GRÜNE ARTENVIELFALT

Biotop Prenzlauer Berg

Die Sommerhitze lässt es am eindrücklichsten spüren: Grün tut gut. In Parknähe ist es kühler und frischer, Blumen auf dem Balkon duften gegen den Stadtmief an und locken Insekten. Je mehr und reicher die Natur im Stadtteil, desto besser für alle, sagen Umwelt-ExpertInnen. Wieviel Biotop ist Prenzlauer Berg?

 

Ja, es gibt sie, die wilden Tiere in Prenzlauer Berg. Fuchs, Waschbären, Turmfalken. Fledermäuse. Haussperlinge. Die sogenannten Opportunisten – Tiere, die sich gut an eine zunächst ungewohnte Umgebung anpassen können. „Eine Wildkatze käme in der Stadt hingegen nicht klar“, sagt Katrin Koch vom Berliner Naturschutzbund NABU, „aber viele Kleinsäuger und Insekten“. 

Wie groß die Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen in Prenzlauer Berg ist, kann niemand genau sagen, da es dazu keine umfassenden statistischen Erhebungen gibt. Der NABU führt für einzelne Arten wie Vögel oder Insekten regelmäßige Zählungen in ganz Deutschland durch und ruft uns BürgerInnen immer wieder zum Mitmachen auf. In den ersten beiden August-Wochen läuft der nächste Insekten-Sommer, der den aktuellen Reichtum der kleinen Tiere dokumentieren soll

Biotop Berlin Prenzlauer Berg
Von Grün können wir nicht genug haben – Prenzlauer Berg als Biotop.

Insekten-Sommer

„Wenn Sie eine kleine dunkle Wolke sehen, nicht erschrecken. In Ruhe fliegen lassen, es handelt sich um schwärmende Bienen.“ Der handgeschriebene Zettel am Tor des Leiseparks hinter der Heinrich-Roller-Straße weist auf eine weitere Tierart hin: Bienen. „Wenn Sie freundlich sind, beobachten Sie, wo die Tiere sich niederlassen und melden es uns.“ Unterzeichnet ist der handgeschriebene Zettel mit: „Ihre Imker“. Honig wird auch seit einigen Jahren in Prenzlauer Berg produziert, in der Kleingartenanlage nahe der Bornholmer Straße beispielsweise oder gar auf manchem Dachgarten. 

Honigbienen brauchen Artenvielfalt, Wildblumen und Blühpflanzen, damit sie Honig produzieren können. Die sehen nicht nur schön aus und duften, sie locken auch andere Insekten an. Wildbienen beispielsweise. Möglicherweise gibt es davon schon einige in Prenzlauer Berg. Wer uns Menschen und der natürlichen Artenvielfalt etwas Gutes tun will, pflanzt auf Balkon oder Dachterrasse auch einige Wildblumen an, rät NABU-Expertin Katrin Koch. Manchmal gibt es von Umweltlobbyisten auch bereits fertige Mischungen in Pflanzkügelchen, die man nur in die Erde zu stecken braucht. 

„Von Grün kann man nie genug haben“, sagt auch Silke Schoppe. Die Heilpraktikerin bietet seit vielen Jahren Natur- und Wildkräuterführungen an, z.B. auf dem St.-Nicolai-/Marien-Friedhof zwischen Greifswalder Straße und Prenzlauer Allee. Ihre Erfahrung: Der Stadtteil wird reicher an Pflanzen und Kräutern. „An einer Baumscheibe in der Schönhauser Allee finden Sie heute 20 verschiedene Pflanzen, auf einem Parkplatz können es bis zu 100 sein.“ Während auf dem Land die sogenannte Biodiversität zurückgehe, nähme sie in der Großstadt zu. Woran liegt das? In der Stadt werden keine bzw. weniger chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel eingesetzt. Das lässt Grün in Ruhe und Natürlichkeit entstehen. Ein Grund, warum Imker mit ihren Bienenvölkern immer häufiger in die Stadt ziehen. Die Insekten und Vögel verbreiten die Samen im Stadtteilgebiet, von den begrünten Balkonen wehen Samen herunter. Das Grün wird bunter.

Biotop Berlin Prenzlauer Berg
Kleine grüne Insel im Stadtteil.

Wildkräuter-Wiesen

Den Naturraum Stadt entdeckt Silke Schoppe auf ihren Führungen als einen, von dem wir Menschen auf vielerlei Weise profitieren können. „Brennnessel, Löwenzahn und Beifuß haben so viel Lebenskraft, dass sie uns gut davon abgeben können.“ Als sanfte Gesundheitsmittel, als Nahrung im Salat oder Smoothie.  Schoppes Definition von Artenvielfalt heißt: „Die grüne Neune“. Wenn auf einem Quadratmeter Wiese neun Kräuter wie Gänseblümchen, Gundermann und Huflattich zu finden sind, ist sie gesund. Daraus kann dann auch ein gesunder Smoothie werden. Menschen unterschiedlicher Generationen nehmen an den Themen-Entdeckungen Schoppes teil: „Die älteren Menschen sind eher an den heilenden Kräften interessiert, die jüngeren wollen eher aus ethischen Gründen wildes Grün essen.“

Das Biotop Prenzlauer Berg als Lebensraum für viele. Die Haussperlinge, die sich hier tummeln, stehen andernorts in Deutschland auf der Roten Liste. Das zeigt, wie fragil Natur ist. Katrin Koch ist beim NABU für den Artenschutz an Gebäuden zuständig, sorgt sich um die Tiere, die in Mauern nisten. Für Mauersegler, Sperling, Fledermäuse und Co wird es gefährlich, wenn Fassaden-Sanierungen anstehen. Das Gesetz verpflichtet BauherrInnen, in solchen Fällen für Ausweich-Nistmöglichkeiten zu sorgen. Kochs Bitte: dass wir Menschen auf unsere fliegenden Nachbarn achten und Gefährdung und Verstöße beim NABU oder dem Bezirksamt melden.

Biotop Berlin Prenzlauer Berg
Je wilder die Pflanzen, umso besser für unsere Lebensqualität. Fotos (3): al

Naturraum Hinterhof

Von Natur können wir nicht genug haben, zum Wohlfühlen, als Nahrung, fürs Mikroklima. Je vielfältiger Tier- und Pflanzenwelt, desto intakter der Lebensraum auch für uns Menschen, sagt Katrin Koch. Jedes grüne Blatt macht aus Kohlendioxid Sauerstoff, jede nicht versiegelte bepflanzte Fläche fängt Regen auf und gibt Feuchtigkeit ab. StadtplanerInnen setzen deswegen auf Grün, um dem Klimawandel zu begegnen. Je heißer die Tage und Nächte, umso mehr kann Grün kühlen, reinigen. 

Machen wir Prenzlauer Berg also noch grüner und das Grün noch bunter. Mit dem Hundert-Höfe-Programm der Grünen Liga beispielsweise. Das fördert Menschen, die aus ihren Hinterhöfen grüne Oasen machen wollen. Einen Musterhof mit großer Artenvielfalt gibt es bei der Umweltinitiative zu besichtigen. Mehr Grün bieten Baumscheiben-Bepflanzungen, Wildblumenmischungen auf dem Balkon oder Efeu an der Hausmauer. Mehr Grün heißt auch mehr Respekt: Sorgen wir in trockenen Zeiten dafür, dass Wasser auch für die Bäume und Tiere der Stadt zur Verfügung steht. 

-al-,  Juli 2019