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Auch in Prenzlauer Berg gefährlich

Weitaus mehr Berliner als bislang bekannt sind von einer zu hohen Stickoxid-Belastung in der Atemluft betroffen. Das zeigen die Ergebnisse einer Messreihe, die der Sender rbb in Kooperation mit der TU Berlin durchgeführt hat. Die Wissenschaftler der Technischen Universität haben an 73 von 110 Messpunkten an Berliner Straßen Belastungen festgestellt, die über dem zulässigen EU-Grenzwert liegen. 

 

Unsichtbar und gefährlich: Mehr Berliner als bislang bekannt sind zu hoher Stickoxid-Belastung ausgesetzt - das zeigen Messungen von rbb und der TU Berlin, die im Dezember 2017 veröffentlicht wurden. Das Problem ist flächendeckend: An 73 Standorten liegen die Werte über dem Grenzwert. 

Die höchste Belastung des Gases, das vorrangig durch Dieselfahrzeuge ausgestoßen wird, wurde im Oktober und November mit 77 Mikrogramm am Görlitzer Bahnhof in Kreuzberg gemessen. Gesetzlich erlaubt ist im Jahresmittel eine Belastung von höchstens 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft (µg/m³). Zwei Standorte in Prenzlauer Berg sind ebenfalls unter den Top Ten der überschrittenen Grenzwerte: Die Prenzlauer Allee liegt mit gemessenen 68 Mikrogramm ebenso im gesundheitsgefährdenden Bereich wie die Danziger Straße mit 64 Mikrogramm. Auch am Kurt-Schumacher-Damm in Tegel (74 Mikrogramm) und dem Kleinen Tiergarten in Mitte (72 Mikrogramm) ergab die vierwöchige Messkampagne eine hohe Durchschnittsbelastung. Der höchste vom Land Berlin gemessene Wert lag im vergangenen Jahr bei 66 Mikrogramm.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Zuviel Abgas in der Luft: Die interaktive Karte zeigt Prenzlauer Allee und Danziger Straße mit erhöhten Stickoxid-Messwerten. Grafik: rbb

"Die Stickoxid-Grenzwerte werden in Berlin flächendeckender und stärker überschritten, als die bisher verfügbaren Messergebnisse es zeigen", fasst Umweltchemiker Dr. Wolfgang Frenzel vom Institut für Technischen Umweltschutz der TU Berlin die Ergebnisse zusammen. Das Messnetz des Landes umfasst nur 39 Standorte. Die 110 Mess-Stationen der TU-Studie reichen deutlicher weiter in die Tiefe. 

Die neuen Erkenntnisse befeuern die lange schwelende Debatte über Diesel-Fahrverbote in Berlin zusätzlich. "Der Berliner Senat wird durch diese Veröffentlichung stärker unter Druck kommen. Es wird nicht reichen, mit Tempo-30-Zonen zu arbeiten. Berlin kommt um ein Fahrverbot nicht herum", bewertet Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die Ergebnisse. Die DUH hat das Land Berlin und rund 60 weitere Kommunen verklagt, weil die Stickoxid-Grenzwerte dauerhaft überschritten werden. Voraussichtlich im Frühjahr 2018 wird die Klage gegen das Land Berlin verhandelt. In dem Verfahren will die DUH die Messergebnisse von rbb und der TU Berlin einbringen und eine amtliche Nachuntersuchung erzwingen.

Durch die Messreihe wird deutlich, dass viele Bewohner verkehrsreicher Straßen in der Berliner Innenstadt von gesundheitsgefährdender Luftverschmutzung betroffen sind. Betroffene können sich kaum gegen die Belastung durch Stickoxide schützen. Die Messdaten zeigen jedoch, dass die Luftqualität in Innenhöfen zum Teil deutlich besser ist als zur Straße hin. Bei hohem Verkehrsaufkommen empfiehlt es sich deshalb, nicht zur Straßenseite hin zu lüften.

Das Umweltbundesamt führt Stickstoffdioxid als „klassischen Luftschadstoff“. Beim Einatmen greift es die Schleimhäute an und reizt die Augen. Darunter leiden besonders Menschen, die ohnehin Atemwegsprobleme haben, wie zum Beispiel Asthmatiker, oder auch Kinder, die ein kleineres Lungenvolumen haben als Erwachsene. In der Folge können verstärkt Atemwegs- und Lungenprobleme auftreten. Stickoxide können auch Herz und Kreislauf beeinträchtigen.

-red-, Jan 2018