MAUERFALL-JUBILÄUM

Graustufen, viele

Es schreitet auf uns zu, dieses Datum, dieses große Jubiläum. 30 Jahre Mauerfall am 9. November. Im August vor 30 Jahren war die große Fluchtwelle der DDR-Bürger über die osteuropäischen Nachbarländer gen Westen in vollem Gang. Die Ausstellung „Graustufen“ blickt auf die Zeit vor der Flucht: Auf den DDR-Alltag von zwei Jahrzehnten.

 

Die Sonderausstellung „Graustufen. Innenansichten aus der DDR“ vereint Fotos von Jürgen Hohmuth mit Texten und Objekten zu einer Poesie des DDR-Alltags der 70er und 80er Jahre. Sie ist bis zum 19. Januar 2020 im Kulturzentrum Sebastian Haffner zu sehen – also über das Mauerfall-Datum hinaus.

Die Ausstellung zeigt den Alltag der DDR aus drei Perspektiven: Fotos, literarische Texte und historische Objekte. Die größtenteils schwarz-weißen Fotos des Fotografen Jürgen Hohmuth dokumentieren ein Panoptikum von Szenen des DDR-Alltags, zeigen Wohnungen, Läden, Arbeitsstätten, Freizeitplätze und Menschen in komischen, ernsten und politisch geprägten Alltagsszenen. Alte, mürrische Männer sind darunter in ihren Kleingärten; Menschenmassen bei den zahlreichen offiziell verordneten Kundgebungen und Demonstrationen. Frauen im Stadtbild, pausierend, oder im Urlaub an der Ostseeküste – pragmatisch gekleidet. Viele Kinder fotografierte Hohmuth, anarchisch, fröhlich, spielend. Punks und die DDR-Untergrund-Bewegung sind ebenso Motive seiner Fotos wie private inoffizielle Feste in Stadteilen, am Kollwitzplatz. 

Mauerfall Berlin Prenzlauer Berg
Die Ausstellung „Graustufen“ gibt Einblicke in den DDR-Alltag. Foto: Museum Pankow/Hohmuth

„Ja, neben den Militärparaden und dem Spalierstehen gab es diese Feste, gab es eine Sehnsucht, die sich nicht einsperren ließ“, schreibt Regina Scheer im Vorwort zum gleichnamigen Buch Hohmuths, das der Ausstellung zugrunde liegt. Wie im Buch werden die zeithistorischen Fotos von DDR-LiteratInnen aktuell kommentiert. Gedichte, Romanauszüge, Anekdoten, Erzählungen und historische Objekte stehen in Wechselwirkung mit den Fotos und setzen das Heute mit der Vergangenheit in Bezug.

Was zeigt die Ausstellung also? Vielleicht, wie es das Bezirksamt in seiner Pressemitteilung textet: „Meist unumstritten ist, dass der lange Arm des Staates durch seine Organisation und Kontrollmechanismen in sehr weiten Teilen bis tief ins private Leben der Bevölkerung reichte und es prägte. Demnach lieferte der Alltag den Rahmen für Anpassung und Widerstand seiner Bürgerinnen und Bürger. Er zeigt wie eine Blaupause die Beziehung zwischen Staat und Bürgern auf und verweist somit beständig vom Privaten auf das große Ganze des Systems.“

Den Widerstand der BürgerInnen nimmt eine weitere Ausstellung in den Fokus, die als mobile Schau durch Pankow tourt. Gegenwärtig noch ist sie auf der Freifläche des Kulturzentrums zu sehen: „Über das Nein hinaus. Die radix-blätter. Ein Berliner Untergrundverlag 1986-1989“ im BrotfabrikKulturwagen.  Die Ausstellung erzählt anhand von Texten, Fotografien, Tonaufnahmen und Objekten die Geschichte der radix-blätter. Sie stehen exemplarisch für die konspirativen Untergrundverlage und -Druckereien, die seit den 80er Jahren in privaten Wohnungen und Ladengeschäften Ostberlins nicht-systemkonforme Texte und Kunstwerke vervielfältigten und verbreiteten. Die radix-blätter versuchten, unterschiedliche Stimmen zur geistigen, kulturellen und politischen Situation in der Spätphase der DDR zu vereinen und dabei einen Diskurs von Opposition und Kunst anzustoßen.

-al-,  Aug. 2019

„Graustufen“ ist eine Kooperation des Museums Pankow mit dem Berliner Geschichtsverein Nord-Ost, unterstützt durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die Ausstellung ist bis 19. Januar 2020 zu sehen im Kulturzentrum Sebastian Haffner, Prenzlauer Allee 227/228. Dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.