ALTERNATIVKULTUR

Kein Haus weniger

Ohne seine alternativen Haus- und Kulturprojekte wäre Berlin lediglich die Stadt, in der mal die Mauer stand. Sie wäre sozial, politisch und kulturell um Vieles ärmer. Die Initiative „Kein Haus weniger“ für Alternativkultur hat die Unterstützung prominenter KünstlerInnen.

Mit Unterstützung prominenter Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur kämpft die Initiative „Kein Haus weniger“ in Berlin für den Erhalt von alternativen Haus- und Kulturprojekten. Zu den UnterzeichnerInnen eines entsprechenden Aufrufs gehören unter anderem die Autorinnen Elfriede Jelinek und Sibylle Berg, die Choreographin Sasha Waltz und die Sängerin Nina Hagen. Auch Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow, Regisseur Leander Haußmann, der Journalist Günter Wallraff und die Intendanten Thomas Oberender, Thomas Ostermeier und René Pollesch treten mit der Initiative für den Erhalt von Alternativkultur in den Berliner Bezirken ein. Rund 90 VertreterInnen der etablierten Kunst- und Kulturszene unterzeichneten den Offenen Brief der Initiative bis Ende Januar.

Die etwa 50 alternativen Aktiven fordern, mit prominenter Unterstützung, Bestandsschutz für alle sozialen und kulturellen Projekte und wirksamen Schutz vor Verdrängung für Kleingewerbe. Alle drohenden Zwangsräumungen sollen zudem ausgesetzt werden. Auch Prenzlauer Berger Initiativen gehören zum Verbund „Kein Haus weniger“. Die „BAIZ“-Kultur- und Schankwirtschaft auf der Schönhauser Allee, der Infoladen „Bandito Rosso“ in der Lottumstraße und das Hausprojekt „Fehre 6“ in der Fehrbelliner Straße, dazu die Haus- und Kulturprojekte in der Kastanienallee 77, 85 und 86. Ihre Geschichte reicht, wie viele im Osten Berlins, bis Anfang der 90er Jahre zurück. Die im Westteil der Stadt bis Ende der 70er.

Hausbesetzer Berlin Prenzlauer Berg
Kein Haus weniger: Die Berliner Alternativkultur plädiert für ihren Erhalt. Grafik: KHW

„Tausende Menschen finden in Hausprojekten bezahlbaren Wohnraum ohne Angst vor Verdrängung haben zu müssen. Die Häuser und Projekte bieten zudem eine elementar wichtige Infrastruktur für ihre Nachbarschaften. Hier finden sich Räume für Mietberatungen, politische Vernetzung, kulturelle Veranstaltungen und Orte zum Verweilen ohne Konsumzwang.“, beschreibt „Kein Haus weniger“ seine Daseinsberechtigung und seinen Sinn. Die Geschichte der Besetzungen in Berlin sei eine Erfolgsgeschichte. Die zahlreichen Instandbesetzungen vor mehr als 40 Jahren verhinderten beispielsweise den Komplettabriss des Kreuzberger Kiezes „SO36“. 1981 waren 168 Häuser in Berlin besetzt, davon 86 in Kreuzberg. In den folgenden Jahren konnte die Besetzungswelle die bestehende Bausubstanz und die kleinteilige Kiezkultur Kreuzbergs bewahren. Berlinweit wurden bis zu 100 der besetzten Häuser legalisiert, viele von ihnen erhielten für ihre Sanierung Gelder aus dem Senatsprogramm „Bauliche Selbsthilfe“. Auch heute noch gelten Genossenschaften und Selbstverwaltung, wie sie beispielsweise das Mietshäusersyndikat fördert, als sicherster Schutz vor Mieterhöhungen und Verdrängung.

DIe nächste Besetzungswelle belebte ab 1990 unzählige leerstehende und verfallene Häuser in Ost-Berlin. Nach einer Verhandlungsoffensive standen Verträge für etwa 100 Häuser in Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain. Die alternativen Projekte prägten und prägen bis heute den Charakter ihrer umliegenden Viertel.

„Stadtmarketing, Ferienwohnungsplattformen und Immobilienkonzerne bedienen sich der Berliner Subkultur des widerständigen und alternativen Lebens für den Verkauf eines rebellischen Images. Dem widersprechen wir entschieden: Wir sind nicht die Fassade eures Verwertungsmarktes. Wir sind der lebendige Beweis dafür, dass sich selbstbestimmtes Leben und soziale Räume nicht mit, sondern nur gegen Profitinteressen durchsetzen lassen. Dass nun immer mehr Projekte auf die Straße gesetzt werden sollen, werden wir nicht akzeptieren.Wir sagen: Jetzt ist Schluss! Kein Projekt, kein Haus weniger!“, so die Initiative.

-red-, Febr. 2020

Mehr auf: keinhausweniger.info