MIETENDEMO

„Wohnraum ist keine Ware“

Mietenstopp! Mit dieser Forderung steigt eine große Demonstration am 11. September in Berlin. Der deutschlandweite Protest soll vor der Bundestagswahl auf das ungelöste Problem steigender Mieten aufmerksam machen. Auskünfte dazu vom Mietervereins-Chef Reiner Wild. 

Es war absehbar. Mit dem Verlust des Mietendeckels steigen die Mieten wieder. „Mieterinnen und Mieter sehen sich wieder mit Mieterhöhungen konfrontiert“, sagt auch Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Im April 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel nach nur wenigen Monaten Gültigkeit gekippt. Das Land Berlin habe dafür keine Gesetzgebungskompetenz, so die Begründung, Mietgesetze seien Sache des Bundes. Mit dem Sondermodell hatte die Hauptstadt die Mieten auf dem Niveau von 2019 eingefroren. „Jetzt liegt der Ball klar beim Bund“, so Wild, dessen Mieterverein 180.000 Mitglieder in Berlin vertritt. Verschiedene gesellschaftliche und politische Stimmen hatten sich direkt nach dem Urteil für einen bundesweiten Mietendeckel stark gemacht.

 

WIDER DEN MIETENWAHNSINN

„Der Mietendeckel ist ein sinnvolles Instrument“, sagt auch Reiner Wild. Denkbar wäre, dass die Bundesregierung den Ländern qua Gesetz spezifische Regelungen für ländereigene Mietendeckel ermöglicht. Die Diskussion um das Instrument ist in den vergangenen Monaten ruhiger geworden, wenn nicht gar nahezu verstummt. Dafür, dass die Mietenfrage wieder stärker ins politische Bewusstsein rückt, rufen zahlreiche Initiativen zur Bundes-Mietendemo in Berlin auf. Am 11. September, 15 Tage vor der Bundestagswahl, fordert der Protest ein „Wohnen für alle“. Das Bündnis, dem neben Mieterverein und Mieterbund zum Beispiel auch die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ angehört, fordert einen radikalen Kurswechsel der gegenwärtigen Politik: „Überall sind Menschen von explodierenden Mieten betroffen, werden zwangsgeräumt oder finden keine Wohnung. Die Wohnungslosigkeit nimmt weiter zu und damit auch die Zahl derer, die ganz ohne Unterkunft auf der Straße leben.“, so die Bestandsaufnahme des Bündnisses, mit der sie zur Teilnahme an der Demonstration aufrufen. 

Los geht es an diesem Tag 13 Uhr mit einer Kundgebung auf dem Alexanderplatz, anschließend führt der Protestmarsch zur Straße des 17. Juni, wo die Abschlusskundgebung stattfindet. 

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Wohnen wird immer teurer – dagegen richtet sich der Mietenstopp-Protest am 11. September. Foto: al

MIETSPIEGEL WIRD NICHT AKZEPTIERT

Wie ist die aktuelle Situation? Steigende Mieten einerseits, Menschen mit krisenbedingt sinkendem Einkommen andererseits. „Die Vermieter sind eindeutig die Pandemiegewinner“, so Reiner Wild. Viele hätten Wohnraum zurückgehalten, den sie nun wieder ungefiltert auf den Markt bringen können. Zwar gibt es in Berlin den Mietspiegel mit Mietobergrenzen, doch wird der von vielen Eigentümer:innen nicht akzeptiert. Eine anderer Taktik: Wohnraum möbliert, und damit teurer zu vermieten. 

Für Prenzlauer Berg trifft Wild eine nicht weniger beunruhigende Diagnose. Menschen mit niedrigem Einkommen können sich die Mieten hier ohnehin schon länger nicht mehr leisten. „Wir haben auch viele mit mittlerem Einkommen, für die es knapp wird“, so Wild. Auch diese müssten geschützt werden. Die Negativmeldungen reißen nicht ab. Immer wieder sorgen sich Bewohner:innen um ihre Wohnungen, wenn Häuser verkauft werden. Jüngstes Beispiel: die Choriner Straße 12. Dort können indes nach monatelanger Unsicherheit und Protestaktionen die Mieter:innen von insgesamt 13 Wohneinheiten, des Spätis und einer Kneipe aufatmen. Der Bezirk hat das Vorkaufsrecht gegenüber einem Privatinteressenten ausgeübt. Das Haus wurde zugunsten der Wohnungsbaugenossenschaft „Bremer Höhe“ erworben. Begründung des Bezirks: „Angesichts der Tatsache, dass eine Aufteilung in Wohn- und Teileigentum bereits mit Vollzug des Kaufvertrags möglich wäre, hätten die Mieter:innen ansonsten mit Verdrängung rechnen müssen.“ 

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Reiner Wild ist langjähriger Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Foto: BMV

Die Bewohner:innen des Blocks in der Malmöer/Paul-Robeson-Straße hatten nicht so viel Glück. Ihr Haus ging ohne Bezirks-Unterstützung an einen schwedischen Immobilienkonzern, nun bangen sie, wie es weitergeht. Eine gemischte Bewohnerschaft: Viele wohnen seit Jahrzehnten dort.

 

AM GEMEINWOHL ORIENTIEREN

Wo also liegt der Handlungsbedarf? Eine Mietenpolitik, die dem ungehinderten Preisanstieg vernünftig und gerecht Einhalt gebietet, ist das eine. Das andere: „Wir brauchen ein größeres Angebot an bezahlbarem Wohnraum“, so Mietervereins-Chef Wild. Denn zahlreiche der neugebauten Wohnungen seien entweder Eigentumswohnungen oder eben teure Wohnungen. Dies zu ändern, müssten zum Beispiel mehr gemeinwohlorientierte Vermieter:innen auf dem Markt etabliert werden. Dazu gehören auch Genossenschaften, wie etwa die „Bremer Höhe“. 

„Wohnraum ist keine Ware, der Markt muss reglementiert werden“, so Wild. Dafür brauche es auch ein Umdenken bei Hauseigentümer:innen: „Den renditeorientierten Vermietern muss der Spaß an der Mieterhöhung vergehen.“

red, September 2021

Mehr zur Mietendemo am 11. September in Berlin: http://mietendemo.org/