BÖTZOWKIEZ

Wohnmodell in smart

In der Pasteurstraße steht ein facettenreiches Wohnensemble, das einen Supermarkt umrahmt. Als beispielhaft herausragende Architektur steht es auf der Kandidatenliste für den Preis für Architektur in Deutschland. Zum Festival „MakeCity“ im Juni öffnet es sich Besuchern.

 

Die Fassade in metallic, leichte gerade Fenster- und Balkon-Fronten. Das Dach überragt ein wenig die neben ihnen stehenden Gründerzeithäuser. Das Haus in der Pasteurstraße 19-25 ist ein Hingucker – schon, weil es als sogenannter Lückenschluss die Häuserzeile der schmalen Straße im Bötzow-Kiez zusammenfügt. Es ist ein Teil der Gebäude und doch in gewisser Weise ein Solitär. Seine Anmutung in metallic behagte nicht jeder und jedem, als der Komplex vor rund eineinhalb Jahren fertiggestellt und bezogen wurde. Zu protzig, zu kalt – so die Stimmen derjenigen, die die Pasteurstraße 19-25 eher als Störfaktor im Gründerzeit-Kiez empfanden.

Seine Eigenart offenbart der Komplex im Inneren. Hinter dem Haupthaus gruppieren sich drei Gartenhäuser um einen begrünten Hof. Sie sind unterschiedlich groß, auch sie in klaren, geraden Formen und mit lichten Fassaden – der Begriff Wohnkubatoren bezeichnet die Form sehr treffend. Der Innenhof des Ensembles liegt auf dem Dach des Supermarktes – er bildet einen Garten, als Aufenthaltsort für die Bewohnenden. Drunter, auf rund 4.000 Quadratmetern Fläche, bietet der Markt Lebensmittel für die Einwohner des Kiezes.

Zeitung Prenzlauer Berg Magazin
Ein sogenannter Lückenschluss – Wohnungen über Supermarkt in der Pasteurstraße 19-25.

Beispielhafte Verdichtung

Verdichtung, Nachbebauung, gemeinschaftliches Wohnen – all die Schlagworte der Berliner Stadtplanung sind in diesem Gebäude vereint. Die Versuche, die wachsende Stadt mit ihren nötigen Funktionen auf dem vorhandenen Stadtraum unterzubringen. Als am 7. November 2014 der Bau begann, lagen hinter der Bauherrengemeinschaft längere Verhandlungen mit dem Bezirk. Der Supermarkt auf dem Gelände, eine ehemalige typische DDR-Kaufhalle, sollte als Markt für den Kiez erhalten bleiben – trotz neuer Nutzung als Wohnstandort. So entstand das Modell des integrierten Marktes – der Laden selbst zog während der zweijährigen Bauzeit in ein Ausweichzelt auf die Werneuchener Wiesen.  

Nun also möglicherweise ein Preis für herausragende Architektur in Deutschland. Die undotierte Statuette des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt erhielten bisher zwei Berliner Projekte: Das sanierte Neue Museum auf der Museumsinsel und der Ostflügel des Museums für Naturkunde.

 

Gehobener Wohnanspruch

„Smarthoming“ nennen die Gestalter „zanderrotharchitekten“ das Konzept, das der Pasteurstraße 19-25 zugrunde liegt. Das Büro hat seinen Sitz in der Dunckerstraße – Smarthomings hat es in der Christburger Straße im benachbarten Wins-Kiez gebaut, in der Zelterstraße, in Berlin-Mitte und Weißensee. Die Branchen-Plattform Baunetz nennt Smarthoming eine beliebte Bauweise für  „Bauherren der gehobenen Berliner Mittelschicht“. Das Konzept meint weniger die architektonische Handschrift denn die Besitzverhältnisse. Die Neubauten gehören Eigentümergesellschaften, die sich vor dem Bau zusammenschließen und Bauherren-Gemeinschaften bilden. Das hat inhaltliche und finanzielle Gründe. Die Eigentümer bestimmen die Funktionalität ihres künftigen Lebensraumes gemeinsam mit; sie nutzen gemeinsame Wirtschaftskraft. „Anspruchsvolle Architektur in bester Lage zu bezahlbaren Preisen“ nennt die Smarthoming GmbH, die koordinierende Gesellschaft, die Intention dieser Bauweise.

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Farbenspiel am Vorderhaus: je nach Lichtsituation erscheint die Fassade metallic, dunkel oder hell. Fotos (2): al

Reparatur einer beschädigten Stadt

Zum Architektur-Festival „Make City“, dem Fest, das städtebauliche Visionen erfahrbar macht, öffnet sich das Gebäude mit 51 Wohneinheiten für Neugierige. Am 20. Juni führen ab 10 Uhr die Architekten durch das Areal in der Pasteurstraße 19-25. Seine Spezifik fassen „zanderrotharchitekten“  im Branchen-Sprech zusammen: „Es ist eine innerstädtische Nachverdichtung, aber vor allem die Reparatur einer beschädigten Stadt.“ Die Metallic-Fassade des Vorderhauses mit steuerbarem Sonnenschutz erscheine „je nach Tageszeit, Beleuchtung und Sonneneinstrahlung offen und geschlossen, leicht und schwer, hell und dunkel.“ Auf diese Weise schaffe die Fassade die Verbindung zwischen Innen- und Außenraum. Und drinnen, im Innenraum, lassen sich die drei Gartenhäuser mit ihren verschiedenen Wohnformen und Wohngrößen besichtigen. Es ist eine Mischung aus drei- bis sechs-Zimmerwohnungen auf 60 bis 200 Quadratmetern Fläche, mit raumhohen Fensterflächen, mit kleinen, begrünten Höfen.

-al-, Juni 2018