Mauerpark: Wider Willen, wider besseren Wissens

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Mauerpark
Geplnate Bebauung des nördlichen Teils

April 2013. Ein neuer Investor, 530 Wohnungen, em­pörte Anwohner – Die Ungereimt­heiten eines Bauvorhabens

In seiner Empörung über die neuen Bebauungspläne im Mauerpark ist Heiner Funken keine Formulierung zu groß: „Was hier geschieht, geschieht gegen jeden gesellschaftlichen Willen!“ Der Sprecher der „Stiftung Weltbürger­park“ weiß, wovon er spricht. Hat er doch Anwohner und Aktive der Park­land­schaft hinter sich. Sie alle, die Bür­ger­werkstatt „Mauerpark fertigstellen“ und die „Freunde des Mauerparks“, lehnen das Vorhaben des Investors Klaus Groth vehement ab.
Es ist ja auch ein düsteres Szenario, das Groth in seinen Plänen zeichnet: Ein massives Betonquartier aus vier- bis siebengeschossigen Blöcken, mit 530 Woh­nun­gen und glattweißen Fassaden, akkurat hingewürfelt auf die freie Fläche nördlich der Gleimstraße. Eine dichte Betoncity soll bis 2017 wachsen, auf historisch einzigartigem Mauer-Grund. Sie bedrängt die kleine Jugendfarm Moritz­hof und zerstört den grünen Erholungs­raum.
Das komfortable Quartier präsentiert sich als ökologischer wie sozialer Stör­faktor. Je zur Hälfte ist es mit hochwertigen Miet- und Eigentumswohnungen bestückt. Damit droht eine deutliche Erhöhung des Mietspiegels im derzeit noch bezahlbaren Milieu. Und ob die neuen Quartier-Bewohner die bunten Open-Air-Veranstaltungen dulden werden, die zum Flair des Mauerparks ge­hö­ren, ist fraglich.
Vorprogrammiert sind zudem Engpässe bei den Kita- und Schulplätzen. Für das gesamte Quartier gibt es nur eine einzige kleine Kita. Auch nur eine einzige Straße, die ausgebaute Gleimstraße, soll den kompletten Bau- und Anwoh­ner­verkehr fassen. Das wiederum kann Hei­ner Funken kaum fassen und sieht Staus und Lärmbelästigung voraus.
Die neuen Baupläne fügen den Querelen um den Mauerpark ein neues unrühmliches Kapitel zu. Im Flächen­nutzungs­plan Berlins ist der Park als Grünfläche ausgewiesen – eine einmalige Chance, den einstigen Todesstreifen zwischen Ost und West seiner Bedeutung gemäß zu gestalten. Diese Chance hatte der Senat bereits im Sommer 2012 vertan.
Per Vertrag mit dem damaligen Grund­stücks­besitzer CA Immo gab er den nörd­­lichen Teil zum Bau frei. Dafür wird der Park im Süden nahe des Floh­markt­geländes erweitert. Dafür soll im Norden eine „ökologisch nachhaltige Entwick­lung“ garantiert werden, Wohnbauten mit „sozialer Durchmischung“. Berlin ließ sich das Planspiel 4 Millionen Euro kos­ten. Bereits diese Pläne verwarfen die Bürgerinitiativen, wollten den Park in Gänze grün erhalten.

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Mauerpark
Proteste gegen die Bebauung im Sommer 2011

Mit ökologisch nachhaltiger Entwicklung kann der neue Eigentümer Klaus Groth ebenso wenig anfangen wie mit sozialer Durchmischung, tut sie vielmehr lapidar ab. Das entsetzt nun auch die sanftesten Gegner der Baupläne: „Luxus­woh­nungen statt nachbarschaftsverträglicher Bau­ten“, kommentiert Rainer Krü­ger von der Bürgerwerkstatt, „das be­­­­deutet soziale Entmischung. Die Frage muss doch sein, was für die Anwohner angemessen ist.“
Die Bürgerwerkstatt sieht sich entgültig zum Statisten degradiert. Bis zuletzt hatte sie den Dialog mit Groth gesucht. Ursprünglich war sie ja genau dafür vom Senat ins Leben gerufen und finanziert worden: Um an der Gestaltung des Parks mitzuwirken. Wegen der jetzigen „konträren Ausgangslagen“ (Krüger) bleibt den Mitgliedern nurmehr der Protest.
In diesem Protest erklärt sich derzeit zumindest der Bezirk Pankow solidarisch. Sein Parlament ließ vorab rechtliche Schritte gegen die Baupläne prüfen. Doch die Aussichten sind schlecht. Berlins Senat und der zuständige Bezirk Mitte scheinen weitestgehend freie Hand zu haben.  
Die Amtspolitiker von Mitte und Senat schieben derweil Verantwortlichkeiten hin und her und lancieren. „Details klären wir im Bebauungsplan-Verfah­ren“, entgegnete ein lustloser Mitte-Stadt­rat Carsten Spallek (CDU) seinen Ab­geordneten im jüngsten Stadt­pla­nungs­ausschuss. Das steht in den nächsten Monaten an, der Baubeginn ist für 2014 vorgesehen. Es ist auch eine Chan­ce zum Bürger-Einspruch.
Die widerständischen Bürger wandern indes über die Bezirksgrenze und machen im Wedding mobil: Alte Frauen, die sich wie selbstverständlich in die email-Verteiler der „Stiftung Weltbürgerpark“ eintragen. Junge Frauen, die darum bitten, die Flyer ins Türkische und Ara­bi­sche zu übersetzen. Damit die Bewohner im Brunnenviertel verstehen können, worum es überhaupt geht: Dass sie in ihrem Lebensraum bedrängt werden. Dass sie sich dagegen wehren können.
„Die Chancen sind gering, doch wir werden jede Möglichkeit des zivilen Unge­horsams nutzen“, kündigt Heiner Funken an. Dieser zivile Ungehorsam muss die politischen Entscheider wachrütteln, appelliert Mitte-Abgeordneter Sven Die­drich (Linke) an die aktiven Bürger: „Versuchen Sie weiter, die Bebauung zu verhindern. Wir werden es nicht richten können.“
✒ Katharina Fial (April 2013)
Die nächsten Vorhaben Inis:
Am 8. 4., 19 Uhr, Anwohner-Versamm­lung im Cafe Torten­werk­statt, Gleim­str. 6
Am 28. 4., 15 Uhr, Spaziergang auf dem nördlichen Mauerstreifen - Weitere Infos auf www.mauerpark.org
Am 10. April, 19 Uhr, Infoveranstaltung der Piratenpartei „Mauerpark statt Luxuswohnungen“, Begegnungsstätte Jahresringe, Stralsunder Str. 6