Bis in die 70er-Jahre ein Frauengefängnis ... dann Supermarkt

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Bötzowkiez
Das letzte unsanierte Haus im Bötzowkiez wird jetzt saniert

In diesem Monat fangen wir in „Bezirksgrenzennähe“ an und erlauben uns den Luxus, den Prenzlberg kurz zu verlassen. Los geht´s am Königstor.

 

An jener Ecke, die früher einmal Königstor hieß, also Greifswalder Straße / Am Friedrichshain, fällt die große Kirche auf. Da wir den Georgen­kirchhof schräg gegenüber haben und somit bereits in Prenzlauer Berg sind, und da es hinter der Kirche die Georgen­kirchstraße gibt, war ich der festen Ansicht, es handele sich um die GEORGENkirche – das wäre ja nicht unlogisch! Ich habe mehrere Tage gebraucht, um herauszubekommen, dass es sich bei dem imposanten Bau um die BARTHOLOMÄUSkirche handelt. In der Georgenkirchstraße ist etwas ganz Wichtiges untergebracht: die Verwaltung der evangelischen Kirchengemeinden in Berlin und Brandenburg. Das große graue Haus hinter der Kirche, heute ein Hotel, war ehemals die Verwaltung des „VEB Kombinat Kraftwerks­an­lagenbau“.

Im Supermarkt in der Nieder­barnim-/Georgenkirchstraße arbeitete ich von 1991 bis 93. Kunden erzählten mir, dass das Areal, auf dem dieser Supermarkt steht, bis in die 70er-Jahre hinein ein Frauengefängnis war … wie passend! Erst Gefängnis – jetzt Arbeitsplatz ...

Die Georgenkirchstraße selbst war vor dem „sozialistischen Umbau“ der Berliner Innenstadt Ost länger.

Ursprünglich und noch bis in die 60er Jahre hinein lief die damalige Lenin- heute Landsberger Allee vom jetzigen „Platz der Vereinten Nationen“ aus direkt auf den Alexanderplatz zu. Und genau dort, wo die Landsberger Allee auf den Alex stieß, endete auch die Georgenkirchstraße an der Georgenkirche. Die Lenin-/Landsberger Allee wurde beim Neubau der Innen­stadt verlegt, die Georgenkirchstraße arg verkürzt und die gleichnamige Kirche – sie war im Krieg schwer zerstört worden – abgerissen und nicht mehr aufgebaut.  

Eine ganz interessante Zahl hab ich von einem Teilnehmer der Kiezspaziergänge im letzten Monat gehört. Etwa nur 4800 (viertausendachthundert!) betriebsfähige und im Einsatz befindliche Straßen-Gas-Laternen gibt es WELTWEIT noch, davon soll über die Hälfte allein in Berlin leuchten. Wie VIELE davon in Prenzlauer Berg sind, habe ich nicht erfahren können – ich wüsste auch nicht WO ... Die typischen Berliner Gaslaternen in der Nähe von Prenzlauer Berg stehen meines Wissens nach erst in der Voltastraße in Wedding.

Und noch einen Exkurs gestatten Sie mir bitte. Ich möchte auf das Denkmal im Friedrichshain am Hang zur Margarete-Sommer-Straße, vormals “Wer­neu­chener Straße“,  hinweisen. Es ist das „Ehrenmal für den gemeinsamen Kampf der polnischen Soldaten und deutschen Antifaschisten im II. Weltkrieg“. Nach meiner Kenntnis der einzige Ort in Berlin, an dem man das DDR-Emblem noch nicht vernichtet hat. Der Platz an der Margarete-Sommer-Straße gehörte ursprünglich zum Friedrichshain und wurde in den 60er Jahren dem Prenzlauer Berg zugeschlagen. Er war eine Standortalternative für den Bau des Fernsehturms. Nachdem dieser dann am Alexanderplatz stand, hatte man Pläne für einen FDJ-Palast, der sicher eine Mischung aus dem heutigen FEZ - dem damaligen „Pionierpark“ in der Wuhlheide - und dem „Palast der Republik“ werden sollte. Was man derzeit mit der Brache plant ist unklar. Allerdings wäre eine Brache der Bebauung sicher vorzuziehen. 

Wir haben im Archiv des Prenzlauer-Berg-Museum in der Mülhauser Straße wieder einige interessante Bilder für Sie ausgegraben, die wir in den nächsten Monaten veröffentlichen werden. 

Eines davon zeigt „Max Schulzes Familienheim – Bier- & Actien-Brauerei“ in der Straße „Am Friedrichshain”. Unter dem Titel „Familienheim“ firmierten damals wie heute auch Genossenschaften, die sich dem Wohnungsbau widmeten. Der Name „Max Schulze“ taucht in diesem Zusammenhang mit alten Bildern aus dem Bötzowkiez relativ häufig auf. Nun ist „Schulze“, verzeihen Sie mir, eher ein „Sammel­begriff“ als ein Name, über den man bei den Recher­chen um historische Ereignisse oder Kleinigkeiten nicht wirklich Greifbares erfährt.

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Kreativität in Kriegslücken

Ein weiteres Foto, das mich bei der Recherche im Archiv des Prenzlauer Berg Museums faszinierte, ist eine Ruine. Es müsste sich um das Eckhaus Dan­ziger/Bötzowstraße handeln. 

Etwa siebzig Prozent des Wohnraums in Berlin waren nach dem Zweiten Weltkrieg beschädigt oder vernichtet. Dabei kam der Prenzlauer Berg noch relativ glimpflich weg. Es gab nur wenige echte Bom­ben­lücken, vieles wurde erst in den Jahren danach abgetragen, beispielsweise wenn es sich nicht mehr lohnte, ein durch den Krieg beschädigtes Haus wieder aufzubauen. 

Auch auf den Nachkriegsbildern sieht man immer wieder mit Pappe und Holz vernagelte Fenster. Damit hatte es folgende Bewandtnis: Eigentlich sollten, so ein guter Rat des Zivilschutzes im „III. Reich“, die Bewohner vor den Bombenangriffen ihre Fensterflügel aushängen und in Decken eingewickelt in den Wohnungen abstellen, damit die Scheiben nicht durch die Druckwellen der Bombenexplosionen zerstört werden. Das erzählte mir jüngst ein etwas betagterer Nachbar.

Aber viele Menschen machten das in den letzten Kriegsmonaten nicht mehr. Es war kalt, es war Winter und so hofften die Anwohner, dass sie nach einem Bombenangriff, wenn sie aus den Luftschutzräumen wieder heraus durften, zurück in ihre wohlig warm geheizten Wohnungen könnten. Waren die Scheiben ganz geblieben war ja auch alles gut … bis zum nächsten Luftangriff! Aber man hatte auch vielfach Pech und die Fensterscheiben waren zerborsten, die Glassplitter in der ganzen Wohnung verteilt. Deshalb diese vielen vernagelten Fenster im und nach dem Krieg an Häusern und in U-, S-, Straßenbahnen und Bussen.

Rolf Gänsrich (Jan 2012)