Grundschulen
Der Bezirk kann den Zuwachs an Schülern gegenwärtig verkraften, doch künftig wird es eng
Die Zahl der Grundschüler im Prenzlauer Berg ist auch im gerade begonnenen Schuljahr wieder gewachsen. Dank zusätzlicher Gebäude haben auch die neuen Erstklässler einen wohnungsnahen Platz zum
Lernen gefunden. Doch bis 2017 wird es eng: Gebäude, Grundstücke, Geld und Personal fehlen laut Erhebungen des Bezirksamtes vor allem im Nordwesten.
Kurze Beine brauchen kurze Wege. Was wie eine Verszeile des sanften Liedermachers Reinhard Mey klingt, ist eine Prämisse der Grundschulpolitik. Sie verweist prägnant und zugleich „kindgerecht“
darauf, worum es geht: Den kleinsten Schulkindern einen wohnortnahen Schulbesuch zu ermöglichen. Keine leicht zu kalkulierende Aufgabe in einem Stadtbezirk, in dem die Bevölkerung und mit ihr die
Zahl der Schulkinder stetig wächst, sagt die zuständige Bezirksrätin Lioba Zürn-Kasztantowicz im Gespräch mit den „Prenzlberger Ansichten“.
Der Bezirk wachse ja nicht nur auf seinen Großbaustellen, er wachse auch in den vielen kleinen Baulücken, in denen neue Wohnungen entstehen. Und wie viele Grundschüler dorthin mit ihren Eltern
ziehen, das sei schwer zu berechnen. Ein Spiel mit unbekannten Kindern also für den Bezirk.
Auch im gerade begonnenen Schuljahr sind im Gesamtbezirk wieder mehr Kinder als in den Vorjahren eingeschult worden. Rund 3200 neue Erstklässler besuchen seit Mitte August die Pankower
Grundschulen. Damit trägt der kinderreichste Bezirk zur Berlin-weiten Steigerung bei. Erstmals seit 1997 stieg 2013 die Zahl der Gesamtberliner Schulanfänger wieder an.
Für den Prenzlauer Berg ist dieses Wachstum indes nichts Neues. Nach den starken Rückgängen Mitte der 90er Jahre nimmt die Statistik seit knapp zehn Jahren wieder den umgekehrten Weg. Immer
mehr Kindern kommen ins Schulalter. Grundschulen, die einst geschlossen wurden, wurden wieder eröffnet bzw. neue eingerichtet. An fünf Standorten hat die Verwaltung so neue Schulräume
geschaffen: In der Erich-Weinert-Straße, am Kollwitz- und am Teutoburger Platz, am Helmholtz-Platz und in der Danziger Straße. Damit kann die Bezirksstadträtin für das aktuelle Schuljahr
2013/2014 eine „entspannte Situation“ signalisieren, das meint: wohnortnahe Schulen und Klassenstärken von 26 Kindern.
Das kann sich schnell ändern. Folgt man den aktuellen Bevölkerungsprognosen, ist bis 2017 in Gesamt-Pankow mit einem Zuwachs von 8000 Grundschülern zu rechnen, die unbekannten Kinder aus den
Wohnungen der Baulücken nicht mitgerechnet. Doch nur für 2000 Kinder mehr bietet das jetzige System Platz. Grund genug für die Stadträtin, Alarm zu schlagen und Unterstützung und mehr Geld vom
Land Berlin zu fordern, und zwar schon für den in Kürze zu beschließenden Doppelhaushalt 2014/2015. Denn es fehlt an allem, was der wachsenden Zahl Rechnung tragen kann: An Gebäuden,
Grundstücken, Geld und Personal. Vor allem dort, wohin sich das Wachstum verlagert: In den nördlichen Prenzlauer Berg, nach Alt-Pankow und Weißensee.
So wird es auch kurzfristige neuartige Lösungen geben. Ab dem nächsten Schuljahr halten drei mobile Schulbauten im Bezirk Einzug, ab 2015 dann weitere drei. Diese Container-artigen
Unterrichtsräume, laut Zürn-Kasztantowicz „vollwertige Gebäude“, kommen jedoch nicht in Prenzlauer Berg zum Einsatz. Wegen eines Platzproblems ganz anderer Art: Die Schulhöfe, die die
Container beherbergen könnten, sind dafür zu klein.
Also müssen andere Lösungen her, vor allem für den Nordwesten, wo die Lage „sehr problematisch“ sei. Rund um Falkplatz, Wisbyer Straße, Bornholmer Straße wird es eng. Gebäude oder Grundstücke
stehen dem Bezirk für neue Schulen nicht zur Verfügung. „Da müssen wir uns was einfallen lassen“, so Zürn-Kasztantowicz.
Andere Grundschul-kinderreiche Kieze können schon auf konkrete Abhilfe hoffen. Etwa der Südosten rund um das Bötzowviertel. Ab 2015 erhält die Tesla-Schule in der Rudi-Arndt-Straße einen
Erweiterungsbau, der Raum für eine neue dreizügige Grundschule gibt.
Wenig Spielraum ist indes im angrenzenden Winsviertel. Als Standorte, die „im Auge zu behalten sind“, macht Zürn-Kasztantowicz die Grundschule an der Marie und die Grundschule in der
Heinrich-Roller-Straße aus. „Die sind schon jetzt sehr voll“.
Wohin konkret mit dem Zuwachs an Grundschulkindern im Bezirk? Der dynamischen Entwicklung bis 2017 soll der aktualisierte Schulentwicklungsplan Rechnung tragen, der im Herbst den
parlamentarischen Gremien vorgestellt wird.
Er muss auch eine weitere Tendenz berücksichtigen, mit der der Bezirk Berlin-weit einzigartig ist: Nirgendwo sonst werden so viele Kinder von der Einschulung zurückgestellt wie in Pankow. Rund
600 Kinder waren es in diesem Jahr, deutlich mehr als im Vorjahr. 2012 blieben 385 Kinder ein Jahr länger in der Kita. Das liegt weniger daran, dass die Kinder aus Amts-Sicht noch nicht
schulfähig sind, etwa wegen mangelnder Sprachkenntnisse. „Wir haben ja kaum Migrantenkinder im Bezirk“, so die Bezirksstadträtin. Es sind die Eltern, die ihre Kinder lieber noch ein Jahr länger
vor den Schulpflichten schützen wollen. Damit tut sich ein politisches Feld auf, dass Berlin-weit diskutiert wird: Die frühe Schulpflicht des Landes, die bereits Fünfjährigen das Lernen im
Klassenzimmer zutraut.
✒ Katharina Fial (Sep 2013)