Saalbau 1931: Ulbricht vs. Goebbels

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Bötzowkiez
W. Ulbricht (sthd.) und J. Goebbels (v.l.) bei gemeinsamer Veranstaltung am 27. Januar 1931 im Saalbau hinter dem Kino Friedrichshain

Der Bötzowkiez ist zu meinem eigenen Erstaunen bislang noch ohne Parkraumbewirtschaftung. Ein entsprechender Antrag der Anwohner beim Bezirksamt, endlich nun auch hier Parkuhren aufzustellen, um den Parkdruck im Gebiet zu mindern, kann so schnell, also nicht mehr in diesem Jahr durchgeführt werden.

Eine der betroffenen Straßen ist die zur Bötzowstraße parallel verlaufende Hans-Otto-Straße. Das Hans-Otto-Theater in Potsdam dürfte Kunstfreunden wegen seiner oft recht progressiven Aufführungen ein Begriff sein.  Hans Otto (* 10. August  1900 in   Dresden; † 24. November 1933 in Berlin) war Schauspieler und wurde von den Nationalsozialisten ermordet.

In der Schule besuchte Otto dieselbe Klasse wie Erich Kästner. Im Februar 1933 wurde er nach den Vorgaben der NS-Kulturpolitik gekündigt. Seine letzte Vorstellung gab er am 23. Mai 1933. Seit 1924 Mitglied der KPD, zog er sich bald darauf in die illegale politische Tätigkeit zurück. Ein Angebot von Max Reinhardt, nach Wien zu wechseln, hatte er nicht angenommen. Kurz darauf wurde er in einem Restaurant am Viktoria-Luise-Platz in Berlin von der SA verhaftet, in das Lokal Café Komet in Stralau-Rummelsburg verschleppt, misshandelt und schließlich in der Voßstraße  aus dem dritten Stockwerk geworfen, wobei ein Selbstmord vorgetäuscht werden sollte. Am 24. November 1933 starb er in einem Berliner Krankenhaus an seinen Verletzungen.  

Joseph Goebbels verbot die Bekanntgabe seines Todes und die Teilnahme am Begräbnis, das von Gustaf Gründgens bezahlt wurde. Hans Otto ist auf dem Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf beerdigt.

Apropos Goebbels: Der war ja öfter mal hier im Kiez unterwegs, u.a. auch 1931. Da trafen sich Walter Ulbricht und er mit ihren Anhängern im Saalbau hinter dem Kino am Friedrichshain. Dieser Saalbau war ursprünglich der Festsaal der Brauerei Lipps, später als Veranstaltungsort genutzt, der größere Menschenmengen fassen konnte. So wurde er u.a. für Wahlkämpfe benutzt. Bekannt wurde der Saalbau 1931, als sich Goebbels und Ulbricht hier mit ihren Anhängern zu einer Wahlkampfveranstaltung trafen, die in einem Tumult endete. Schlussendlich gingen die Anhänger mit Stuhlbeinen aufeinander los ... Im Krieg wurde der alte Saalbau zerstört und später durch ein schlichtes Gebäude ersetzt, welches wegen Baufälligkeit 1992 abgerissen wurde.

Die Hans-Otto-Straße hieß vom 15.9.1903 bis zum 4.9.1974 noch Braunsberger Straße. Braunsberg, war eine Kreisstadt in der früheren Provinz Ostpreußen, Regierungsbezirk Königsberg, heute Braniewo, Kreisstadt in der Woiwodschaft Warminsko-Mazurskie (Ermland-Masuren, Hauptstadt Olsztyn), Polen. Braunsberg wurde - als der Deutsche Ritterorden 1240 in Warmien eindrang - als Ordensburg "Brunsberge" gegründet. 

Eine ganz kleine und winzige Straße war für die Entwicklung dieser Zeitung hier einmal von Bedeutung. Jahrelang entstanden die Prenzlberger Ansichten in der Dietrich-Bonhoefer-Straße 11.  Die Straße hieß vom 11. Juni 1902 bis zum 4. September 1974 Woldenberger Straße.

Woldenberg/Neumark, ist eine Stadt in der früheren Provinz Pommern, Regierungsbezirk Schneidemühl, Kreis Friedeberg/Neumark; heute Dobiegniew, Woiwodschaft Lubuskie (Lebus, Hauptstadt Gorzów Wielkopolski/Zielona Góra), Kreis Strzelce-Drezdeno (Strelce Krajenskie), Polen. 

Johann Friedrich August von Esmarch (* 9. Januar 1823 in Tönning/Nordfriesland; † 23. Februar 1908 in Kiel) war ein deutscher Arzt und der Begründer des zivilen Samariterwesens in Deutschland. Nach ihm ist seit die gleichnamige Straße, die im ursprünglichen Bebauungsplan nur „Straße Nr.1a, Abt. XIII/1“ 

Die gegenüber der Einmündung der Liselotte-Herrmannstraße gelegene Tucholsky-Bibliothek wird, nach der offiziellen Schließung durch das Bezirksamt, bereits seit drei Jahren von freien Trägern bewirtschaftet. Schüler der Grundschule An der Marie, die ich im Januar im OKbeat zu Gast hatte, helfen in dieser Bibliothek ehrenamtlich!

Kurt Tucholsky (* 9. Januar 1890 in Berlin; † 21. Dezember 1935 in Göteborg) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller. Er schrieb auch unter den Pseudonymen Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger und Ignaz Wrobel. Tucholsky zählte zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. Als politisch engagierter Journalist und zeitweiliger Mitherausgeber der Wochenzeitschrift Die Weltbühne erwies er sich als Gesellschaftskritiker in der Tradition Heinrich Heines. Zugleich war er Satiriker, Kabarettautor, Liedtexter, Romanautor, Lyriker und Kritiker. Er verstand sich selbst als linker Demokrat, der vor der Bedrohung durch den Nationalsozialismus ständig warnte. Seine Novellen „Rheinsberg“ und „Schloss Gripsholm“ sind einfach köstlich! 1963 wurde der Stoff erstmals unter der Regie von Kurt Hoffmann mit Walter Giller, Jana Brejchová, Hanns Lothar und Nadja Tiller in den Hauptrollen verfilmt, die jüngste Verfilmung stammt aus dem Jahr 2000, unter anderem mit den Schauspielern Ulrich Noethen, Heike Makatsch, Jasmin Tabatabai und Inger Nilsson in wichtigen Rollen. Regisseur war Xavier Koller. 

Das gleichnamige Hörspiel (Rundfunk der DDR 1964) wurde 2007 mit dem Radio-Eins-Hörspielkino-Publikumspreis ausgezeichnet.

✒ Rolf Gänsrich (März 2011)