Kollwitzkiez: Kaum noch Kriegslücken

Zeitschrift Prenzlauer Berg Magazin Kolle
Markenzeichen vom Kolle: Platanen und natürlich Kaffeehausstühle ...

Nicht immer ist man gleichzeitig überall im Kiez unterwegs und so ist für mich ein Rundgang mit Notizblock in einer „schwachen“ Stunde immer ganz nützlich.


In der Straßburger Straße sind neue Tiefgaragen unter der ehemaligen Königstadtbrauerei angelegt. Wie mir Anrainer sagten, seien diese aber nicht öffentlich, sondern nur für Gewerbetreibende der Umge­bung.
Einer von vielen Kreuzungsumbauten findet an der Ecke Saarbrücker Straße statt. Bis zur Metzer sind die Fassaden der Häuser in der Straßburger Straße bis hin zum Kitsch saniert. So sahen die Gebäude, als man sie errichtete, nie aus, denn die Einheitsfarbe war ein leichter Gelbton, den man bereits dem Putz der Fassaden beimischte. Eines der letzten nicht sanierten Häuser im Kiez ist das in der Nr. 21! Fahren Sie dort hin! Schauen Sie sich das an! So sah es vor zwanzig Jahren mal überall in Prenzlauer Berg aus!
Dahinter bis zur Belforter Straße stehen in einer großen Kriegslücke Q3A-Plattenbauten aus den späten 50er, frühen 60er-Jahren. Irgendwie unsinnig erscheint mir der Umbau der Einmündung auf die Belforter. Wer da als Kraftfahrer links herum will, braucht einen Schwanenhals. In der Belforter Straße 28 ist ebenfalls ein Haus im Nachkriegszustand mit sichtbaren Kriegsschäden. Grundschüler sprechen da vom „Geisterhaus“. Auch in der Kollwitzstraße 20 wird gerade eine der letzten Kriegslücken geschlossen.
Wenn man in der Schönhauser Allee Stadt auswärts an den Baustellen hinter „Ziervogels Kult Curry“ vorbei ist, gelangt man zum jüdischen Friedhof. Auf Anfrage beim NABU wurde uns berichtet, dass auf allen Friedhöfen in der Berliner Innenstadt, mit altem Baumbestand, Greifvögel (in Prenzlberg war mal von einem Bussard-Paar die Rede) nisten würden. Auch sehr viele Waldvögel würde es dort geben. Um diese Arten in Ruhe zu lassen und um zu verhindern, dass ganze Heerscharen von Schaulustigen zu diesen Brutstätten pilgerten, mögen wir uns aber in unserer Berichterstattung darüber beschränken. Teilweise würde es auch noch im und am Rande des Berliner Urstromtals eiszeitliche Vegetationsreste geben, … spezielle Moose, Flechten, Blumen oder Kräuter, die anderswo schon nicht mehr existierten und die man … vor allem vor Hundekot und zu vielen Besuchern … schützen müsse.
Die Altneubauten in der Knaackstraße 60-67 sind angeblich zeitgleich mit der Bebauung „Am Frie­drichshain“ unmittelbar nach dem Krieg entstanden. Wobei die unmittelbar ersten fertigen Wohnungen nach dem Krieg, aus dem Februar 1946, in der Hohen­schönhauser Goeckestraße stehen. Aber diese hatte man bereits vor Kriegsende begonnen.
In der Sredzkistraße wird seit vielen, vielen Monden „Erlebnis gebaut“. Ständig sind irgendwelche anderen Abschnitte der Straße gesperrt. Die hier stehenden Pappeln halten ihr grünes Laub im Herbst länger, als alle anderen Bäume.

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Schöner Ausblick: Haus direkt am Kollwitzplatz

Hundekot, Tretmienen, sind im Kiez weniger geworden. Dafür gibt es um so mehr Ratten, die im Übrigen in Berlin wieder meldepflichtig sind.
In der Sredzkistraße gibt’s noch einen richtigen Schuster, der Reparaturarbeiten ausführt. Das Haus mit der Nr. 44 ist das dritte noch unsanierte Gebäude im Kiez. Die Ecke zur Kollwitzstraße ist umgebaut, vermindert den Verkehr und behindert dadurch Lieferanten. An der Rykestraße wird eine Kriegslücke bebaut und ein Ärztehaus-Neubau steht an der Ecke Prenzlauer Allee.
In der Prenzlauer Allee ist das Mietniveau im Berliner Vergleich mit am höchsten und wohl dasselbe wie an gewissen Ecken in Wilmersdorf (erinnere an die „Wilmersdorfer Witwen“ aus dem Musical „Linie 1“ des „Grips-Theaters“).
Das BAT-Studiotheater in der Belforter protestiert mit Transparenten „Spart uns nicht weg!“
Belforter, Ecke Prenzlauer ist dann noch ein Laden, der in riesigen Plastik- und Glasbehältern „Sportler­nahrung“ verkauft, die hier wie „Smarties“ aussieht. Hektoliter weise bunte Pillen! Und ich armer Tor dachte immer, Sportlernahrung sei Fleisch, rohes Obst-Gemüse und Nudeln …!
Einen Hof entdeckte ich in der Metzer Straße ein paar Grundstücke neben dem Hotel. Dieser Hof ist riesig und zieht sich bis zur Belforter hinüber. Große Sandkästen, vergessene Plastikschaufelbagger und -förmchen zeugen von der regen Nutzung durch kleine Kinder. Auch im „Zentrum Danziger 50“ in der Danziger Straße 50 ist der neue Spielplatz vor der Grundschule endlich fertig und wird … „bespielt“.
In der Schönhauser, kurz vor der Torstraße, gibt’s, ebenfalls in einer Kriegslücke, in übereinandergestapelten Containern, so sieht jedenfalls diese „Instal­lation“ aus, eine neue hippe Galerie mit viel Ausstel­lungsfläche.
Ein Letztes noch. Früher gab es sie überall einmal, heute sind sie die Ausnahme: Läden, die so halb im Keller untergebracht sind. Diese Räume waren im Winter oft kalt und feucht und schwer zu heizen und entsprechend preiswert von der Miete her. Gemüse­läden, die ihre Waren ohnehin feucht und kühl lagern mussten, Schuster, Kohlenhändler mieteten sich dort ein. Eines der letzten Relikte dieser Zeit findet man in der Metzer Straße zur Straßburger Straße hin.
✒ Rolf Gänsrich (Nov 2012)