Dichtes Netz der Beweger

Magazin Prenzlauer Berg Zeitung
Bürgerengagement beim Gärtnern: Die Initiative „Arnswalder Platz“ kümmert sich seit drei Jahren um das Areal rund um den Stierbrunnen. Jüngst pflanzten die Aktiven neue Büsche und Sträucher. Foto: Initiative

Sie pflegen ihre Kiezplätze und protestieren gegen Bauvorhaben. Sie organisieren sich und die Öffentlichkeit zum Wohle ihres Wohnquartiers. Das Spektrum der Bürgerinitiativen in Prenzlauer Berg ist breit gefächert. Eine möglicherweise unvollständige Schau der Aktiven, die auf starke politische Tradition zurückblicken.
Beispiel Eins: Die Anwohnerinitiative vom Arnswalder Platz. Was als Zusammenschluss von Leuten begann, die den vernachlässigten Platz um den Stierbrunnen im Bötzowviertel säuberten, ist binnen drei Jahren zu einer bewegten Gruppe zusammengewachsen, deren Aktivitäten im jährlichen Sommerfest für den Kiez gipfeln. Regelmäßig treffen sich die aktiven Hobbygärtner zur Verschönerung ihres Areals, haben mit Bezirkspolitikern funktionierende Arbeitskontakte. Erst unlängst pflanzten rund 20 Erwachsene mit ihren Kindern 440 Stauden, Büsche und Blumen auf den Rabatten südlich der Danziger Straße.
Es ist ihr Platz und ihr Quartier. Zum zweiten Mal werden sie deshalb das Kiezfest „STIERisch gut“ auf die Beine stellen. Am 28. Juni präsentieren sich Künstler, Händler, Gewerbetreibende und ganz „normale Menschen“ an Ständen und auf der Bühne rund um den Stierbrunnen.
Warum engagieren sich Menschen ehrenamtlich, nehmen nach Feierabend Harken, Mülltüten oder die Organisation eines Festivals in die Hand? „Ich lebe hier, meine Tochter wächst hier auf“, sagt beispielsweise Stefan Gehrke, Mitbegründer der Initiative. Sie wollen die Geschicke des Viertels mitgestalten und Nachbarschaft stiften. Die junge Garten-Initiative schloss sich deshalb mit den angestammten Ehrenamtlichen von „Pro Kiez“ zusammen, Menschen, die bereits die Sanierung des Viertels kritisch mitbegleiteten. Seit Jahren betreiben sie zudem die Kurt-Tucholsky-Bibliothek in der Esmarch-Straße, die ohne ihr unentgeldliches Engagement längst geschlossen wäre. Und auch um ein Nachbarschaftshaus am Standort bemühen sie sich. www.arnswalderplatz.de

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Bürgerbewegung über Generationen und Bezirksgrenzen hinweg: Protest der Mauerpark-Allianz.

Beispiel Zwei: Ein Nachbarschaftshaus haben die „Leute am Teute“ seit vielen Jahren – selbst instandgesetzt, betrieben in Eigenregie. Das schöne bunte Haus ziert den Platz an der Christinenstraße, ist Zentrum für Arbeitstreffen und Feiern, kann von allen für Feste gemietet werden. Auch die Teute-Leute sorgen sich um ihr Quartier, seit mehr als 20 Jahren. Sie pflegen den Platz, engagieren sich in politischen Belangen und wollen vor allem eins: Einen lebenswerten Kiez für alle, gleich welcher Schicht, welchen Alters, welcher Kultur, wollen den Kiez erhalten und gestalten. Das fängt beim Teutoburger Platz selbst an und hört beim Engagement für von Gentrifizierung Bedrohte längst nicht auf. www.leute-am-teute.de
Beispiel Drei: Grüner, sozialer, erholsamer, und vor allem: 100 Prozent Mauerpark. Für dieses Ziel haben sich einst gar rivalisierende Engagierte zur Mauerpark-Allianz zusammengeschlossen. Der Kampf gegen eine seit Jahren drohende luxuriöse Bebauung des nördlichen Parks eint sie alle – gar über Bezirksgrenzen hinweg in den Wedding hinein. Unermüdlich demonstrieren sie, drucken mehrsprachige Flyer, rücken den zuständigen Politikern auf den Leib. Die hatten sie sogar ausdrücklich ermutigt, gegen politische Beschlüsse zu kämpfen, die sie einst selbst verbockten.
Es ist nicht nur die Sorge um die grüne Freifläche, die die Allianz eint, es ist auch die Sorge um die sozialen Belange rund um die Freifläche. Wenn das geplante Luxusquartier mit rund 530 Wohnungen entsteht, dann werden die angestammten Bewohner von Prenzlauer Berg und Wedding früher oder später vertrieben, so ihre Befürchtung. So mobilisieren sie unaufhörlich die Öffentlichkeit, arbeiten auf den Tag hin, da die Bebauungspläne zum Einspruch ausgelegt werden. www.mauerpark-allianz.de

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Anwohner zeigen Flagge: Hier im Gleimviertel. Fotos (2): al

Sie sind gut vernetzt, die Engagierten von Prenzlauer Berg. Social medias, Newsletter, email-Verteiler dienen ihnen zum schnellen, demokratischen Austausch, untereinander und mit anderen Initiativen. Auch das weltweite Netz bewegt sich für den Prenzlauer Berg.  
Beispiel Vier: „Die Berliner wollen gern Veränderung, nur nicht vor ihrer eigenen Haustür“, so salopp gibt sich der Regierende Bürgermeister Wowereit gern, wenn politische Vorhaben in der Hauptstadt mal wieder auf Bürgerproteste stoßen. Dabei übersieht er, dass Engagierte durchaus Veränderungen wollen und selbst Vorschläge machen, nur eben aus ihren Interessen heraus. Wie die Anwohnerinitiative Thälmannpark der gleichnamigen Plattenbau-Siedlung. Seitdem für ihr Quartier bauliche Veränderungen anstehen, setzt sie auf Kooperation und entwirft alternative Pläne. Statt Bebauung schlägt sie eine Erweiterung der Grünflächen des Parks vor – was auch den umliegenden Vierteln zugute käme. Noch bevor sich die Politik an die Neugestaltung des Areals machte, pflegte sie Gehwege und den Teich, unterstützte bei Schwierigkeiten mit ihrer Wohnungsbaugesellschaft. Es ist die Sorge um die Gestaltung der Stadt und die Sorge um den Erhalt ihrer sozialen Struktur, die die Initiative bewegt. Nirgendwo mehr sonst in Prenzlauer Berg leben Alt und Jung so nah zusammen. Die Initiative kann nicht nur vehement streiten und Kampagnen starten, sie feiert auch gern mit allen Bewohnern des Thälmannparks. Gute, engagierte Nachbarschaft eben.  www.thaelmannpark.wordpress.com
Die Aktiven von Prenzlauer Berg - Ein Blick zurück in die jüngere Geschichte des Bezirks zeigt, dass das Engagement von Bürgern hier wirkungsvolle Tradition hat. In den 80er Jahren einte der Wille, sich für Meinungsfreiheit und demokratische Grundrechte einzusetzen, viele Bürgerbewegte der DDR im Umfeld der Kirchen und im Umfeld der Intellektuellen-Szene vom Kollwitzplatz. Sie deckten Wahlbetrug auf, gründeten runde Tische, brachten auf ihre Weise das totalitäre System zum Wackeln und letztlich mit zum Einsturz. Wenn heute eine Vielfalt von Initiativen frei und ungehemmt für ihre Kiez-Belange streiten kann, dann ist das auch ein Verdienst der Bürgerbewegten von damals, deren Namen inzwischen vergessen sind.
Katharina Fial (Juli 2014)