jahren geplanten U-Bahn über die Greifs­walder Straße nach Weißensee und Malchow wird. Einer der beiden Bahnsteige der heutigen U5 wurde schon bei ihrem Bau für die U-Bahn nach Weißensee errichtet. Auch der Westberliner Senat trat in den 70er/80er Jahren in Bauvorleistung für diese „U10“, deren Strecken­führung - aus Lichterfelde kommend - über Rathaus Steglitz, Innsbrucker und Potsdamer Platz geplant war. So endet heute die U9 in Steglitz eigentlich am U-Bahnhof der geplanten U10. Bahnsteige und Tunnel­abschnitte gibt’s für die U10 am Walter-Schreiber- und Insbrucker Platz, sowie (wie erwähnt) am Alex und von dort noch ein Stück Tunnel in Richtung Königstor. Auch die DDR plante den Bau dieser U-Bahnlinie ein, denn man wollte das Wohngebiet in Hohen­schön­hausen-Nord von der Zingster Straße über Malchow und Karow bis nach Mühlenbeck-Mönchsmühle ziehen. Bauvorleistungen sieht man dafür bei der S-Bahn auf der Strecke zwischen Blankenburg und Schönfließ: Fundamente für neue Bahnsteige.Leider hatte ich in der Sendung zur Erörterung dieser Frage keine Zeit mehr und so gebe ich Ihnen hier die Info von unserem Stadtrat aus dem Vorgespräch wieder: Die U10 ist nicht vom Tisch, sondern noch immer im Flächennutzungsplan vorhanden. Auch muss für diese U10 weiterhin Baufreiheit vorgehalten werden. Hätte die Bundesregierung nicht auf den Bau dieser vollkommen unsinnigen, weil unnötigen Verlängerung der U5 zum Hauptbahnhof gedrängt, hätte man wahrscheinlich schon längst mit dem Bau der U-Bahn nach Weißensee begonnen.Die Verlängerung der U1 von der Warschauer Straße bis zum Petersburger Platz als Hochbahn ist allerdings schon vor dem Krieg gestorben.Wie gesagt, die Greifswalder Straße liegt in einer Senke, sie war zu DDR-Zeiten „Protokollstrecke“. Morgens und abends fuhr die damalige Staatsführung von und nach Wandlitz hier regelmäßig durch, mit Ausnahme der Zeit von 1985/86, als das gesamte Areal rund um den Ringbahnhof neu gestaltet wurde. In dieser Zeit ging es für Berufspendler aus Hohen­schönhausen und auch für die DDR-Führung über Michelangelo- und Kniprodestraße (damals Artur-Becker-Str.)  und die Straße am Friedrichshain. Die Greifs­­­walder war in jener Zeit eine hübsche, angenehm rausgeputzte Geschäftsstraße. Wie bei Potem­kinschen Dörfern wurden damals auch nur die ersten Häuser der Seitenstraßen soweit „aufgehübscht“ und gestrichen, wie man sie von der Greifswalder Straße aus sehen konnte.Bedingt durch die Lage in dieser Senke brannten einem bei „Invasionswetterlage“ (also wenn des West-Radio „Smog“ verkündete, den es in Ostberlin laut Ostmedien ja nie gab!) an diesigen Herbst- und Wintertagen beißende, stinkende, alles beinah verätzende Luft aus versotteten Öfen und aus Zweitakt-Abgasen in Nasen-, Augen- und Mundwinkeln. Dies lin­derte sich erst ein wenig, wenn man oben auf dem S-Bahnhof Greifswalder Straße (der eine zeitlang „Thäl­mannpark“ hieß) angelangt war. (Bis zur Umbe­nennung in „Mohrenstraße“ hieß der damalige durch den Mauerbau bedingte Endbahnhof der U-Bahnlinie „A I“ - heute U2 - „Thälmannplatz“!)  

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Bötzowkiez
Das Grab der Familie Bötzow auf dem Friedhof an der Heinrich-Roller-Str.

In der Greifswalder Straße, in etwa da, wo heute ein Bio-Supermarkt ist, gab es bis vor ein paar Jahren noch den Maler- und Heimwerkerladen von Herrn Svatos. Ich kenne ihn noch kurzzeitig als Chef der HO-Kauf­halle am S-Bf. Storkower Straße, in der ich 1981 bis 1984 als „1. Fachverkäufer Obst/Gemüse“ arbeitete. Irgend­wann war er plötzlich weg und hatte dann nach der „Wende“ diesen Malerladen. Die Geschichte dahinter ist eine fast DDR-typische. Wer damals einen Ausreiseantrag auf „ständige Aus­reise“ stellte kam in den Knast, wenn man ihm „etwas anhängen“ konnte und wurde später durch die Bundesrepublik frei gekauft. In gelinderen Fällen, wie vermutlich bei Herrn Svatos, wurden diese Leute einfach nur bis zur Genehmigung dieser Ausreise - im anderen Falle für den Rest ihres Lebens - in Hilfsarbeiterjobs gesteckt. Akademiker, wie im Fall von Herrn Svatos, wurden zu Lager­arbei­tern degradiert, wurden Lochbuddler auf dem Friedhof hinter der Heinrich-Roller-Straße oder mussten zur Müllabfuhr.Eine andere kleine Geschichte kann ich Ihnen noch zur „Marie“ erzählen. Dort befand sich ja bis in Nachwendezeiten das Rettungsamt vom Prenzlauer Berg.   War es, weil man das „TatüTata“ der Barkas-B1000-Rettungswagen im Trabant bei Vollgas nicht mehr hören konnte oder weil es damals allgemein viel leiser war als heute. Oder war es, weil man ab den 80er Jahren einige Volvo-Rettungswagen aus Schweden für die „Hauptstadt der DDR“ für viele Devisen einkaufte - ich weiß es nicht! Jedenfalls etwa ab jenen Jahren fuhren in Ost-Berlin Feuerwehr, Polizei und Rettungsamt mit so einer „Ami-Jaule“. Man träumte von den Straßen Manhattans oder von San Francisco, wenn man so einen Wagen mit seinem auf- und abschwellenden, durchdringenden Jaulton hörte.  Das Rettungsamt Prenzlauer Berg befand sich bis Anfang der 90er Jahre dort, wo heute dieser gewaltige Spielplatz, die „Marie“, ist. Eine weitere Notaufnahme gab es bis vor ein paar Jahren noch Danziger Straße/Ecke Prenzlauer Allee, dort, wo sich seitdem ein privater Pfle­ge­dienst tummelt.Der typische DDR-Rettungswagen war, wie oben erwähnt, der „Barkas B100“, der in Karl-Marx-Stadt  (früher und heute Chemnitz) hergestellt wurde. Er war der zuverlässigste und beliebteste Klein­transporter des Ostblocks und wurde leider nur in einer geringen Stückzahl hergestellt. Die Heckflossen, in denen beim Kleinbus die Rücklichter untergebracht waren, hatte er vom Wartburg 311, den Dreizylinder-Zweitaktmotor allerdings auch und so brachte er es zwar auf eine maxi­male Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, war aber mit seinen anfangs 43 PS, später 46 PS, bei weitem zu untermotorisiert.Und dann gab es da noch diesen Straßen­bahnfahrer auf der Linie 24 (heute Teil der M 4) der aus seinen Stationsdurchsagen oft eine halbe Stadtführung machte. „Greifswalder Straße, Frieden­straße, ehemals Königstor! An der Ecke zur Straße am Friedrichshain ist der bei vielen beliebte Märchen­brun­nen!“, konnte man da durchaus hören.Bleibt mir zum Schluss eigentlich nur noch, die Immanuelkirche zu erwähnen. Sie ist eine evangelische Kirche und wurde am 21. Oktober 1893 eingeweiht. Wie viele andere Kirchen in Berlin vom Ende des 19. Jahrhunderts ist sie im neoromanischen Stil erbaut; sie steht unter Denkmalschutz.Ende des 19. Jahrhunderts war die Gemeinde der Bartholomäuskirche, die sich am Königstor befindet, in solch einem Maße gewachsen, dass ein eigener Kirchenbau für die Wohngebiete um die Prenzlauer Allee notwendig wurde. Wie bei den meisten Kirchenneubauten jener Zeit stand der Bau unter der Schirmherrschaft der damaligen Kaiserin Auguste Viktoria. Die Bauarbeiten begannen im Jahr 1891, die Grundsteinlegung fand am 12. Juni 1892 statt. Die Familie Bötzow schenkte der Gemeinde das nötige Bauland. Die Kosten von etwa 300.000 Mark für den eigentlichen Bau übernahm die benachbarte Georgengemeinde.

✒ Rolf Gänsrich (Sep 2011)