MACHER IN PRENZLAUER BERG

Kunst, die Gemeinschaftsstifterin

Einfach machen. Künstlerinnen und Künstler aus Prenzlauer Berg werden gemeinsam sichtbar. Die „KunstKlikke“ stiftet Leben und Vielfalt – rund um den Helmholtzplatz und an der Pappelallee. Und in der Gleimstraße wird die Kunst zur politischen Akteurin. Porträts.

Alle reden über Kunst in diesen Tagen, Wochen und Monaten, gefühlt und irgendwie. Wie frei ist Kunst, was darf sie, was soll sie? Die Mauer wieder errichten, um das Gefühl von absoluter Kontrolle und Eingesperrtsein noch einmal herzustellen, das in der DDR herrschte – wie es ein Künstler-Team am 9. November in Berlin wollte – und dann doch nicht durfte? Sich von rechts-dogmatischen Drohungen einschüchtern lassen und lieber nicht stattfinden, und dann doch – wie das Konzert der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ jüngst am Bauhaus Dessau? Jetzt erst recht frei, bunt und vielfältig sein – wie es die bundesweite Initiative „Kultur der Vielen“ jüngst zu ihrem Startschuss betonte? - (Siehe dazu auch Seite 10 dieser Ausgabe). 

Kunstklikke Berlin Prenzlauer Berg
Kunstwerke unterschiedlicher Genres zeigt die „KunstKlikke“ wieder ab 8. Dezember in der Galerie erstererster.

Die Identitätsfrage

Was kann, soll, darf Kunst? Kunst stiftet Identität, sagt Annekatrin Pischelt. Kunst belebt – Menschen, Gemeinschaften, Quartiere. Die Fotografin ist Mitglied der „KunstKlikke“, einer Künstlergemeinschaft, die sich vor einigen Monaten im Umfeld des Helmholtzplatzes zusammenfand. Und genau das, Quartiere in Prenzlauer Berg durch unterschiedliche Kunstaktionen beleben, macht die „KunstKlikke“ und hat es auch künftig vor. 

Alles begann mit einem Aufruf von Steffen Matt. Der Fotograf wollte nicht mehr nur allein vor sich hin arbeiten – in seinem Atelier, in der Vermarktung seiner Kunst. Matt fotografiert und collagiert Berliner Altes und Neues. Seine Ansichten druckt er auf unterschiedliche Materialien, die er auf seinen Touren durch die Stadt findet, auf Rigipsplatten, Glas, Holz oder Stein aus Abbruchhäusern.

Matt wollte den Austausch mit anderen Künstlerinnen und Künstlern und gemeinsame Aktionen. Weil es in einer Gruppe einfacher ist, weil eine Gruppe sichtbarer werden kann. Dem Aufruf folgten die ersten Antworten: Ja, wir machen mit. Karsten Wenzel war unter den ersten. Der Maler, der eigene, atmosphärisch-dichte Bilder ebenso schafft wie Werke für Theater und Film, lebt seit 30 Jahren in Berlin, den Großteil davon in Prenzlauer Berg. 

Die ersten Treffen einer Gruppe von vier, fünf Künstlern fanden am Helmholtzplatz statt, die ersten Ideen für gemeinsame Aktionen entstanden in der Küche von Annekatrin Pischelt. Dort entstand auch der Name „KunstKlikke“. „Eigentlich als Wortspiel, wir sind keine Freunde, wir sind eine Gruppe, wie eine Clique“, sagt die Fotografin, die auch Texte schreibt – oder Kreativkurse gibt in ihrer Wohngenossenschaft Bremer Höhe.

 

KunstKlikke, Berlin Prenzlauer Berg
Kunstmärkte auf dem Helmholtzplatz gehören zum Repertoire der Künstlergemeinschaft. Fotos (2): KunstKlikke

Mehr und mehr Künstler meldeten sich. MalerInnen und BildhauerInnen, FotografInnen, TöpferInnen - Kreative aller Sparten. Rund 15 Frauen und Männer zählt derzeit der harte Kern der „KunstKlikke“, rund 20 Menschen der Kreis der Interessierten. So vielfältig der Genre-Mix, so unterschiedlich sind Handschriften und Lebensweisen. Es sind Künstler, die haupt- und nebenberuflich ihre Kunst betreiben.  

Seit dem Aufruf von Steffen Matt sind acht Monate vergangen. Den Treffen und dem Ideenaustausch folgten die ersten Aktionen. Kunstmärkte im Platzhaus am Helmholtzplatz, in Nachbarschaft zu den wochenendlichen Flohmärkten. Mit Kaffee, Kuchen, Musik – und mit Kunst natürlich. Vier solcher Märkte soll es künftig jährlich geben. Sie sind feine, kleine Events, die dem Helmholtzplatz eine besondere Note geben – ihn beleben. Ausstellungen führten die „KunstKlikke“ in die Galerie erstererster in der Pappelallee. Auch an diesem, ihrem zweiten festen Ort, soll es weiterhin Aktionen geben. Die Gemeinschaft wünscht sich indes weitere Wirkungsorte im Stadtteil – leerstehende Räume beispielsweise, die sie mit ihrer Kunst temporär nutzen kann.

 

Kunst als politische Botschaft

Alle reden über Kunst und die Rolle davon. Die „KunstKlikke“ will beleben, anregen, Identität stiften. Nur ein paar hundert Meter entfernt von ihrem Stammsitz am Helmholtzplatz mischt sich Kunst derzeit auch aktiv in politisches, hier, wohnungspolitisches Geschehen ein. Der Mieterverein der Gleimstraße 56 kämpft um sein Haus. Der Bezirk will hier erstmals das Vorkaufsrecht ausüben, in letzter Sekunde legte die Kaufinteressentin dagegen Einspruch ein. „Kunst gegen Verdrängung“ hieß die Aktion Ende November im Haus Gleimstraße 56. Und nicht nur dort. Mit den MieterInnen des Hauses Paul-Robeson-Straße 17 holten sich die Gleim-Leute Partner mit ins Boot. Dieses Haus wurde vor kurzem verkauft. Derzeit prüft der Bezirk Pankow, ob er ein weiteres Mal von seinem kommunalen Vorkaufsrecht Gebrauch macht. 

Kunstklikke, Berlin Prenzlauer Berg
Drei der MacherInnen der „KunstKlikke“: Steffen Matt, Karsten Wenzel, Annekatrin Pischelt (v.l.). Foto: al

„Kunst gegen Verdrängung“: In der Gleimstraße 56 wurden historische Wandbeschriftungen und Botschaften ehemaliger Hausbewohner und ihrer Freunde gezeigt. Die beiden bildenden KünstlerInnen Andrea Übelacker und Oliver Pfützenreuther öffneten ihre Wohnungen und präsentierten Zeichnungen und Bilder. Eine Ausstellung von Künstlern aus dem Haus und aus ganz Berlin präsentierten die Mieter in der Paul-Robeson-Straße 17, Malerei, Zeichnung und Skulptur.

 

Poetisch und lebensnotwendig

Reden wir also über eine Kunst in dieser Konkretheit. Reden wir, im besinnlichen Adventsmonat Dezember, auch über das, was Kunst noch sein kann: Pures Vergnügen. Mal frech und politisch, mal sanft und politisch, mal sinnlich und poetisch. Lebensnotwendig in jedem Fall. Die nächste Ausstellung der „KunstKlikke“ in diesem Monat, in der Galerie erstererster, ist eine Doppelausstellung. Die erste Schau mit Arbeiten, Bildern, Skulpturen, Fotografien und anderen Kunstwerken eröffnet am 8. Dezember, eine zweite direkt eine Woche später. Beide sind bis zum 22. Dezember zu sehen, dazu gibt es Musik und Lesungen.

-al-, Dez. 2018