WINSKIEZ

Der Fall der Bäume

Gefällte Bäume und engagierte BürgerInnen bewegen die Gemüter rund um die Immanuelkirche im Wins-Kiez. Der Fall zeigt die Möglichkeiten der Kommunikation und unterschiedliche Formen von Verantwortungsgefühl.

 

Es beginnt, zumindest für einen Großteil der Bewohner in den Straßen rund um die Immanuelkirche, mit einem Flugblatt an der Haustür. Schwarz auf weiß, computergeschrieben, im Tonfall einer Anklageschrift. Bäume auf dem Gartengelände der Kirche sind gefällt worden, ein Stück wichtige urbane Natur fiel auf dubiose Weise von Menschenhand – so der Tenor des Papiers. 

Engagierte Anwohner hatten zahlreiche dieser Flugblätter im Februar an die Türen ihrer Nachbarn geklebt, um den Vorfall publik zu machen. Der Gemeindekirchenrat hatte etwa zwölf Birken- und Ahorn-Bäume auf dem Gelände am Gottes-Gebäude fällen lassen. Aus Denkmalschutzgründen. Die Samen und Sämlinge der Bäume bedrohten das Dach bzw. hatten Dach und Gebäude beschädigt. Pfarrer und Gemeindekirchenrat hatten den offiziellen Weg gewählt: Sie beantragten beim Bezirksamt, die Bäume fällen zu dürfen. Da es sich um gesunde Bäume handelte, wurde ihnen das Fällen unter einer Bedingung gestattet. Sie müssen für Ausgleichs-Pflanzungen sorgen. Das ist ein übliches Verfahren, das von jeher die Gemüter spaltet. Die einen stört das Grün; die anderen sorgen sich darum.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Über gefällte Bäume an der Immanuelkirche empörten sich AnwohnerInnen. Foto: al

Die Sorge der Anwohner reicht über die Flugblatt-Aktion hinaus. Weil sie die „Zerstörung einer natürlichen Ressource und des Lebensraums für heimische Tiere“ nicht hinnehmen wollten, hakten sie nach: Beim Pfarrer, beim Bezirksamt. „Die Schäden am Kirchengebäude, die derzeit behoben werden, sind mit verursacht durch Birken- und Ahornsämlinge. Für den Abgang dieser Bäume wurde eine Ausnahmegenehmigung des Umwelt- und Naturschutzamtes erteilt, Ersatzpflanzungen werden auf dem Kirchengrundstück vorgenommen.“, so die kirchliche Antwort nach einem Gespräch. „erhebliche Schäden und Sanierungskosten im sechsstelligen Bereich“, seien der Grund für die Genehmigung gewesen, so die Antwort des Bezirksamtes. „Zu dieser speziellen Situation kommt hinzu, das die Immanuelkirche denkmalgeschützt ist, es hier also auch ein gesteigertes öffentliches Interesse am Erhalt des Gebäudes gibt.“

Denkmal steht über Natur – lässt sich der Fall auf diese Formel bringen? Aus Sicht der engagierten Anwohner: Ja. Für sie ist der Vorgang so wesentlich, dass sie an der Entscheidung, was auf dem Kirchengelände passiert, teilhaben wollen. „Die NachbarInnenschaft, welche in sehr enger Bebauung zum Kirchengelände wohnt, wurde zu keinem Zeitpunkt in die Pläne eingeweiht noch involviert.“ schrieben sie an die „Prenzlberger Ansichten“. Das zumindest hat der Gemeindekirchenrat nun nachgeholt – in ähnlicher Flugblatt-Weise. Per Aushang bedauerte er „die mangelnde Kommunikation im Vorfeld der Fällung von Bäumen im Kirchgarten“. Und zieht daraus Konsequenzen für eine weitere Gestaltung des Gartens, „die die Bedürfnisse und Wünsche der Gemeinde berücksichtigt und die interessierte Nachbarschaft und Öffentlichkeit einbezieht.“ Das Pflanzen neuer Bäume soll nach Abschluss derzeitiger Bauarbeiten „unmittelbar erfolgen.“

al, März 2018