DIE BEZIRKSGRENZE (37)

Volksbühne + Babylon

Auch in dieser Folge der Reihe schauen wir ein wenig über den Tellerrand des Prenzlauer Berg hinaus.

Die Volksbühne steht zwar seit weit mehr als einhundert Jahren am selben Ort, aber nicht am selben Platz. Babelsberger Platz hieß er bis 1910, dann Bülowplatz bis 1933. Genau dort erschoss der spätere Chef der DDR-Staatssicherheit, Erich Mielke, 1931 mit einem Helfer zwei Polizeioffiziere und nur wegen dieser Tat, nicht etwa wegen seiner Tätigkeit als Minister, wurde er am 23. Oktober 1993 zu sechs Jahren Zuchthaus vom Landgericht Berlin verurteilt, wovon er zwei Drittel absaß. Das Verfahren wegen des auch durch ihn verantworteten Schießbefehls an der Berliner Mauer wurde aufgrund seiner Verhandlungsunfähigkeit aber eingestellt. Mielke starb am 21. Mai 2000 im Alter von 93 Jahren.

Die Volksbühne entstand 1890 während der Gründungsversammlung des Vereins Freie Volksbühne, einem Arbeiterverein, dem vor allem Mitglieder der SPD angehörten. Sie hatte als erste kulturpolitische Massenorganisation der deutschen Arbeiterbewegung das Ziel, gesellschaftlich und sozial schwächer gestellten Bevölkerungsgruppen einen Zugang zu Bildung und zum kulturellen Leben zu ermöglichen. Als Freie Volksbühne hatte das Haus nur bis zum 17. Mai 1933 Bestand. Ab 1947 wurde sie als Volksbühne unter Hoheit des FDGB bespielt. Nach dem Mauerfall übernahm Frank Castorf, Sohn des Inhabers des ehemaligen Jalousiengeschäfts, das bis 2012 an der Ecke Pappelallee / Stargarder Straße bestand hatte. Frank Castorfs Amtszeit endete 2017. Sein Nachfolger Chris Dercon trat im April 2018 zurück. Seit 2018 wird das Haus interimistisch von Klaus Dörr geleitet.

Kino Babylon Berlin
Das Kino Babylon wurde 1928/1929 erbaut, Foto: rg

Der ursprüngliche Zuschauerraum hatte drei Ränge mit 1968 Plätzen. In den 1960er-Jahren wurde ihre Zahl auf die heutigen 800 verringert.

Ich entsinne mich noch an ein Theaterstück, das wir als Schüler im Rahmen unserer Jugendweihevorbereitsungsstunden im Frühjahr 1976 in der Volksbühne besuchten. Darin ging es um das legendäre Woodstock-Festival vom 15. bis 17. August 1969. Schon allein dieses Thema auf eine DDR-Bühne zu stellen, war für die damalige Zeit revolutionär, aber auch die Inszenierung des Stückes selbst! Erste Szene: Der Vorhang ging auf und auf der Bühne saßen auf Zuschauerrängen junge Leute in unserem Alter uns Aug in Aug gegenüber, und dann wurde klar, dass wir Zuschauer eigentlich auf der Bühne saßen, gewissermaßen hinter Janis Joplin, Jimi Hendrix und Jefferson Airplane und beobachteten, wie diese Schauspieler als Zuschauer auf das Geschehen auf- und vor der Bühne reagierten. Ich war sehr beeindruckt!

Der Volksbühne gegenüber ist das Kino Babylon, das genauso wie diese gleichfalls bis heute sehr progressiv ist. Das Gebäude wurde 1928/29 nach Plänen des Architekten Hans Poelzig errichtet und gilt als ein beispielhaftes Werk in dessen Schaffensperiode der Neuen Sachlichkeit. 1948 wurde das Haus stark umgebaut und diente danach in der DDR als Spartenkino. Am 11. April 1929 wurde das Babylon noch als Stummfilmkino eröffnet. Zur musikalischen Begleitung der Filme gab es einen Orchestergraben und eine Kinoorgel. Beim Umbau (1948) wurde der Orchestergraben geschlossen und die Orgel abgebaut.

Das Kino wird heute sowohl für Filmvorführungen als auch für Konzerte und andere Veranstaltungen genutzt. Der Titel der gleichnamigen TV-Serie ist inspiriert durch dieses Kino.

Nächsten Monat geht es um das Schönhauser Tor.

Rolf Gänsrich, Okt. 2019

www.rolfgänsrich.wordpress.com