FAHRRAD-TOUREN

Routen der jüngeren Geschichte

Berlin als künftige Fahrrad-Hauptstadt Europas hat nun auch seine jüngere Geschichte fürs Erkunden per Zweirad entdeckt. Die Bezirke Pankow, Mitte und Lichtenberg bieten drei Routen, auf denen sich die DDR, die Friedliche Revolution und die Zeit danach erfahren lassen. Grenzübergreifend.

Insgesamt drei Touren sollen durch die drei Bezirke führen, thematisch gebündelt und entlang besonderer Orte oder Gebäude. Bis zum Frühjahr 2020 sollen alle drei Touren fertig sein – und für Einheimische und Touristen gleichermaßen sportlichen Geschichtsgenuss bieten. Die Touren, allesamt um die 20 Kilometer lang, sollen dann in Karten print und online zur Verfügung stehen. Darin sind neben der Route kurze Informationen zu den Schauplätzen und weiterführende Tipps enthalten. Die erste Tour „Kontraste - Orte der Opposition und Orte der Repression“ ist seit vergangenem November erfahrbar, es folgen noch “Spannungsfeld Bruderstaaten - Auf der Spurensuche der Sowjetgeschichte in Berlin“ und „Entlang der ehemaligen Mauer – Vom urbanen Berlin in die Peripherie“.

Opposition 89 Berlin Prenzlauer Berg
20 Kilometer von der Stasi bis zur Opposition: Die Fahrradroute verbindet Geschichtsorte der DDR. Repro: tic

Die „Kontraste“-Tour erradelt die Widersprüche des Staates DDR. Der Alltag war flankiert von repressiven Strukturen der Staatsmacht einerseits und andererseits von oppositionellen Bewegungen, die mutig ihren Widerspruch einbrachten und damit die Friedliche Revolution 1989 bewirkten. Die Tour führt von Lichtenberg über Pankow nach Mitte. Sie beginnt am Gefängnis Rummelsburg. 1951 bis 1990 befand sich dort die Strafvollzugsanstalt Berlin I, in dem Zehntausende Männer einsaßen, viele von ihnen aus politischen Gründen. Weiter geht es über die Erlöserkirche, in der sich Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen der DDR zu Friedenswerkstätten zusammen fanden. Ein Ort der Opposition, wie viele der Kirchen, die der Radweg weiter streifen wird. Doch zunächst mündet er an der ehemaligen Stasi-Zentrale, die heute ein Campus der Demokratie und Aufklärung ist. Mehr als 7.000 hauptamtliche Mitarbeitende waren hier einst im Spitzeldienst beschäftigt. Bei Führungen oder individuellen Rundgängen lassen sich staatliche Repression, Oppositionsaktivitäten und auch die Friedliche Revolution anschaulich nachvollziehen. 

Über die Gedenkstätte Hohenschönhausen, der einstigen zentralen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit, führt die Tour nach Pankow bzw. Prenzlauer Berg, wo sie Orte der Opposition wie die Gethsemanekirche, den Hirschhof oder den Teutoburger Platz streift. Ein erlebbarer Kontrast – in der Gethsemanekirche weisen heute noch viele Zeugnisse und Zeitzeugen auf den Friedlichen Herbst 1989 hin. Der Hirschhof als ein Zentrum der kulturellen Opposition ist als urbaner Ort des 21. Jahrhunderts nur noch mittels Audioguide als geschichtsträchtig erkennbar. Der Teutoburger Platz schließlich ist mit einer Audio-Stahlsäule als Revolutionsort gekennzeichnet. In der Fehrbelliner Straße 7 wohnten beispielsweise Oppositionelle, die 1986 die Umwelt-Bibliothek in der Zionsgemeinde gründeten. Im Atelier von Bärbel Bohley in der Fehrbelliner Straße 91 traf sich eine der wichtigsten Oppositionsgruppen, die Initiative Frieden und Menschenrechte. 

Weiter geht es nach Mitte – zur Zionskirche als Widerstandsort und Ort der Umweltbewegung und zur Elisabethkirche, die sich als selbstverwaltete Kirche von unten vor allem der oppositionellen Jugendbewegung verschrieb.

„Dem Projekt geht es vor allem darum, die Verbindungen zwischen den Ereignisorten darzustellen.“, sagte Pankows Wirtschaftsstadträtin Rona Tietje bei der Vorstellung der ersten Tour. Mittes Bürgermeister Stephan von Dassel ergänzte: „Wichtig ist, dass die Geschichte der deutschen Teilung und ihre Überwindung erfahrbar bleibt - indem auf oft geschützten Radrouten nachvollzogen werden kann, wie bizarr und grausam die Berliner Teilung war.“ 

-red-,  Dez. 2019

Mehr: www.pankow-weissensee-prenzlauerberg.berlin