OBDACHLOSENZEITUNG

Aus für „strassenfeger“?

Kein Geld mehr für den „strassenfeger“. Der Verein „mob e.V.“ stellt seine Obdachlosenzeitung ein – nach 24jähriger Prenzlauer Berger Geschichte. Obdachlose verkaufen den „strassenfeger“ in ganz Berlin. Auch das „Kaffee Bankrott“ des Vereins wird vorläufig dicht gemacht. Möglicherweise gibt es für beide eine zweite Chance.

 

Die Nachricht schreckte vor wenigen Tagen die Presse der Hauptstadt auf. Der „strassenfeger“ wird eingestellt. Das Trauern der professionellen Kolleginnen und Kollegen um das Blatt zeigt, wie ernst sie die Obdachlosenzeitung auch als Medium nahmen. Der „strassenfeger“ präsentiert dreiwöchentlich gut gemachten, informativen und einfallsreichen Journalismus. Die Themen des Blattes seit über 24 Jahren: Die sozialen Wunden dieser Stadt und des Landes; Politik, Alltag, Reportagen aus dem Leben auch jenseits der Straße. Der „strassenfeger“ verbindet Journalismus mit sozialem Engagement. Obdachlose verkaufen die Zeitung in ganz Berlin – und verdienen sich damit einen Teil ihres Lebensunterhaltes. „Arme Menschen sollen nicht nur auf Almosen und Spenden angewiesen sein, sie sollen selbstbestimmt arbeiten können“, so das Plädoyer des Vereins „mob – Obdachlose machen mobil“ für das Straßen-Journalismus-Projekt. Vielen Obdachlosen gäbe der Verkauf eine Struktur, einen Arbeitsalltag. Bis zu 500 Verkäuferinnen und Verkäufer hatte die Zeitung, die zuletzt mit einer Auflage von rund 10.000 Stück pro Ausgabe erschien.

Kiezzeitung Berlin Prenzlauer Berg
Straße als Bühne – die Fete de La Musique gibt’s in diesem Jahr wieder an Kreuzungen, Bars, in Clubs. Foto: Kai Bienert

Vorbei, „vorläufig“, wie der Vereinsvorstand mitteilt. Finanzielle und personelle Ressourcen des Vereins reichten nicht mehr aus, um eine Redaktion zu betreiben. So lautet die offizielle Begründung für das „strassenfeger“-Aus. Zudem sei die Vertriebsstruktur „desolat“, der Absatz deutlich gesunken und es sei über mehrere Jahre nicht gelungen, Verkäufer vor Übergriffen zu schützen. Der Beschluss des Vereinsvorstandes ist eine nicht unumstrittene Entscheidung. Redaktionsmitglieder des „strassenfeger“ hatten verschiedene Modelle diskutiert, wie das Projekt zu retten sei. Die meisten von ihnen arbeiten ehrenamtlich für das Blatt. 

Neben der Zeitung trifft es auch eine weitere Einrichtung des Vereins. Das „Kaffee Bankrott“ in der Storkower Straße soll – vorläufig – geschlossen werden. Auch für diesen Treffpunkt reichten Gelder und Mitarbeitende nicht mehr aus. Obdachlose und Geringverdienende fanden im „Kaffee Bankrott“ einen Ort, an dem sie günstig Kaffee und Speisen erhielten, Beratung in Anspruch nehmen konnten.

 „Dies war keine leichte Entscheidung für die Mitglieder und den Vorstand. Wir möchten die Vereinstätigkeiten zukünftig nach dem Motto Qualität statt Quantität weiterbetreiben“, sagt Mara Fischer vom „mob“-Vereinsvorstand. Die jetzt geplante temporäre Schließung des Cafes soll der Sanierung und Konsolidierung des Vereins dienen. In den bisherigen Räumen des Cafés und der Redaktion des „strassenfeger“ in der Storkower Straße soll nun eine Notquartier für Familien eingerichtet werden. Dafür will „mob“ öffentliche Gelder beantragen – für den Betrieb einer Zeitung existieren solche öffentlichen Mittel nicht. Doch lässt der Verein eine Chance sichtbar werden. „Für strassenfeger und Kaffee Bankrott planen wir langfristig einen Weiterbetrieb“. Dafür sei der Vereinsvorstand mit mehreren Anbietern im Gespräch, u.a. mit dem gemeinnützigen Verein „Karuna“. 

Möglicherweise finden einige der „strassenfeger“-Verkäufer übergangsweise beim zweiten Obdachlosen-Blatt Berlins einen neuen Job. Der „motz“-Chefredakteur jedenfalls ermunterte sie, zu seiner Zeitung zu wechseln. Seiner „motz“ gehe es finanziell gut.

-al-, Juli 2018