THEATER O.N.

Muss alles an Kultur raus?

Dem tradierten Ensemble des Theaters o.N. in der Kollwitzstraße wurde gekündigt. Das Theater ist den Eigentümern des Gebäudes zu laut – Ende Juli sollen die Figurenspieler und Schauspieler raus. Gegen das Ende des einzigartigen Ensembles in Prenzlauer Berg protestieren KollegInnen und ZuschauerInnen aus ganz Deutschland.

 

Mit diesem einfachen Satz beginnen inzwischen unzählige Statements: „Das Theater o.N. soll bleiben, weil… „dieses freie Theater mitten im Prenzlauer Berg einzigartig ist und seit Jahrzehnten große Theaterkunst für alle Altersgruppen schafft“, sagt etwa Annett Israel vom Kinder- und Jugendtheaterzentrum. „Weil es ein Theater für Kinder inszeniert, von dem meine dreijährige Tochter nach dem Applaus sagt, es solle jetzt aber noch nicht vorbei sein!“, sagt Peggy Mädler aus Prenzlauer Berg. „Weil es besonders kleinen Kindern in der intimen Atmosphäre des kleinen Raumes phantasievoll ein Fenster zur großen Welt eröffnet“, sagt die Theaterwissenschaftlerin Prof. Dr. Christel Hoffmann. Die Plädoyers fürs Bleiben kommen nicht nur aus ganz Deutschland, sie kommen querbeet durch die Gesellschaft - von Theaterleuten, Eltern, Kindern. Wöchentlich demonstrieren Fans des Ensembles am Kollwitzplatz für den Erhalt ihrer Spielstätte. Am offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister und den Kultursenator Berlins wachsen nahezu stündlich die Unterschriften.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Aus nach über 20 Jahren Spielbetrieb? Dem Theater o.N. in der Kollwitzstraße 53 wurde gekündigt. Foto: o.N.

Berechtigte Eigentumsinteressen kollidieren mit berechtigten Kulturinteressen. So wollen die Theaterleute den Konflikt verstanden wissen, der vor wenigen Wochen zur Kündigung des Ensembles per 31. Juli führte. Den Bewohnern des Hauses in der Kollwitzstraße 53 ist der künstlerische Betrieb zu laut. „Uns hat das ganz schön überrollt", sagt die künstlerische Leiterin Dagmar Domrös, „Aber so vollkommen überrascht hat uns das natürlich nicht." Seit zwei Jahren gibt es Auseinandersetzungen im Haus, da sich einige der Bewohner durch den Lärm des Theaters belästigt fühlen. Das Theater machte Zugeständnisse und schränkte das Abendprogramm ein. 

Noch im vergangenen Jahr band die Eigentümer GbR eine Vertragsverlängerung ab August 2017 an eine Mieterhöhung und angemessene Schallschutzmaßnahmen. Die Senatsverwaltung für Kultur, die das Theater fördert, sagte bereits die Mittel für die Mieterhöhung zu. Doch ein Maßnahmeplan für den Schallschutz, den das o.N. mit Geldern der Senatsverwaltung von einem Ingenieurbüro erstellen ließ, genügte dem Zweitgutachter der Eigentümer nicht. Einen Antrag der Künstler, mehr Zeit einzuräumen, um mit einem Zweitgutachter einen neuen Vorschlag für den Schallschutz zu erarbeiten, lehnten die Eigentümer ab. 

Der Konflikt ist keine Miethai-Geschichte. Seit über 20 Jahren teilen sich Bewohner und Theaterleute das Haus. In den 90er Jahren kauften die jetzigen Eigentümer das Gebäude und erhielten vom Land Berlin Subventionen für die Sanierung. Dafür sollten sie Raum für ein soziales oder kulturelles Projekt zu günstiger Miete zu schaffen. Die Eigentümer boten dem damals noch in der Knaackstraße beheimateten Theater o.N., der ehemaligen Gruppe Zinnober, Gewerberäume im Souterrain und Erdgeschoss an. Es entstand ein kleines Theater mit Platz für 50 ZuschauerInnen. 1996 bezog das Ensemble die neuen Räume und bietet seitdem Inszenierungen für Erwachsene und Kinder. 

Jetzt will das Theater um den Erhalt der Spielstätte kämpfen und hofft auf eine Neuauflage des Mietverhältnisses. „Dafür bitten wir Sie um Ihre konkrete und praktische Hilfe, um gemeinsam mit den Vermietern und uns eine Lösung zu finden.“, appelliert das Ensemble an den Regierenden Bürgermeister. „Wir wollen ein Berlin, in dem alle Zugang zu Kultur haben.“

-al-, Mai 2017

Mehr Informationen: www.theater-on.com