Unbekannte Ecken (12)

Lilli-Henoch-Straße

Nachrichten Prenzlauer Berg Magazin

Die Straße zweigt stadteinwärts (also in Richtung Fernsehturm gesehen) etwa fünfzig Meter hinter dem S-Bahnhof Greifswalder Straße nach rechts in den Thälmannpark ab. Das Wohngebiet entstand ab 1984 auf dem Gelände der ehemaligen IV. Berliner Gasanstalt, die von 1873 bis 1981 in Betrieb war. Auf dem „X. Parteitag der SED“ im April 1981 wurde beschlossen, anlässlich des 100. Geburtstages von Ernst Thälmann am 16. April 1986 und der 750-Jahr-Feier Berlins 1987 das ehemalige Gaswerksgelände in ein Wohngebiet mit großem Park umzuwandeln. Maßgeblicher Architekt war Erhardt Gißke, der als „Direktor der Aufbauleitung Sondervorhaben der Hauptstadt Berlin“ maßgeblich an der Realisierung repräsentativer Bauwerke beteiligt war. Die heutige Lilli-Henoch-Straße war mit Beginn der Abbrucharbeiten der Gasanstalt erst einmal nur eine Baustellenausfahrt, ... so kenne ich sie noch, als ich 1983 in diese Gegend zog. Aus meiner Berufsschulzeit fünf Jahre zuvor kenne ich an jener Stelle nur eine Feuerwehrzufahrt. Ab 1984 benannte man diese Straße nach Wilhelm Florin (* 16. März 1894 in Köln; † 5. Juli 1944 in Moskau). Er war KPD-Politiker und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Die Straße wurde am 1. Februar 1993 nach Lilli Henoch umbenannt. Sie wurde am 26. Oktober 1899 in Königsberg geboren, starb am † 8. September 1942 bei Riga und war eine deutsche Leichtathletin und Turnlehrerin. Mit dem 19. „Judentransport“ am 5. September 1942 wurde Lilli Henoch zusammen mit ihrer Mutter in das Ghetto von Riga deportiert, welches sie jedoch nicht erreichte. Acht Kilometer vor Riga wurden sämtliche Insassen des Zuges in ein Waldgebiet geführt und erschossen.
Die Wohnhäuser in der Straße wurden vom WBK, die Schwimmhalle vom BMK IHB gebaut. Aus berufenem Munde weiß ich, dass die Baufirma der Schwimmhalle dieser wegen des schwierigen Untergrundes, schlechten und fehlenden Materials nur eine Lebensdauer von fünf Jahren voraussagte.
Interessant sind die Hausnummern der Lilli-Henoch-Straße. Es beginnt von der Greifswalder Straße aus links mit 1, 3, 5 … die Punkthochhäuser sind 19 + 17 (genau in dieser Reihenfolge). Die Schwimmhalle ist Nr. 20. Alle anderen geraden Hausnummern fehlen. Einige Baracken auf dem Güterbahnhof, nicht aber der Güterbahnhof selbst, sind die Nr. 21. Ich werde in einer der nächsten Folgen an dieser Stelle einmal versuchen, das undurchschaubare Hausnummernsystem in Berlin für Sie zu entwirren.
Rolf Gänsrich (Okt 2014)