Die Zeit der Sommermärchen ist wieder angebrochen. Doch wie es in der Realität so spielt, nicht alle Blütenträume reifen. Für Fußballfans in Berlin gab es mit dem fast perfekten Abstieg von Hertha BSC die ersten Nackenschläge und auch das vergeigte Champions-League-Finale war nicht gerade ein Hoffnungsschimmer für die kommende EM. Andere Sommermärchen halten länger, manche sogar über Jahre. So existiert in der Kollwitzstraße schon seit April 1990 die KOLLE 37, der abenteuerliche Bauspielplatz mit vielfältigen Angeboten für Kinder und Jugendliche. Dieser, als erster betreuter Spielplatz im Osten Berlins gegründet kann mit 3.500 qm Spielfläche unter freiem Himmel aufwarten. Ein Spielhaus mit Aktionsraum, Musikproberaum, Hort, Tischler- und Mehrzweckwerkstatt, sowie eine Küche vervollständigen das vom Netzwerk Spiel / Kultur Prenzlauer Berg e.V. betriebene Großprojekt. So entstand ein fortwährendes Sommermärchen mit hüttenbauenden und spielenden Kindern mitten in der City. Als Grundprinzipien seiner Arbeit benennt das Netzwerk Spiel/Kultur Offenheit, partnerschaftliches Verhältnis zwischen Kindern und Erwachsenen, ein Sicherheitskonzept zum Schutz vor sexuellen Übergriffen und die Gemeinwesenorientierung.
Aber es gibt auch Besonderheiten. 2004 wurden öffentliche Gelder für ein Miniprojekt beantragt. Eine kleine Hütte mit 7,8 qm Grundfläche entstand, neben einem Wasserspielplatz, der auch direkt von der Straßenseite aus erreichbar ist. Und damit begann etwas, dass wie ein Sommermärchen anmutet. Johannes Buttler, lange Zeit selbst mit verschiedenen Projekten im Trägerverein tätig, konnte wunderbare Waffeln backen. Ein kleiner Junge wollte daraufhin unbedingt immer wieder zum WAFFLER. Seine Lebenspartnerin Jeanette Zekina hatte daraufhin die Idee durch Eis- und Getränkeverkauf die Angebotspalette zu vergrößern. Als „Eisbüfee“ wollte sie tätig sein. Die Sterne dafür standen äußerst günstig. Der Verein erhielt die Möglichkeit, jemanden aus seiner Mitte in die Selbstständigkeit zu bringen und aus dem Bedürfnis nach Essen und Trinken erwuchs ein schmucker Kiosk. Die Pächterin Jeanette Zekina konnte langgehegte Träume verwirklichen.
Sie investierte privat 20.000 € in den Umbau, um auch den hygienischen Anforderungen des „im Charakter eines Coffeeshops“ betriebenen Kioskes zu genügen. Das alles in Absprache mit dem Trägerverein, der selbst Räume und Teilstücke seiner Flächen vermieten darf. Und der Wasserspielplatz mit „Kaffee-Kiosk“ wurde bestens angenommen. Damit die Eltern ihre spielenden Kinder nicht aus dem Sandkasten heraus beaufsichtigen müssen, stellte Jeanette Zekina noch zusätzliche Bänke und Tische auf. Alles schien bestens, viele Anwohner nutzten auch originelle Zusatzangebote wie Zwiebel gegen Wespenstiche, Pflaster für Kinder die sich geschrammt hatten, oder Eiswürfel wegen der so großen Hitze. Alles so, wie es vom Verein mit der postulierten Gemeinwesenorientierung wohl auch gemeint war.
Doch auch im Märchen gibt es jehe Wendungen. Nach drei Jahren des Einvernehmens folgte der Schock. Mit dem Winter 2011 zog Eiseskälte ein in den Beziehungen des Trägervereins zum vorgelagerten Kiosk und seinen Betreibern. Ohne sich mit ihnen abzusprechen, verhängte der Verein Verbote und Vorschriften, die bisherigen Absprachen und Gewohnheiten widersprachen. Eine der Forderungen war, „Tische, Stühle und übriges Mobiliar von der eingangsseitig links liegenden Wasserspielplatzseite … zu räumen.“ Begründet wurde es damit, dass dies eine pädagogische Nutzfläche sei … Dabei hatte der Verein gegenüber dem Bezirksamt versichert, dass der Kiosk nicht auf pädagogisch betreuter Fläche stehen soll, sondern auf einer Fläche, die als Wasserspielplatz Kleinkindern zur Verfügung steht. Das einzig pädagogisch Wertvolle wären dann doch wohl die ihre Sprösslinge beobachtenden Eltern, die sicher nicht die ganze Zeit im Sand hocken möchten. Auch andere Streitpunkte gab es plötzlich. Ein Zaun, den die Betreiberin zum Schutz des Kioskes und der verbundenen Sachwerte aufgestellt hatte, wurde ohne letzte Verständigung mit der Betreiberin weggeräumt. Auch die Öffnungszeiten des Tores zur Straße hin waren plötzlich umstritten. Die Ablehnung gegenüber dem Kiosk und seinen Betreibern geht so weit, dass auf Flyern und in sonstigen Veröffentlichungen jeder Hinweis darauf fehlt. Dabei ist der ein gutes Vorzeigebeispiel, wie ein solch attraktiver Bauspielplatz in seine direkte Nachbarschaft hineinwirken kann. Allein mit 300 Unterschriften von „Café-Besuchern“ wird für den Erhalt dieser Einrichtung geworben.
Was ist nur geschehen, dass sich so plötzlich der Wind gedreht hat? Das eine Abmahnung am 10. Mai von der Vereinsseite erfolgte mit der Ankündigung, bei erneuter Zuwiderhandlung den Vertrag zu kündigen. „Wir sind jetzt hier knallhart kapitalistisch“, soll es vom Vorstand her getönt haben. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass auch das Nutzungsentgelt zum Streitpunkt wurde, wobei für den sieben Monate im Jahr saisonal betriebenen Kiosk jetzt ganzjährig monatlich 650 € bezahlt werden sollen. Und das für 7,8 qm. Eine höhere und angemessene Miete will die Betreiberin gern bezahlen, aber eben nicht in dieser Höhe. So standen sich plötzlich zwei Seiten gegenüber: Der Verein wollte eine Zusatzvereinbarung durchsetzen, die auf Beseitigung von Tischen und Stühlen, Offenhaltung des Tores bis 22 Uhr, obwohl der Kiosk nur bis 20 Uhr geöffnet hat, Hunde- und Rauchverbot auf dem Gelände, sowie ein Verbot des Befahrens mit Kraftfahrzeugen hinausläuft. Jeanette Zekina verfasste daraufhin ein ergänzende Zusatzvereinbarung, die für die beide Seiten einen Kompromiss darstellen sollte. Dieser Entwurf einer Zusatzvereinbarung wurde vom Vorstand aber komplett abgelehnt und darauf gedrungen, die vom Vorstand vorgelegte Zusatzvereinbarung zu unterschreiben. In dieser festgefahrenen Situation, wo die Kommunikation nur noch in schriftlicher Form stattfand, wandte sich Jeanette Zekina an einen Anwalt. Das wiederum wurde vom Vereinsvorstand als Beschädigung des Vertrauensverhältnisses gewertet. Aber war das vielleicht schon früher gestört und wurde nur längere Zeit nicht bemerkt?
Der so wunderbaren Sache des Abenteuerbauspielplatzes KOLLE 37 in seiner Gänze, also mit dem beim Publikum so beliebten Kiosk wäre zu wünschen, dass ein machbarer Kompromiss gefunden wird. Das wäre dann wirklich ein Stück Sommermärchen, aber noch wichtiger sind die eigentlichen Adressaten: die Kinder. Und zuweilen auch ihre Eltern.
✒ Dieter Buchelt (Juni 2012)