ALTER SCHLACHTHOF

Dorf oder KongressCenter

Die Anwohner träumen von einem grünen Dorf zwischen Bundesstraße und S-Bahngleisen; eine Investorengruppe von einem Kongresszentrum und ShoppingCenter. Die letzte Brache des alten Schlachthofs an der Landsberger Allee birgt Potential für Visionen – und Interessenkonflikte. 

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Vier Hallen des alten Schlachthofs stehen noch leer - hier soll eine Kongresshalle entstehen. Anwohner stellen ihre Vision eines grünen Dorfes dagegen.

Ist das denn überhaupt noch Prenzlauer Berg? fragen die Bewohner von Kollwitz- und Bötzow-Kiez gern, wenn das Gespräch auf den alten Schlachthof kommt. Die liebevolle Spöttelei könnte bald einem vereinnahmenden Stolz weichen. Wenn die Vision der Bürgerinitiative „nichtnochncenter“ Realität wird: „Was Berlin braucht, ist ein Dorf“, verkündet die Initiative, „das vor geschäftigem Treiben der Händler pulsiert, wo die Handwerker werkeln und die Gärtner über den idealen Rosenschnitt fachsimpeln, ein Platz, auf dem immer was los ist, gelacht, getanzt, gefeiert wird, wo man alte Freunde trifft, neue gewinnt und Bekanntschaften pflegt, wo reges Kommen und Gehen herrscht und Vertrautes Bestand hat.“

Dieses Dorf könnte in und um die alten denkmalgeschützten Hallen an der Landsberger Allee 104 entstehen – da, wo Prenzlauer Berg nach Friedrichshain und Lichtenberg mündet. Vier schöne, doch marode Backsteinhallen stehen noch inmitten des verwilderten Geländes. Davor tost der Verkehr der Landsberger Allee, in Sichtweite donnert die Ringbahn über die Gleise. 

 

Eine aberwitzige Geschichte

Es sind die letzten ungenutzten Überreste des Schlachthofes, der von 1881 bis 1991 die Berliner mit Frischfleisch versorgte. Auf Initiative des Arztes und Abgeordneten Rudolf Virchow entstand der „Central-Vieh- und Schlachthof“ auf dem Gelände zwischen Thaer Straße, Eldenaer Straße und Ringbahn. Zunächst auf 38 Hektar großer Fläche, später dann erweitert, teilte sich die Anlage in einen Schlachthof mit den Anlagen zur Verwertung des Schlachtgutes und einen Viehhof.

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Schön, doch leider schön verwahrlost - Detail des alten Schlachthofs an der Landsberger Allee. Fotos (2): al

Seit 1995 wurde auf dem Gelände abgerissen und gebaut, das riesige, inzwischen denkmalgeschützte Areal Stück für Stück zu Wohnquartieren, Einzelhandelsflächen, Parks umgestaltet. Ursprünglich plante Berlin sogar ein Stück Olympia – doch ohne Olympiade erhielt der Plan nur als Velodrom auf der anderen Seite der Landsberger Allee Gestalt.

 

Von unten und von allen

Für das übriggebliebene Gelände, die vier alten Viehhallen samt Freifläche, gibt es zwei Nutzungsideen. Die Vision der Initiative: „Der alles umfassende Grundgedanke basiert auf der Entstehung und Entwicklung eines Dorfes durch die Nutzer selbst. So gestalten Anwohner und Nutzer selbst den Ort, erfüllen das Dorf mit Leben, Veränderung, Neuem und Bestand.“ Geplant ist eine gezielte Zusammenführung und Vernetzung von Handwerk, Kultur, Gewerbe, Gastronomie, Veranstaltungen, Sport, sozialem Engagement und Entspannung an einem Ort.

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Ein großstädtisches Dorf mit Kunst und Handwerk, Sport und sozialen Angeboten: Die Pläne der Initiative für die vier Hallen des alten Schlachthofgeländes. Repro: nnc

Die vorhandenen Immobilien und Flächen wollen die Macher um Doreen Bialas und Filip Stahl wie folgt nutzen: In die erste Halle soll Einzelhandel, Kunsthandwerk, Kleinhandwerk, Büro/Ateliers, Gastronomie einziehen. Die zweite Halle ist sozialen Angeboten wie Kitas, Treffs und Co-Work-Spaces vorenthalten. In der Veranstaltungshalle drei könnten Messen, Sport und Theater stattfinden. Die vierte Halle schließlich gibt Raum für Werkstätten. Auf den Freiflächen planen die Initiatoren urban gardening und Biergärten; einen Parcourpark, ein Container-Jugend-Dorf und Parkplätze. O-Ton Initiative: „Der Alte Schlachthof soll ein Marktplatz der Ideen und kreativen Strömungen werden, ein pulsierender Ort, an dem sich die verschiedensten Menschen treffen.“

 

Auf Kongress folgt ShoppingCenter

Konkret wird nun zunächst die andere Idee, eine Kongresshalle zu errichten. Der entsprechende Bau wurde vor wenigen Monaten genehmigt – im Zusammenspiel mit dem benachbarten Hotel unweit des S-Bahnhofs Landsberger Allee soll es ein internationaler Magnet werden. Geplant sind knapp 7.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche in den Hallen und rund 11.000 Quadratmeter  Einzelhandels- und Kongressflächen eines Neubaus. In Höhe und Ausmaß entspricht dies dem unweit gelegenen ShoppingCenter Ringcenter III. So sieht es auch der aktuelle Bebauungsplan vor, der auf Antrag der Bürgerinitiative nun geändert bzw. aktualisiert werden soll. Es gäbe bereits genug Einzelhandel und ShoppingCenter im Umfeld des Areals, argumentieren die Bürgerbewegten. Noch ein großflächiger Bau gefährde zudem die kleinen Einzelhändler rundum. Und auch in Sachen Verkehr wäre eine zu hohe Belastung zu erwarten.

Wird das Begehren der Bürgerinitiative nach einem grünen Dorf statt eines ShoppingCenters Erfolg haben? Nach Redaktionsschluss beschäftigten sich die Pankower Bezirksverordneten mit einem entsprechenden Antrag der Initiative auf Änderung des Bebauungsplanes. Die „Prenzlberger Ansichten“ werden darüber berichten.

Mehr auf: https://nichtnochncenter.wordpress.com/

-al-, Feb. 2017