GEBURTSHAUS MAJA

Hebammen wollen bleiben

Eine Institution im Norden von Prenzlauer Berg steht vor der Verdrängung: Das Geburtshaus MAJA in der Paul-Robeson. Eine neue Eigentümerin kündigte den Hebammen bzw. bot einen unbezahlbaren Mietvertrag. Die MAJA-Frauen wehren sich mit öffentlichen Kundgebungen und einer Social-media-Kampagne.

Im März diesen Jahres erfuhren die Hebammen vom Verkauf des Hauses an der Ecke Schönfließer Straße 13/Paul-Robeson-Straße 38 an einen Investor. In dem Mietshaus in Berlin Prenzlauer Berg wohnen viele langjährige MieterInnen, in den Gewerberäumen des Erdgeschosses ist seit 28 Jahren das Geburtshaus „MAJA am Arnimplatz“ untergebracht. Schon an den Fenstern ist zu erkennen, dass in diesen Räumen eine behagliche, geborgene Atmosphäre für werdende Mütter und Neugeborene herrscht. Auf den Eigentümerwechsel folgte umgehend die Kündigung der Gewerberäume zum 31. Dezember durch die neue Eigentümerin, die Aramid Immobilien GmbH & Co KG mit Sitz in München.

„Das rücksichtslose und profitorientierte Verhalten von Investoren auf dem Immobilienmarkt in Berlin und deutschlandweit ließ uns sofort nach der Nachricht vom Verkauf des Hauses aktiv werden.“, so berichtet das MAJA-Team. „Wir haben herausfinden können, dass der Antrag auf Negativzeugnis und Kaufvertrag bereits im November 2019 dem Bezirksamt Pankow vorlag.“ Der Bezirk teilte dann den betroffenen MieterInnen auf Nachfrage mit, dass aufgrund von personellen Engpässen die Prüfung einer möglichen Ausübung des Vorkaufsrechts nicht realisiert werden konnte. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wiederum konnte auch keine Amtshilfe leisten. Das MAJA-Team ist angesichts dieses Verfahrens empört: „Die Folge dieses Amts-Nichthandeln ist: Keinerlei Mieterschutz in Form einer Abwendungsvereinbarung, trotz Milieuschutzgebiet.“ Für Gewerbe wie das Geburtshaus existiert ohnehin kein Mieterschutz.

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Öffentlich protestieren die MAJA-Frauen für den Erhalt ihres Geburtshauses. Foto: MAJA

DAS INNENLEBEN

Seit 1992 ist das Geburtshaus Maja am Arnimplatz ein wichtiger Ort für selbstbestimmtes Gebären und für eine bedürfnisorientierte Begleitung von Familien. Über 4600 Geburten wurden in den Räumlichkeiten bisher begleitet. Immer wieder kehren Familien und Hebammen an den ihnen vertrauten Ort zurück. Durch eine Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt erfahren Paare bei MAJA eine sichere und ruhige Geburt, ohne überflüssige Eingriffe. 

Hausgeburt und die Geburt im Geburtshaus sind in der Philosophie der Einrichtung zwei schützenswerte Orte. Für viele Frauen inzwischen eine Alternative zur Geburtsklinik. Denn im Geburtshaus können sich die Frauen ungestört von Zeitdruck der Geburt öffnen – nach ihrem eigenen Rhythmus. Und den Neugeborenen soll bei ihrer Ankunft im Leben Geborgenheit, Schutz und Ruhe eingeräumt werden. Für diese Philosophie haben die Hebammen ein Qualitätsmanagement implementiert, das regelmäßig verbessert und auditiert wird. Solche Einrichtungen wie das MAJA gibt es in Berlin nicht viele.

 

NICHT FINANZIERBARE MIETE

Dieser geschützte Ort unweit des Arnimplatzes steht nun vor dem Aus. Die neue Eigentümerin schlägt einen Mietvertrag vor, den das Team in dieser Weise wohl nicht stemmen kann. MAJA: „Das Angebot der neuen Eigentümerin für einen neuen Mietvertrag ab 2021 zeigt klar, dass an einem langfristigen Fortbestehen des Geburtshauses kein Interesse besteht.“ Eine nahezu einhundertprozentige Mietsteigerung, dazu eine jährliche Staffelmiete von drei Prozent, kann das Non-Profit-Geburtshaus nicht erwirtschaften und nicht zahlen. Die Einnahmen eines Geburtshauses sind durch die Gebührenverordnung der Krankenkassen festgelegt. Eine Steigerung analog zur Mieterhöhung ist damit nicht machbar.

 

BREITE KAMPAGNE

„Durch den Verlust unserer Räumlichkeiten wird eine weitere Möglichkeit für eine freie Geburtsortswahl verschwinden und die Unterversorgung durch Hebammen verschärft. Das Geburtshaus ist ein Ort der Begegnung im Kiez und ein unverzichtbarer Teil der Gesundheitsförderung von Beginn der Schwangerschaft an bis zum Ende der Stillzeit.“, so plädieren die Hebammen nun seit einiger Zeit auch öffentlich mit der Kampagne „#MAJAbleibt“ in ihren social-media-Kanälen. Sie fordern u.a. den Erhalt der Geburtsräume und die Aufwertung sozialer Strukturen und selbstorganisierter Begegnungsorte. Von der Eigentümerin verlangen sie einen finanzierbaren Mietvertrag und damit eine langfristige Perspektive an ihrem angestammten Standort. Zudem fordern sie auch die zuständigen Berliner PolitikerInnen auf, Lösungen zu finden, u.a. auch einen Schutz für Gewerbe. Für diese Forderungen sind sie in den vergangenen Monaten auf die Straße gegangen. Mit bunten, lautstarken Kundgebungen – und zahlreichen Menschen aus Nachbarschaft, KollegInnen- und Bekannten-Kreis, darunter auch Mütter, die bei MAJA ihre Kinder zur Welt brachten. 

Auch via social media haben die MAJA-Frauen bereits zahlreiche UnterstützerInnen gefunden. Auch Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn twitterte: „Was das Geburtshaus Maja den Familien rund um die Geburt an Fürsorge zur Verfügung stellt, sollte Standard werden und nicht länger als netter Luxus gelten. Betongoldinteressen bedrohen auch hier diesen wertvollen Raum der Sorge. Politischer Support ist hier wichtig und richtig.“ Bleibt abzuwarten, was dieser Aussage seitens der Politik folgen kann.

-red-, Sep. 2020

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