Wer hat Angst vorm Helmholtzplatz?

Wieder einmal steht der Helmholtzplatz im Mittelpunkt der Diskussionen: Weil sich Beschwerden über Übergriffe und Drogenkonsum mehrten, sehen Polizei und Bezirk sich im Handlungszwang. Und auch die Zukunft des Platzhauses wird neu diskutiert. Nach harscher Entscheidung lädt der Bezirk zum „Ratschlag Helmholtzplatz“. Das Gesprächsangebot nehmen die Anwohner nur zu gern an.

Es ist von Angst die Rede, zumindest, möglicherweise polemisch und überspitzt, im Fragebogen des Fördervereins Helmholtzplatz, der seit Dezember das Befinden von jungen und alten, neuen und angestammten, armen und reicheren Anwohnern erkunden soll. „Wer hat Angst vorm Helmholtzplatz?“ lautet die Frage, die der Verein, der sich seit 12 Jahren ehrenamtlich um das kulturelle Leben im Kiez in Gestalt des Platzhauses und seiner Veranstaltungen kümmert, an den Anfang des Fragebogens stellt.
„Ja, ich habe Angst“, sagt eine junge Mutter, die mit ihrem Kleinkind einen Bogen um den Platz macht – wegen der Menschen, die dort sitzen und trinken. „Nein, ich habe keine Angst“, sagt ein Vater. Seinen Kindern sage er, dass diese Menschen eben zum Platz gehörten. Da ist der Abend schon weit fortgeschritten und hat vor allem eines gezeigt: All die so verschiedenen Anwohner und Nutzer – die „Übermuttis“ mit ihren Kindern; die Straßenszene, die „Yuppis“ und heranwachsenden Jugendlichen, doch auch die Touristen und Kneipengänger, wollen ihren Helmholtzplatz nutzen. Die meisten von ihnen miteinander.

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Seit einigen Wochen ist das Platzhaus aus Protest gegen seine drohende Kündigung umhüllt: Jetzt kommt zwischen Nutzern und Anwohnern

Die Fakten: Seit zwei, drei Jahren mehren sich bei der zuständigen Polizeidirektion Beschwerden über Lärm und Dreck und Belästigungen, stellen die Polizeistreifen nicht nur Alkoholkonsum, auch den Konsum härterer Drogen auf dem Platz fest. Zur angestammten „Szene“ seien neue „Mehrfach-Konsumenten“ gekommen. Die Beamten schlugen ob dieser Fakten beim Bezirk Alarm. Der wiederum beschloss darauf, das Nutzungskonzept für den Platz zu überarbeiten – ausdrücklich für und mit den Beteiligten. Doch zunächst einmal kündigte er dem Förderverein den Vertrag für das Platzhaus, mit der Begründung, dessen Arbeit sei angesichts der neuen Situation nicht mehr angemessen. Die Kündigung wurde nach starken Protesten des Vereins und der Platzhaus-Nutzer zunächst für ein halbes Jahr verschoben. Die Maßnahme sei drastisch, aber nun rede man wenigstens wieder miteinander, rechtfertigte der zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner diesen Schritt. Das Miteinander-Reden soll künftig regelmäßig in Form von öffentlichen Ratschlag-Runden stattfinden.
Der Bezirk präsentierte einen Sechs-Punkte-Plan, der Förderverein Zwischenergebnisse seiner Umfrage, die die gemischte Nutzung von Platz und Platzhaus zeigen. Er zitierte zudem aus einer Senats-Statistik, die dem Helmholtzplatz keinen überdurchschnittlichen Anstieg krimineller Delikte bescheinigt. 
Folgende Punkte stellte und stellt der Bezirk zur Diskussion: Der Zustand des Platzes und der Grünanlagen soll verbessert werden. Die Pflege wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt, Müllberge häufen sich gerade nach den Wochenenden. „Wohlstandsmüll“ sagte eine Sozialarbeiterin, die viele Jahre als Streetworkerin mit der „Szene“ des Platzes arbeitete. Ein Großteil des Mülls stamme eher von den anderen Nutzern des Platzes. Nach den Vorstellungen des Bezirks soll es zudem bauliche Veränderungen mit klaren Abgrenzungen der Funktionsbereiche für die unterschiedlichen Nutzungen geben sowie ein neues, offeneres Nutzungskonzept für das Platzhaus. Polizei und Ordnungsamt wollen verstärkt präsent sein, auch sogenannte aufsuchende Sozialarbeit könnte im kommenden Jahr wieder finanziert werden.
Der Rede- und Gesprächsbedarf an diesem Abend war so groß, dass die einzelnen Punkte nicht alle behandelt werden konnten. Deswegen soll sich im März ein weiterer „Ratschlag“ anschließen. Klar ist: Sie alle wollen ihren Helmholtplatz: Als Spielfläche für die Kinder, als Liegewiese oder Sportplatz, mit Kiezfesten und kleinen Festivals, organisiert durch den Förderverein. Klar ist auch: sie wollen sich nicht bedroht fühlen aber niemanden verdrängen. Sie wollen keine Ratten auf dem Platz, wieder öffentliche Toiletten und keine überbordenden Müllberge am Montagmorgen.
Der Platz könnte, so eine Anwohnerin, zum Berliner Modell werden, dass Gemeinschaft funktioniert. „Ich möchte nicht, dass meine Kinder in einer Wohlstand-Blase aufwachsen. Ich möchte, dass sie wahrnehmen, dass es auch Menschen gibt, denen es nicht so gut geht.“
-al- (Feb 2015)