Kiezspaziergang

An der Michelangelostraße

Seit 2014 gibt es die Planung, entlang der Michelangelostraße neue Wohnungen zu bauen. Ein Jahr später gründete sich ein Verein der Nachbarn, die die Belange der Nachbarschaft in die Diskussion brachten. Rolf Gänsrich traf Frau Ahnis und Frau Spieker zu einem Interview.

Obwohl es der Name nahelegt, standen im Mühlenkiez nie Mühlen. Die Greifswalder Straße zieht sich entlang einer "glazialen Rinne", die bereits in der vorletzten Eiszeit entstand. Unter hohen Gletschern bildete sich Schmelzwasser, das u. a. entlang der Greifswalder Straße ins Berliner Urstromtal abfloss. Weißer, Malchower und Fauler See entstanden durch liegen gebliebene Eisblöcke. An der heutigen Greifswalder Straße war es morastig bis moorig. Dieses Tal war deshalb nicht geeignet für den Anbau von Getreide, weil dem die Wurzeln ständig weggefault wären, als Weideland hingegen schon. Die städtischen Mühlen mahlten am Mühlenberg vom Teutoburger Platz bis zum Prenzlauer Tor, auf dem Kreuzberg, im Wedding entlang der heutigen Müllerstraße und auf dem Mühlendamm in Mitte.

Ab der Reichsgründung 1871 wuchs Berlin in enormem Tempo. Ausgewiesenes Bauland wurde, so lang es noch nicht nach dem Hobrechtplan bebaut wurde, an Kleingartenvereine zur Selbstversorgung der Berliner Arbeiter verpachtet. Die meisten dieser Vereine entstanden um 1900 herum, wie z. B. im Mühlenkiez. Den Namen hat der Mühlen freie Kiez von der 1977 entlang der Protokollstrecke gebauten "Clubgaststätte" "Zur Mühle", in dessen Terrasse man Mühlsteine als Verblendung eingemauert hatte. Man wollte wohl den täglich entlang brausenden DDR-Funktionären hier ihren "Arbeiter- und Bauernstaat" vorführen. 

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Planer wollten die Stadtautobahn über die Michelangelostraße verlängern. Dieses Anliegen könnte durch den Wohnungsneubau wegfallen. Foto: rg

Der Prenzlauer Berg ist Berliner Innenstadtbereich, so wie Manhattan in New York. Anstatt den Autobahnring der A10 entlang der Michelangelostraße zu schließen, hat man die Idee, hier dringend benötigte Wohnungen zu bauen. Seit einigen Jahren sind diese Pläne konkreter und gegen eine mögliche Bebauung dieser Frischluftschneise mit ursprünglich rund 2700 Wohnungen entstand auf verschiedenen Ebenen ab 2014 Gegenwehr, die zum Teil, bei der Menge der geplanten Wohnungen, Erfolg hatte. Die Pläne sehen vor, die Straße etwas zu verlegen, von vornherein Platz für eine Straßenbahntrasse zu lassen und neben den bisher in Nordost quer zur Straße stehenden Q3A-Bauten einen Häuserriegel längs zu errichten. Außerdem soll die Anzahl der Parkplätze auf der Südostseite verringert und mit Wohnhäusern bebaut werden. Für meine Radiosendung OKbeat bei alex-berlin führte ich am 22. Februar ein Telefoninterview mit Frau Ahnis und Frau Spieker vom "Verein für Lebensqualität an der Michelangelostraße e.V." zum Thema. Sie erzählten: " ... Wir sehen unsere Aufgabe in erster Linie in der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zugunsten des Umweltschutzes bei Nachverdichtung. ... Unser Verein ist niemals gegen eine Bebauung gewesen, aber eben für eine maßvolle, vernünftige Nachverdichtung, die die Lebensqualität der Anwohner nicht beeinträchtigt. ... Wir bringen uns seit Jahren immer wieder mit sachlich-konkreten Vorschlägen in die entsprechenden Ausschüsse und Fraktionen der BVV Pankow sowie in die zuständigen Gremien im AGH ein. ... Wir erwarten eine ernsthafte Prüfung und eine entsprechende Berücksichtigung in Beschlüssen bzw. Dokumenten des Bezirksamts Pankow und des Senats. ... 1.200 Wohneinheiten sind nicht anwohnerverträglich. Der Verein hat infolge von neu hinzugekommenen bebaubaren Flächen die Möglichkeit zur Errichtung von neuem Wohnraum von 650 auf 850 Wohneinheiten erhöht. ..."

Was später einmal in welcher Stückzahl tatsächlich gebaut wird, bleibt abzuwarten. Dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt bleibt zu wünschen, dass sich der Beginn der Bauarbeiten hier nicht wie am Pankower Tor über Jahrzehnte hinzieht.

Das komplette Interview mit dem Verein ist aufgrund seiner Länge, ungeschnitten in zwei Teilen jeweils in den Nächten vom 16./17. und 23./24. März ab ca. 0.00 Uhr in "pommes rot weiß" auf www.rockradio.de im Internet noch einmal nachzuhören.

Rolf Gänsrich, März 2021