FIRMENGESCHICHTE PRENZLAUER BERG (Teil 12)

Der Güterbahnhof Eberswalder Straße

Die Eisenbahn fasziniert Kinder jeden Alters. Entsinne mich, wie ich am Tag der Eröffnung des neuen Bahnhofs Südkreuz, als ich aus der Ringbahn ausstieg, plötzlich einen altbekannten Geruch in die Nase bekam, dem ich nur zu folgen brauchte und ich dann plötzlich auf dem unteren Fernbahnsteig vor einer echten Dampflok der Baureihe 03 stand. Oder am Endbahnhof der Rügenschen Bäderbahn in Göhren bilden sich regelmäßig ganze Trauben von Schaulustigen, wenn dort die Dampflok umsetzt.

Ich glaube, am Sonntag, den 12. Juli sogar eine Dampflok auf dem Ring mit langezogenem Tuten gehört zu haben! 

Das Dampflokende vollzog sich Ende Oktober 1977 bei der Bundesbahn. Von da an bis zur Vereinigung mit der Deutschen Reichsbahn (DR) zum 1. Januar 1994 gab es auf den Strecken der Bundesbahn ein Dampflokverbot, denn die alte DB wollte modern erscheinen und da passte die Dampflok nicht mehr hinein. Bei der DR sollte bereits Ende 1976 die Dampfära vorbei sein, aber mehrere Ölkrisen, der gestiegene Ölpreis auf dem Weltmarkt und das bis dahin noch sehr unvollständig elektrifizierte Netz der DR führten ab Anfang der 80er-Jahre zu einer Renaissance der Dampflok. Erst am 29. Oktober 1988 wurde letztmals bei der DR eine Dampflok im Plandienst eingesetzt.

Seit der Gründung der DB AG wird die Dampflok wieder als Sympathieträger der Bahn angesehen, allerdings fehlen dem hochdefizitären Staatskonzern mittlerweile die Mittel, Dampflokomotiven weiterhin für Sonderfahrten fahrbereit zu halten. Trotz alledem wird das Dampflokwerk Meiningen noch immer zur Fahrzeuginstandhaltung von der DB AG betrieben und macht heute vornehmlich die Hauptuntersuchungen für die ganzen dampfbetriebenen Schmalspurbahnen in Deutschland, aber auch für ausländische Bahnunternehmen.

#Güterbahnhof #Eberswalder #prenzlauerberg
Der neu angelegte Wanderweg befindet sich auf einem einstigen Bahngleis des Güterbahnhofs Eberswalder Straße. Foto: rg

Es gab einst viele Kilometer an Bahngleisen mehr am Prenzlauer Berg, als heute. Allein auf dem Zentralviehhof lagen gut 12 km, auf dem Güterbahnhofsgelände der Städtischen Gasanstalt lagen weitere rund 5 km. Berechnet man je zwei S- und zwei Fernbahngleise der Ringbahn zwischen Scheffelstraße und Bornholmer Straße so kommt man heute auf insgesamt gerade einmal rund 25 Gleiskilometer am Prenzlauer Berg. Rechnet man aber den Bahnanschluss des Betonwerks zwischen Greifswalder Straße und Kniprodestraße dazu, dürften locker nochmals sechs Kilometer Bahngleis dazu kommen. 

In den letzten Jahren sind alle ehemaligen mechanischen Stellwerke, so gab es unter anderem eines an der Kniprodebrücke, abgerissen worden. Von dort wurden per Seilzug (ansehen kann man sich so etwas im Film „Der Zug“) die Weichen und Formsignale, aber auch die relaisgeschalteten SV-Signale und die mechanischen Fahrsperren der S-Bahn betrieben. Bedenkt man, dass jeder Bahnsteig und jedes der Stellwerke für die Güteranschlussgleise rund um die Uhr besetzt war, kann man sich vorstellen, wie viele Angestellte die DR allein am Prenzlauer Berg einst hatte. 

Der Güterbahnhof Eberswalder Str., dessen Betrieb offiziell zum 11. Juli 1985 eingestellt wurde, war ein absolutes Unikum. Er lag bereits auf Westberliner Gebiet. Zum rangieren und um überhaupt Güter zu diesem Bahnhof zu bringen, mussten regelmäßig die Züge in den Todesgrenzstreifen bis zum Bf. Bornholmer Straße hinein fahren. Die Waggons, die der Güterbahnhof Eberswalder bekam, wurden ab Beusselstraße über die Gütergleise der Ringbahn bis auf die Nordbahn zur Bornholmer Straße gezogen und dann in den Güterbahnhof Eberswalder hinein gedrückt. Das heißt, diese Güterzüge fuhren von Westberlin nach Ostberlin (Prenzlauer Berg) und wieder nach Westberlin. An der Stelle des Güterbahnhofs befindet sich heute der Mauerpark. Die Stellwerksmeister an diesem Güterbahnhof waren Ostberliner, die in Westberlin arbeiten durften, alles andere waren Westberliner.

Rolf Gänsrich, August 2020