Thälmann-Park

Visionen, ernstzunehmende

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin

Schön, wenn Geschichte so gegenwärtig und visionär sein kann. Schön, wenn Kultur sich ins aktuell Politische mischt. Den AusstellungsmacherInnern um Kuratorin Juliane Wiedemann ist dies mit „Jetzt wird’s ernst“ gelungen.
Es geht um das knapp 30 Jahre zurückliegende Entstehen des Thälmann-Parks und es geht, die aktuellen Diskussionen aufgreifend, darum, wie er sich künftig gestalten wird: Der Park, seine Infrastruktur, das Zusammenleben der Menschen. Es geht um das Plattenbau-Quartier, das vor kurzem zum Baudenkmal erhoben wurde und vor den größten Veränderungen seiner Geschichte steht.
Die Ausstellung „Jetzt wird ernst“ im Kulturzentrum Sebastian Haffner schlägt den historischen Bogen weit zurück. Sie beginnt mit dem Bau des Gaswerks an der Stelle des heutigen Parks. 1873 war das. Das Areal war damals noch Stadtrand, wurde indes schon bald von der wachsenden Industrialisierungsmetropole Berlin umschlossen. Nicht nur die damaligen Prenzlauer Berger, auch die Insassen des benachbarten Hospitals, der heutigen Vivantes-Klinik, atmeten täglich die Kohledämpfe des Werkes. Das sollte über 100 Jahre so bleiben, bis die DDR-Regierung Stilllegung und schließlich Abriss beschloss.
Die Sprengung der denkmalgeschützten Gasometer gehört zum historisch-politischen Grundvokabular des Prenzlauer Berges, denn hier machten sich erstmals Bürgerinitiativen für den Erhalt der Bauten und damit gegen Staatsdoktrin stark. Die Ausstellung dokumentiert beides: Die offizielle Lesart in den Staatsblättern Berlins, die Stimmen und Flugblätter der Bürgerbewegten. Und einmal mehr stellt sich die Frage, was die Verantwortlichen von damals heute dazu sagen würden: Zu ihrer strammstehenden Propaganda, mit der sie das dreijährige Wachstum der Wohnblöcke begleiteten, zur Eröffnung des Quartiers mit angeblich 100.000 feiernden Berlinern, die sich um Staatschef Erich Honecker und das Thälmann-Denkmal scharten. Das zeigt die Ausstellung aufs Eindrücklichste: Die Geburt des Thälmann-Parks ist untrennbar an eine Diktatur gebunden, der Bürgerwille und individuelles Begehren wenig galt.
Diesem historischen Teil der Ausstellung folgt ein klug konzipierter Perspektivwechsel ins Jetzt: In Fotos und Videobildern kommen heutige Bewohner zu Wort, ausführlich werden die vom Bezirk betriebenen Pläne für den Park dargestellt, wieder in einer Gegenüberstellung. Es sind Pläne für 2000 zusätzliche Wohnungen, bessere Grünflächen und Infrastruktur, die neben den Ängsten und Wünschen der Bewohner stehen.
Dann das Finale, als Aufforderung an die Ausstellungsbesucher, sich in die Neugestaltung des Parks einzumischen. Mittels Quartiersplan und Icons, die jeder und jeder nach Belieben darauf verteilen kann: Als Vision von mehr Grün, mehr Spielflächen, mehr Wohnungen etwa.
Geschichte wiederholt sich eben doch, doch sie eröffnet Chancen. Knapp 30 Jahre, nachdem ein totalitäres System eine Siedlung gegen Bürgerwillen aus dem Boden stampfte, sind jetzt die Bürger nach ihrem Willen gefragt. Insofern denkt die Ausstellung zu Ende, wie demokratische Stadtplanung aussehen kann.
-al- (Okt 2014)
Ausstellung: „Jetzt wird’s ernst“. Bis 26. Oktober mit Begleitprogramm im Kulturzentrum Sebastian Haffner, Prenzlauer Allee 227/228.